Braunschweig. Der Auftakt der Open Airs auf der Braunschweiger Brawo-Bühne gerät stimmungsvoll und weitgehend trocken. Erstmals gibt es eine Tribüne.

Rund 4000 Feiernde sind am Donnerstag auf dem Open-Air-Gelände am Raffteichbad. Die meisten von ihnen um kurz vor 22 Uhr halb verdurstet, so scheint es. „Es gibt nur Wasser, Wasser, Wasser überall, doch wir haben nichts zu trinken“ singen sie laut im Chor. Und dann: „Wir brauchen Rum, Rum, Rum, sonst verdursten wir.“ Der Zugabenblock beim Konzert von Santiano ist ein besonderes Erlebnis. Überall Tanzende, Springende, laut Mitsingende und Jubelnde. Braunschweig ausgelassen wie ein Stück Speck – ein stimmungsvoller Auftakt der diesjährigen Konzerte auf der Volksbank-BraWo-Bühne.

Getränkenot gibt es natürlich nicht wirklich. Ganz im Gegenteil. Auf dem erweiterten Gelände inklusive zusätzlicher Gastronomie werden neben Softdrinks und Bier auch Cocktails, Shots und Außergewöhnliches wie Gin Tonic mit Gurke ausgeschenkt. Dazu sind Snacks von Crêpes bis Currywurstpfanne im Angebot, von Mini-Donuts bis Langos. „Ungarische Spezialitäten mit großer Beliebtheit“ steht an dem Stand. Tatsächlich sorgen die vielfältig belegten Fladenbrote für die längste Schlange. Neu in diesem Jahr ist zudem eine 50 Meter breite Sitzplatz-Tribüne. Die 1100 Plätze links der großen Bühne sind vollständig besetzt. Einige Zuschauer schreiben indes tags darauf bei Facebook, es waren „ganz schön enge Sardinen-Sitzplätze“.

Elf Jahre Santiano - Hoffnungen und Mahnungen

Santiano feiern in Braunschweig ihr zehnjähriges Bestehen. Eigentlich sind sie schon im elften Jahr. Das erste Album erschien 2012. Doch Corona brachte die Planung durcheinander. So sagte die Band etwa im Sommer 2021 auch die geplante Unplugged-Tour mit Orchester ersatzlos ab. Aber nun. 100 Minuten lang präsentieren sie ein Best-of, von den ersten Hits „Santiano“ und „Frei wie der Wind“ bis hin zum wuchtigen Rocksong „Wenn die Kälte kommt“, der mit dem legendären Riff aus Led Zeppelins „Kashmere“ beginnt.

„Erst schipperten wir mit einem kleinen Dampfer. Dann haben wir das Schiff immer größer und höher gebaut“, umreißt Frontmann Björn Both das Jahrzehnt. Im Kurzfilm, der das Konzert mit Landschaftsaufnahmen und den Musikern in voller Fahrt einleitet, heißt es: „Heute bietet die Santiano all denjenigen Platz, die die Hoffnungen und Möglichkeiten, aber auch die Mahnungen verstehen, die tief in die Hölzer dieses Schiffes geschnitzt sind.“

Was Björn Boths über Freiheit denkt

Die 26 gespielten Songs (inklusive fünf Zugaben) sind nur zu einem geringen Teil Shantys. Das fidele irische Volkslied „Irish Rover“ etwa macht Spaß. Geiger Peter Sage singt schwungvoll über ein übertrieben groß dargestelltes Segelschiff. Das hat unter anderem sechs Millionen Hunde geladen. Doch es erleidet Schiffbruch. Der Erzähler ist der einzige Überlebende. So kann niemand sein Seemannsgarn widerlegen. Auch das lebhafte Trink- und Tanzlied „Hooray For Whiskey“ ist originell.

Die meisten Songs indes schildern vor allem Befindlichkeiten, meist sehr allgemein und mit einer zweiten Erzählebene. Zusammenhalten, das Ziel nicht aus den Augen verlieren, nach Niederlagen wieder aufstehen, die Fahrt ins Ungewisse wagen, verlässlich sein: Das ist die Botschaft. Sänger und Gitarrist Both macht sie auch in einer langen, fast pastoralen Ansage vor „Lieder der Freiheit“ deutlich. Vor „Nichts als Horizonte“ greift er noch einmal die Botschaft der 2022er-Tour auf: „Wer wollen wir gewesen sein? Wollen wir die sein, die das Ruder noch mal herumgerissen haben? Oder die, die für ein bisschen falsch verstandene Freiheit alles den Bach runtergehen lassen? Freiheit darf man nicht ohne Verantwortung denken – fürs Gegenüber und für den Riesendampfer, auf dem wir unterwegs sind.“

Peter Sages wilde Melodien

Der 58-Jährige hat eine kernige Ausstrahlung. Robert Louis Stevenson, Autor von „Die Schatzinsel“, hätte wohl geschrieben: „Ihm haftet so etwas wie Meeresgeruch an.“ Both segelte tatsächlich schon vor Westafrika. Auch Peter Sage ist ein großer Segler. Im März kenterte er indes und musste aus der Ostsee gerettet werden. Das schnelle Sinken der Zwölf-Meter-Jacht filmte er aus dem Beiboot, in das seine Frau und er sich retteten. Im Internet kann man sehen, wie ruhig er dabei bleibt: „It’s going down, honey.“ Auch auf der Bühne ist der 74-Jährige nun vom Typ her der Ruhepol, der aber stilprägend ist, mit mal wehmütigen, mal wilden Melodien. Im Zugabenteil duelliert er sich bei „Diggy Liggy Lo“ musikalisch rasant mit dem aus Gifhorn stammenden Gitarristen Dirk Schlag.

Der Umtriebigste in der Band ist Gitarrist und Bassist Hans-Timm Hinrichsen, der viel springt, läuft und animiert. Ebenso wie Percussionist Axel Stosberg sowie Both und Sage singt er auch. Musikalisch bietet der Abend eine beachtliche Vielfalt: mit Shantys, Folk-Pop, Balladen, Rock und etwas Reggae, instrumentiert auch mal mit Akkordeon, Mandoline und Pauken. Ein durchweg ereignisreicher, satter Sound. So bleibt das Publikum in Fahrt, bis zur Heimathymne „Hoch im Norden“ als Schlusssong im Lichtermeer – und den Abschiedsworten: „Zack Ahoi“.

Das sind die nächsten Konzerte

Am Freitag, 18. August, ab 19.30 Uhr spielen Fury in the Slaughterhouse und im Vorprogramm Silent Radio auf der Volksbank-Brawo-Bühne. Tribünenkarten kosten an der Abendkasse 88, Stehplatzkarten 83 Euro.

Am Samstag, 19. August, 20 Uhr, spielen Silbermond am Raffteich. An der Abendkasse gibt es noch Karten für 63 Euro.

Bereits ausverkauft ist das Konzert von Cro am Sonntag.