Wolfsburg. Die Pop-Königin legt vor 8000 Fans in der Autostadt souverän ein abwechslungsreiches, zugewandtes, unverblümt liebevolles Konzert hin.

Sarah Connor ändert spontan ihr Programm. Der Grund ist Kaya, neun Jahre alt, und sie wünscht sich das Lied „Drachen“. Kaya ist eines der erstaunlich vielen Kinder unter den 8000 Fans Freitagabend beim Sommerfestival in der ausverkauften Autostadt. Ihre jüngsten Anhängerinnen liegen der vierfachen Mutter am Herzen. Connor lädt sie persönlich ein, in die vorderen Reihen zu kommen, „macht mal ein bisschen Platz“, liest ihre Plakate mit Song- und anderen Wünschen. Kaya fischt sie direkt auf die Bühne.

Ihr Lieblingssong? „Drachen“! Und den möchte die kleine Rothaarige dann eben auch hören, beziehungsweise gleich mitsingen, Sarah besorgt ihr ein Mikro. „Vor langer Zeit / Schnitt ein Monster ihre Flügel ein“, heißt es darin. Doch sie „steigt als Engel aus den Flammen“. Und: „Sie läuft über Wasser, sie läuft über Glas / Sie jagt den größten Drachen, der sie beinah fraß.“

Die Königin des Empowerments

Das versteht man als Erwachsener, als Metapher auf ein Erstarken nach einer schlimmen Beziehung, und als Kind versteht man das auch, nur direkter: Es geht ums Wiederaufstehen und darum, angstfrei zu sein, auf Linked-In-Deutsch: um Empowerment. Dafür steht Connor wie keine andere deutsche Pop-Königin.

Davon abgesehen macht das Duett mit dem Kind auch deutlich, was für eine fähige Sängerin die 43-Jährige ist. Kaya hat den Text drauf und bekommt ihn vor 8000 Augenpaaren auch prima über die Lippen, etwas schief, aber unbekümmert, und sie erntet großen Applaus. Aber was für ein Strahl, besser ein Strom ist Connors Stimme, bitteschön. Kraftvoll, aus der Brust, facettenreich, voller Drive die Führung übernehmend, auch mal kratzig, gelegentlich aufreizend in eine kribbelnde Kopfstimme kippend.

„Vincent“, „Kommst du mit ihr“

Dafür, dass so viele Kinder da sind, singt der Star bemerkenswert viele Texte, von denen man früher gesagt hätte: nicht jugendfrei. „Kommst du mit ihr“ etwa. Dito. Eine druckvolle, funky Soulnummer. Wütende Fantasien vom Ex beim Rummachen mit der Neuen. Oder „Vincent“. „Vincent kriegt kein‘ hoch, wenn er an Mädchen denkt / Er hat es oft versucht und sich echt angestrengt“, geht der Song los. Manche Radiostationen wollten ihn nicht spielen oder schnitten die ersten Zeilen weg. Kann man das Minderjährigen zumuten?

Logisch, die sind ja nicht von gestern. Und ohnehin nicht zu retten vor dem durchsexualisierten Netz. Da kann ein liebevoller Song nicht schaden, unverblümt, aber eben dadurch auch kumpelig ehrlich und nahbar. „Es ist nur Liebe, dafür gibt es keine Medizin.“

8000 Fans, überwiegend Frauen und erstaunlich viele Kinder jubelten Sarah Connor in Wolfsburg zu.
8000 Fans, überwiegend Frauen und erstaunlich viele Kinder jubelten Sarah Connor in Wolfsburg zu. © regios24 | Helge Landmann

Turnschuhe für die Mondlandung

Die Nummer geht auch gut ins Ohr, und Connor wird gefeiert, nicht nur von den Kindern. Aber vor allem von Frauen, im Publikum in der Mehrzahl, erst recht in den vorderen Reihen. Die Connor ist schon ein Vorbild, ein Role Model auf gutdeutsch: groß, attraktiv, erfolgreich, selbstbestimmt, voll berufstätig und Mutter, eine tolle Tänzerin und, sagen wir, originell gekleidet. Enger Body, darüber ein schimmerndes lilafarbenes Hemd, dazu eine weite Plastiksilberhose. Designerturnschuhe, mit denen Armstrong schon auf dem Mond unterwegs war.

Sie umgibt sich mit einer großen Band, zwei sich gut ergänzende Gitarristen, Keyboard, Drums, Percussion, drei Backgroundsängerinnen und ein -sänger. Die acht begleiten Connor souverän und versiert, in einer abgewogenen Mischung aus Balladen, poprockigen und tanzbaren Nummern. Sie könnten ein bisschen öfter von der Leine gelassen werden.

Connor singt „Nothing Compares 2 U“ für Sinéad O‘Connor

Nicht alle Songs überzeugen rundweg, es gibt ein paar an Schlager grenzende Nummern, „Bye Bye“ etwa, und die Connor plaudert erzsympathisch, aber auch ganz schön viel. Das nimmt dem Abend ein bisschen den Drive. Unterhaltsam ist er dennoch, musikalisch abwechslungsreich, angesichts der durchweg schönen Menschen auf der Bühne sehr ansehnlich und immer wieder auch anrührend. Etwa wenn die Connor gegen Ende „Nothing Compares 2 U“ anstimmt, als Verneigung vor der gerade verstorbenen Kollegin Sinéad O‘Connor.

So ganz hat sie den Text nicht drauf. Weder Texte noch Unterwäsche seien bei ihr sicher, betont sie mehrfach, in Anspielung auf ihren leicht bekleideten Braunschweiger „Wetten, dass...“-Auftritt vor 20 Jahren. Verschmitzte, starke Frau, tolle Sängerin, Edel-Plaudertasche. Starker Beifall.

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