Hannover. Daniel Kramer inszeniert John Adams’ Oper „Nixon in China“ an der Staatsoper Hannover als poppige Polit-Revue

Biden besucht Putin im Kreml. Ungefähr diese Brisanz muss 1972 der Staatsbesuch Richard Nixons in China gehabt haben. Immerhin traf der Präsident der führenden kapitalistischen Weltmacht dort auch mit dem greisen Mao, einem der Erzväter des Kommunismus, zusammen.
In der Tradition der auf Haupt- und Staatsaktionen getrimmten Grand Opéra hat John Adams daraus 1987 eine sehr amerikanische Pop-Oper gemacht, strotzend vor spektakulären Effekten, musicalhaften Bildern, flotten Rhythmen. Und Daniel Kramer lässt es in Lizzie Clachans und Esther Bialas’ so richtig schön geschmacklos-greller Ausstattung entsprechend krachen.

Wir sehen die Anreise im Flugzeug, eine Reihe von ovalen Fensterchen und das Präsidentenpaar in Hauspantoffeln, das rechtzeitig zum Blitzlichtgewitter beim Handschlag mit Ministerpräsident Chou En-Lai das vorschriftsmäßige Lächeln aufsetzt. Wir sehen Mao an der Sauerstoffflasche, der plötzlich wieder sehr lebendig wird, den Girls an den Hinten greift und Nixon beim gemeinsamen Bad im Whirlpool untertaucht. Und wir sehen Pat Nixon, die das sozialistisch-miefige Resopal-Hotelzimmer auf amerikanisch umtapezieren lässt und das eigene Klo mitgebracht hat. Hinter den Gardinen allerdings lugen die Massen Chinas ins Appartment. Das lässt auch etwas gruseln.

Während die Oper das einstige Medienereignis feiert, konzentriert sich Kramer in seiner comedymäßigen Überzeichnung auf die auch heute übliche oberflächliche Verpoppung von an sich gefährlichen Strukturen und Machtverhältnissen. Mao schwafelt ziemlich krudes Zeug, etwa dass er im Westen die Rechten bevorzuge, denn die extreme Linke sei rechts, die extreme Rechte in Wahrheit links, findet er. AfD, Linke, Wagenknecht, war da was?

Krass wird die Übergriffigkeit der alten weißen Säcke gezeigt. Mao voran war da ein ziemliches Monster, aber Kissinger hält mit. Frau Mao (Mercedes Arcuri) führt dann mit hysterischen Koloraturen ein paar Flintenweiber zur Rache an, und Nixons steigen aus dem Theater aus. Besonders Pat, von Eliza Boom mit weichem Sopran gesungen, erweist sich als Sympathiefigur für europäische Aufklärung. Zwar verteilt sie etwas muttihaft überall Weihnachtsgeschenke und fragt, ob das rote Kleid ein Einzelstück sei, in China!, aber sie zeigt Mitleid mit der missbrauchten Tänzerin, die Musik wird hier milde-visionär wie in Wagners Liebesmotiv am Ende der „Götterdämmerung“.

Ansonsten herrscht der Drive der Minimal Music, den Daniel Carter am Pult sicher steuert: Ostinate Rhythmen, melodische Kleinfrequenzen, gern Ausgriffe in Swing und Broadway-Sound, wenn Ehepaar Mao und Ehepaar Nixon privat werden und engumschlungen tanzen. Ob Rote Revolution oder Pionierzeit, alles Nostalgie.

Mark Stone hält als Nixon mit akkuratem Bariton gegen den exzentrischen Tenor von Daniel Norman als Mao. Mit füllig-weichem Bariton und stiller Würde verkörpert Darwin Prakash den philosophischen Chou En-Lai, einen der wenigen im Stück, der noch ein Gewissen hat. Ein grauer Exot im Pop-Universum, in dem man auch hier Spaß hat, dessen manipuilative Kraft man aber durchschauen sollte.

Wieder 25., 28. Juni, 2., 5., 7. Juli. Karten u.a. unter (0511) 9999111 oder www.konzertkasse.de.