Wolfsburg. Das abrupte Ende der Lord-of-the-Lost-Show am Samstag ist für viele Konzertbesucher zunächst rätselhaft. Jetzt bezieht die Autostadt Stellung.

Abruptes Ende beim Auftritt von Lord of the Lost in der Autostadt: Nach knapp 75 Minuten verkündet Frontmann Chris Harms plötzlich, dass die Band ihr Konzert wegen einer Unwetterwarnung vorzeitig beenden müsse. Drei Lieder, wie er auf der Bühne mitteilt, fallen spontan raus aus dem Programm. Die Band, die Deutschland in diesem Jahr beim Eurovision Song Contest in Liverpool vertreten hat, schickt die plusminus 3000 Zuschauer, insgesamt tummeln sich am Samstag gut 5000 auf dem Gelände, mit ihrem ESC-Beitrag „Blood & Glitter“ nach Hause. Es ist das 17. Lied des Abends.

Kurios: Noch wenige Minuten zuvor erzählt Harms erfreut, dass Lord of the Lost in Wolfsburg eine „richtig lange“ Headliner-Show und keines dieser verkürzten Festivalkonzerte, die meist nicht länger dauern als 50 Minuten, geben dürfe. Die Autostadt bestätigt auf Nachfrage die Konzertverkürzung bedingt durch eine Unwetterwarnung. „Wir haben bei Open-Air-Veranstaltungen immer einen Blick auf die Daten des Deutschen Wetterdienstes. Gegen 19.40 Uhr hat sich bei Braunschweig eine Gewitterzelle mit Blitzen entwickelt, die nach Osten zog und gegen 20.30 Uhr in Wolfsburg hätte sein sollen“, teilt Eric Felber, Leiter der Autostadt-Unternehmenskommunikation, unserer Zeitung mit. „Die Entscheidung trafen wir in Abstimmung mit der Produktionsleitung der Band. Natürlich tut uns das für alle Beteiligten leid, aber die Sicherheit unserer Gäste, der Künstlerinnen und Künstler sowie des Autostadt-Teams hat höchste Priorität.“

Das Gewitter über Wolfsburg bleibt letztendlich aus. Es gibt nur ein wenig Regen. Die Zuschauer nehmen die Entwicklungen zur Kenntnis, murren nach dem Abbruch auf dem Gelände kaum, nur bei Facebook gibt es vereinzelte kritische Meinungen, eine Konzertbesucherin schreibt etwa: „Völlig albern gewesen. Nach dem Nieselregen kamen die Sonne und blauer Himmel, den man bereits am Horizont sah.“ Bei einem Eintrittspreis von 10 beziehungsweise 25 Euro sind für die meisten eben auch spontan verkürzte Konzerte kein Ding. Sicherheit geht vor.

Allrounder Gerrit „Gared Dirge“ Heinemann spielte Keyboard, Percussion und Gitarre. 
Allrounder Gerrit „Gared Dirge“ Heinemann spielte Keyboard, Percussion und Gitarre.  © regios24 | Michael Uhmeyer

Eher Kopfwippen als Headbangen bei Lord of the Lost in Wolfsburg

Die Musik der Fünf in eine Schublade zu stecken, ist unmöglich. Zu schnell wechseln die Stilrichtungen in den Stücken der Band. Pop, Rock, Metal, dann wird es durch die Keyboard-Klänge von Gerrit „Gared Darge“ Heinemann wieder sphärisch. Harms sagte mal in einem Interview, dass Rammstein, Marilyn Manson und Roxette Vorbilder der Band seien. Es sind am Abend auch eher die Kopfwipper als Headbanger unter den Zuschauern. Kein Circle Pit, dafür, bei „Blood for Blood“, die Einladung, sich auf einem Bein im Kreis zu drehen. Rockige Tanzmusik eben.

Wahrscheinlich kannten die wenigsten Konzertbesucher die Band bereits im vergangenen Jahr. Der Hype rund um den letzten Platz beim ESC machte die Musiker berühmt. In einem Interview, das fünf Leserinnen unserer Zeitung vor der Show mit der Band führen durften, sagte Schlagzeuger Niklas Kahl mit einem zwinkernden Auge: „Aus marketingtechnischer Sicht war es prima, wie es für uns beim ESC gelaufen ist. Alle reden ja immer nur über Rang eins, zwei und den letzten Platz.“

Um die 3000 Zuschauer erleben das Lord-of-the-Lost-Konzert in Wolfsburg.
Um die 3000 Zuschauer erleben das Lord-of-the-Lost-Konzert in Wolfsburg. © FMN | Stefan Lienert

Autostadt-Entertainment-Chef Roland Kalweit: „Wir sind ein Festival der Vielfalt“

Eine spannende Formation ist diese Band zweifelsohne, an der sich spätestens seit der ganz großen ESC-Bühne die Geister scheiden. Heftige Kritik gibt es von der einen Seite aufgrund ihrer Kostüme und des Musikstils, unterstützende Anerkennung von der anderen. Die Autostadt hat bei ihrer Planung für das diesjährige Sommerfestival diese polarisierende Band mit auf ihren Zettel genommen. Zeremonienmeister und künstlerischer Leiter des Sommerfestivals, Roland Kalweit, sagte zu Beginn der Show. „Ich finde, es war eine der besten Performances beim ESC.“ Großer Jubel. „Für mich ist es Musik, die hierhin gehört. Jeder soll seine Musik hören können, die er mag. Wir sind ein Festival der Vielfalt.“ Wieder Jubel.

Lord of the Lost muss seit langem viel Hass im Internet ertragen. Ihren Kritikern hat die Band mit „Leave your Hate in the Comments“ sogar ein Lied geschrieben. „Greift uns an, seid rücksichtslos. Wir sind Mist, und wir sind Schwuchteln. Wenn es euer Leben besser macht. Lasst alles raus“, heißt es da. Sie spielen es auch in Wolfsburg.

LOTL-Gitarrist Pi Stoffers, häufig breitbeinig in Aktion.
LOTL-Gitarrist Pi Stoffers, häufig breitbeinig in Aktion. © regios24 | Michael Uhmeyer

Harms ist an dem Abend trotz gebrochenen Zehs die Rampensau. Da ist es auch egal, dass ihm einmal ein „So, Augsburg“ rausrutscht. Gitarrist Pi Stoffers grinst sich mit den Fans in den ersten Reihen oft breitbeinig durch das Konzert. Bei „Destruction Manual“ gibt er den Angus Young und verarbeitet Anleihen des „Thunderstruck“-Riffs. Klaas „Claas Grenayde“ Helmecke bleibt unauffällig, sorgt aber am Bass mit Drummer Kahl für die klare Linie.

Spanierinnen reisen extra aus Barcelona für das Konzert an

Aus der ersten Reihe erleben all das Karla und Angela, die sich am Samstagmorgen um 6 Uhr in Barcelona ins Flugzeug gesetzt haben, nur um die Band in Deutschland zu sehen. „Wir haben sie beim ESC erstmals gehört, und waren direkt begeistert“, erzählen die Spanierinnen. Nach einem Tag in Hannover geht es für sie Montag wieder zurück.

Karla und Angela haben sich am Samstagmorgen von Barcelona aus auf den Weg nach Wolfsburg gemacht.
Karla und Angela haben sich am Samstagmorgen von Barcelona aus auf den Weg nach Wolfsburg gemacht. © FMN | Stefan Lienert

Jan, Walter, Chrissie und Babsie sind allesamt ESC-Fans und haben sich als Autostadt-Jahreskartenbesitzer für einen Zehner vier Karten geordert. „Gute Musik. Ich habe mich mit Youtube-Videos ein bisschen eingehender damit befasst“, erklärt Walter.

Jan, Chrissie, Walter und Babsie erleben das Lord-of-the-Lost-Konzert in der ersten Reihe.
Jan, Chrissie, Walter und Babsie erleben das Lord-of-the-Lost-Konzert in der ersten Reihe. © FMN | Stefan Lienert

Pünktlich zur Öffnung der Autostadt kommen auch Nadine und Moni aus Herford an. Sie warten bis zu Öffnung des Front-of-Stages-Bereichs gegen 18 Uhr ganz vorne in der Schlange, um später auch einen guten Platz zu ergattern. „Wir haben beim ESC die Auslandsfanklubs animiert. Leider hat es nicht so gut funktioniert, wie beim Vorentscheid.“ Ein Fan in der zweiten Reihe ergänzt zum Reporter: „Sie möchten meine Telefonrechnung nicht sehen.“

Moni und Nadine in der ersten Wartereihe in der Autostadt.
Moni und Nadine in der ersten Wartereihe in der Autostadt. © FMN | Stefan Lienert

Eros Ramazzotti, Johannes Oerding und ClockClock sind die nächsten Künstler in Wolfsburg

Sonntag beschließt der italienische Popsänger Eros Ramazzotti die musikalische erste Halbzeit des Autostadt-Sommerfestivals, das am Freitag Sarah Connor eröffnete. Mehr als 50.000 Konzertbesucher kamen bislang. Resttickets für das Konzert gibt es noch am Welcome-Desk der Autostadt. Weiter geht es dann am kommenden Wochenende mit Johannes Oerding, Clueso, Tina Dico und ClockClock. Nach derzeitigem Stand sind diese Shows ausverkauft.