Braunschweig. Programmleiterin Karina Gauerhof kommt gerade vom Netzwerken beim Festival in Cannes zurück. Welche Regeln gibt es für den roten Teppich?

Die Stadt der Schönen und Reichen, in der sich alljährlich im Mai die Größen der Filmindustrie versammeln: Die Filmfestspiele in Cannes gehören zu den weltweit bedeutendsten ihrer Art. Ein einzigartiges Netzwerken und Schaulaufen an der Côte d’Azur mit hoher Promi-Dichte. Karina Gauerhof, Co-Festival- und Programmleiterin des Filmfests in Braunschweig, war da. Nicht zum Schaulaufen, sondern zum Filmeschauen – und vor allem zum Netzwerken.

35 Treffen mit Menschen aus der Branche hat sie hinter sich gebracht, um Kontakte zu knüpfen und das Braunschweiger Festival international bekannter zu machen. Und sie ist auch über den legendären roten Teppich gelaufen. „Selten sieht man so viele herausgeputzte Menschen auf einem Fleck wie in Cannes – da fällt einem gar nicht auf, wenn eine bekannte Schauspielerin oder ein bekannter Regisseur an einem vorbeilaufen“, sagt sie lachend.

Das besondere Erlebnis vor der großen Leinwand

Das Kino steckt bekanntlich in der Krise. Nicht erst seit Corona, sondern seit Streamingdienste und Riesenflachbildschirme fürs heimische Wohnzimmer zu einer gefährlichen Konkurrenz geworden sind. „Dabei ist das gemeinschaftliche Kinoerlebnis unvergleichlich. Kraft und Emotionen von guten Filmen entfalten sich erst wirklich vor der großen Leinwand“, sagt Karina Gauerhof, die das Braunschweiger Festival seit 2021 gemeinsam mit Anke Hagenbüchner-Sobiech als Doppelspitze leitet.

Das Braunschweig Internationale Filmfestival (BIFF), wie es inzwischen heißt, will sich gesellschaftlichen Entwicklungen stellen, neue Besucher an sich binden, sich mit hochwertigen Programmen einen immer höheren Stellenwert auch in der internationalen Wahrnehmung erarbeiten. „Wenn ich die Leute in der Branche kenne und sie mich kennen, gelingt es viel leichter, für unser Festival an begehrte Filme zu kommen.“

Die Ehrenamtlichen zahlen alle Kosten selbst

Nach dem Filmfest ist vor dem Filmfest. Kaum sind im November die Gäste verabschiedet, die Preisträger beglückt abgereist, geht es an die Nachbereitung: Auswertung der Besucherzahlen etwa und Rechenschaftsberichte an Geldgeber der öffentlichen Hand und Stiftungen. Die müssen schließlich wissen, was der Filmfestverein mit ihrer finanziellen Unterstützung angestellt hat.

Und dann nimmt auch schon die Programmgestaltung fürs neue Festival Fahrt auf. Im Februar ist Berlinale. Schon früh im Jahr wird gesichtet, was das Zeug hält. Eine Hand voll Festangestellter und rund 40 ehrenamtliche Mitglieder gehen fürs Braunschweiger Filmfest auf die Suche nach den berührendsten, spannendsten, politischsten, kontroversesten, innovativsten, ungewöhnlichsten Filmen, die der Markt zu bieten hat.

Auf die Mischung kommt es an

So ist auch Margrit Lang in Sichtungsdingen unterwegs, Filmfestmitglied seit 15 Jahren und schwer engagiert im Kurzfilmsektor. „Wir Ehrenamtlichen zahlen alle Kosten selbst“, sagt sie schmunzelnd. Anreise, Hotel, Akkreditierung, Verpflegung: alles freiwillige Investitionen in die Leidenschaft fürs Kino.

„Es gibt nur wenige Festivals dieser Größenordnung, die von einem Verein veranstaltet werden“, betont Karina Gauerhof. Als Festangestellte muss sie sich unter anderem kümmern um die Rechte für die Filme und um die Höhe der Vorführgebühren. Kann sich der Verein diesen oder jenen Film überhaupt leisten? Will das Filmfest EU-Förderung erhalten, muss es darauf achten, eine bestimmte Quote an europäischen Filmen anzubieten. Außerdem wird bei den Sichtungen Wert auf eine Mischung der Genres gelegt: Thriller, Komödie, Drama etc.

Margrit Lang war Lehrerin und ist sehr bemüht, Schulen ins Filmfestgeschehen einzubinden. „Weil es für jedes Schulfach Anknüpfungspunkte gibt – ob Geschichte oder Fremdsprache, Deutsch- oder Musikunterricht“, sagt sie. Beim Sichten kristallisieren sich schließlich jene Themen heraus, die die Menschen derzeit umtreiben, hat sie festgestellt und freut sich, dass Festivals wie das Braunschweiger dem Kurzfilm eine Plattform bieten. „So haben doch alle Filmemacher mal angefangen.“

Filmfest will internationaler werden auch bei den Besuchern

Um neue Besucher auf sich aufmerksam zu machen und nicht nur auf die treue Klientel der Braunschweiger Cineasten zu setzen, öffnet sich das Filmfest immer mehr auch für Menschen, die aus anderen Ländern nach Braunschweig gekommen sind. „40 Prozent der Kinder in Braunschweig haben inzwischen Migrationshintergrund“, verweist Karina Gauerhof auf die wachsende kulturelle Vielfalt und betont: „Wir müssen Gesellschaft neu denken und wollen auch beim Festival internationaler werden.“

Dafür sucht und pflegt der Verein Kontakt zu Kulturvereinen in der Stadt, die andere Nationalitäten vertreten. So arbeitete das Filmfest im vergangenen Jahr zum Beispiel auch mit der Flüchtlingshilfe Refugium und dem Verein „frauenBUNT“ zusammen. Die Festivalmacher wollen zudem die Verbindungen zur Volkshochschule und der Technischen Universität intensivieren. „Wir möchten aber nicht nur, dass das Kino voll wird, sondern dass die Filme gesehen werden. Denn dafür sind sie gemacht.“

Kleiderordnung für den roten Teppich

In diesem Jahr läuft das Filmfest vom 6. bis 12. November. Auf dem Programm werden wieder rund 90 Langfilme und etwa 100 Kurzfilme stehen. „Eine Onlineplattform wird es in diesmal nicht geben“, kündigt die Festivalleiterin an. Zu teuer, zu aufwendig. In den vergangenen Jahren hatte es Corona-Zuschüsse gegeben. Die sind inzwischen weggefallen.

Wir kommen noch einmal auf Cannes zu sprechen, das Glamour-Filmfestival, und den roten Teppich. „Auf den Einladungen steht genau, wie man sich zu kleiden hat: Männer im Smoking, Frauen in Abendgarderobe. Sie werden am liebsten in Abendkleidern und auf High Heels gesehen“, berichtet Karina Gauerhof. Inzwischen sei bei den Damen aber ein Trend zum Hosenanzug auszumachen, meint sie augenzwinkernd. Vor einigen Jahren noch wurden Frauen mit flachen Schuhen des Teppichs verwiesen. Bis Julia Roberts demonstrativ barfuß darüber schritt.

Festival wird für Marketingzwecke missbraucht

Die Braunschweigerin schüttelt den Kopf, dass große Schönheits- und Modefirmen den roten Teppich als Catwalk für Modells und Influencer missbrauchen. „Die kaufen sich Zeitfenster, um die Modells laufen zu lassen. Mit den Fotos werden dann sofort die sozialen Netzwerke gefüttert. Eine reine Marketingmasche – fürs Kino und die Filme interessieren die sich nicht.“

Weitere Informationen zum Braunschweiger Festival unter www.filmfest-braunschweig.de

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