Braunschweig. Shereen Adam tritt am 3. Juni mit der Polizei Big Band im Wolters-Garten auf. Wie die Tochter eines Landarztes zur Braunschweiger Jazz-Lady wurde.

Als Shereen Adam im Herbst 2020 gefragt wurde, ob sie anlässlich des Tags der offenen Tür der Bundesregierung die Nationalhymne singen würde, begleitet vom Bundespolizei-Orchester – da sträubten sich ihr zunächst die Nackenhaare. Dabei war die junge Braunschweiger Jazz-Lady schon öfter mit Polizei-Ensembles aufgetreten. Doch im Mai 2020 hatte die Ermordung des schwarzen Amerikaners George Floyd bei einem Polizei-Einsatz in Minneapolis weltweit Empörung ausgelöst und der Bewegung „Black Lives Matter“ enormen Auftrieb gegeben.

„Mich hat das damals auch unheimlich beschäftigt. Mir wurde bewusst, wie sehr ich bis dahin immer zurückgesteckt hatte, und dass sich etwas ändern muss“, erzählt die schwarze Deutsche, die in Offleben bei Helmstedt aufwuchs, wo ihr Vater, ein kenianischer Mediziner, als Landarzt praktizierte. Sie sei immer zur Anpassung erzogen worden, habe vor allem als Kind bei allen Erlebnissen mit Rassismus die Schuld bei sich gesucht: „Der Fehler liegt bei mir – ich passe nicht ins Bild.“

„Wenn ich es nicht mache, wird es wieder irgendeine Blondine tun“

Black Lives Matter sei dann der entscheidende Anstoß gewesen, selbstbewusster als schwarze Deutsche aufzutreten, sich mit anderen schwarzen Frauen in der Region zu vernetzen und sich mit strukturellem Rassismus auseinanderzusetzen. „Ausgerechnet da kam die Anfrage, mit dem Bundespolizei-Orchester die Nationalhymne zu singen“, erinnert sich Shereen Adam. Sie sagte erst ab – und zwei Tage später doch zu. „Wenn ich es nicht mache, wird es wieder irgendeine Blondine tun.“ Obwohl es Millionen Deutsche gebe, die dieses Klischee nicht repräsentiere.

Das Nationalhymnen-Video zum corona-bedingt digitalen Info-Tag der Bundesregierung machte ziemlich die Runde. „Es gab natürlich böse, verletzende Kommentare. Aber auch sehr viele bestärkende – gerade auch von anderen schwarzen Deutschen, zumal von Eltern, die sich sozusagen im Namen ihrer Kinder bedankt haben“, erzählt Shereen Adam.

Wie der Einstieg in die Musikszene gelang

Mittlerweile ist die 32-Jährige selbst junge Mutter. Während wir uns auf einem Braunschweiger Spielplatz unterhalten, muss sie immer mal wieder ihrer Tochter Lani hinterherjagen. Für die quirlige Anderthalbjährige hat sie ihre musikalische Karriere vorerst ein wenig hinten angestellt und tritt nur noch gelegentlich auf – am 3. Juni etwa mit der Polizei Big Band Niedersachsen und einem Soul- und Swing-Programm im Wolters-Applaus-Garten.

Adam hat eine helle, geschmeidige, leicht samtig glänzende, frei fließende Jazz-Stimme. Sie habe schon als Kind gerne und viel gesungen, erzählt sie. Begeisterte Reaktionen auf erste Solistenrollen bei Schul-Musicals motivierten sie, Gesangsunterricht bei einem Braunschweiger Opern-Choristen und an der Helmstedter Musikschule zu nehmen. Das Geld dafür habe sie mit dem Austragen von Zeitungen verdient, sagt Adam. Nach dem Abi absolvierte sie ein Freiwilliges kulturelles Jahr bei der Braunschweiger Musikschule Fit in Music, knüpfte Kontakte in der Szene, wurde die starke Stimme diverser Soul-, Jazz- und Top 40-Formationen in Braunschweig und Hannover, verdiente ihr Geld mit zahllosen Gigs auf Firmen-Events, Partys und in Jazz- und Bluesclubs.

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Über Roger Cicero zur Polizei Big Band

Ein Highlight war ein Konzert mit Swing-Star Roger Cicero im Capitol Hannover, bei dem Adam für seine verhinderte Bühnen-Partnerin Yvonne Catterfeld einsprang. Im Publikum saß auch Björn Füllgraf, Leiter der Polizei Big Band Niedersachsen. Schon hatte die Braunschweiger Jazz-Lady ihren nächsten Job.

Jetzt muss sie aber erst mal wieder Tochter Lani einfangen. Hoffentlich ist sie Samstagabend rechtzeitig zum Gig im Wolters-Applaus-Garten zurück. 19 Uhr geht es los. Karten gibt es noch an der Abendkasse.