Braunschweig. „Die fabelhafte Willy-Wunder-Wirtschaftswunder-Schau“ in der Komödie am Altstadtmarkt ist unkritisch, unterhält aber hochprofessionell.

Das glänzt und glitzert in allen Bonbonfarben des Regenbogens. Das swingt in allen angesagten Rhythmen jener Zeit – von Cha Cha Cha bis Rock’n’Roll. Da gerät dir, ob du willst oder nicht, ein Lächeln auf die Lippen und ein Zucken in die Füße. Welch ein glückliches, leichtlebiges, überbordend lebenslustiges Jahrzehnt, denkt der nachgeborene Zuschauer.

Da hat jetzt der kritische Geist erstmal Pause. Denn die 50er-Jahre waren ja schon ein makabres Jahrzehnt. Der Krieg war kaum erst vorbei, da ergingen sich die Deutschen in einem Maße in Verdrängung, die uns heute ebenso nachvollziehbar wie horribel erscheint.

Schwer gelitten

Einerseits hatte man schwer gelitten unter dem Verlust der Männer an den Fronten, dem Bombenkrieg, den Trümmern, dem Hunger. Andererseits waren Deutsche ja an all dem schuld. Haben ihrerseits halb Europa in Schutt und Asche gelegt, haben gemordet wie verrückt.

Und dann kam das Wirtschaftswunder. Man war noch mal davongekommen. Man war wieder bei den Siegern. Hätte man ein Wort erwartet zu diesem grotesken Jahrzehnt in dieser Show? Zu der gewaltigen Verdrängungsleistung? Dazu, dass die Schlagerfröhlichkeit wohl auch etwas zwanghaft war?

Sentimentale Weltflucht

Mag sein. Aber komm schon, kritischer Geist: Was da geboten wird in der Komödie am Altstadtmarkt, ist hoch professionelles Entertainment (was man, sorry, nicht immer von diese Bühne sagen kann). Eine ziemlich gute Show vom Imperial-Theater aus Hamburg. Die kann man auch einfach mal so anerkennen und genießen. Und Schlager waren und sind ja seit jeher eine sentimentale Weltflucht. So what.

Man mag die Klammer von dem mittelalten Mann, der in seiner Plattensammlung kramt, um die 50er noch mal lebendig werden zu lassen, etwas notdürftig finden. Auch wenn die Platten von Musikalien-Weller in Remscheid kommen, wo der Rezensent selbst vor langen Jahren seine ersten Schallplatten erwarb. Zumal das Ensemble darauf auch gar nicht mehr zurückkommt.

Biedere Spots

Immerhin gelingt es in einer anderen Art von Klammer, dem Entertainer-Ehepaar Willy und Rita Wunder auch einen durchaus soziologisch-kritischen Zeitgeist zu unterlegen. Denn die beiden verdingen sich vor allem als Darsteller/Sänger in den unvorstellbar biederen, die Frauen vornehmlich in die Küche und zu Männermägden verbannenden Werbespots jener Zeit – von „47/11“ bis „Frauengold“.

Im Wesentlichen geht es natürlich um die Lieder. In den 50ern sehnten sich die Deutschen nach Welt, Weite, endlosem Meer. Nach Tahiti und Shanghai. Seefahrer-Romantik, bis sich die Balken biegen. Ein Schiff wird kommen, jedes Herz braucht ein Zuhause. Da wird geschmachtet und geschmolzen, zum Glück dargeboten mit einer kleinen Prise Ironie im Knopfloch.

Dann geht es nach Wien mit Charme und Schmäh, nach Italien mit Temperament und Grandezza, nach Paris mit Ohlàlà l’amour (alles freilich züchtig). Schließlich auch nach Südamerika mit diversen Latino-Rhythmen. Die Frauen stimmlich strahlend (Bianca Arndt) oder eher voluminös (Iris Schumacher), die Herren Marko Formanek und Frank Thannhäuser als Charmebolzen im fortgeschrittenen Playboy-Alter. Verdient kräftiger Beifall.