Hannover. Silvia Costa entwirft an der Staatsoper Hannover eine düstere Installation rund um Claudio Monteverdis frühe Oper „Orfeo“

Ein Liebespaar tritt freudig ins Eheleben, der Frühling bricht aus, und plötzlich ist die Gattin tot. Das nennt man Fallhöhe. Ein Schlangenbiss war’s im Mythos von Orfeo und Euridice, aber kraft seines Gesanges kann er die Geliebte aus der Unterwelt zurückholen. Doch er blickt sich zu früh nach ihr um und verliert sie so erneut.

Claudio Monteverdis „Orfeo“ ist eine der frühesten Opern der Musikgeschichte. An der Staatsoper Hannover verlegt sie die Installationskünstlerin Silvia Costa auf eine Art Friedhof. Hier scheinen gleich am Anfang irgendwie schon alle tot, Fallhöhe gibt’s nicht. Orfeo liegt wie ein Selbstmörder auf dem Boden. Hinter ihm baut sich ein betongraues Mausoleum auf. Die Freunde beklagen die Tugend einer Geliebten, die offenbar schon gestorben ist. Euridice selbst ist eine Erscheinung aus Orfeos zwischen Wahn und Wachen schwankender Fantasie. Ihre Todesmeldung übermittelt eine Krankenschwester, Schlüsselmomente offenbar seiner Erinnerung, die ihn heimsuchen. Da liegt er dann schon selbst mit dem Kopf in den weißen Trauerblumen.

Entschleunigung und Rätselhaftigkeit

Costas Friedhofswelten haben durchaus etwas Surreales. Sie strahlen Ruhe und Entschleunigung aus. Die Welt ist für den Hinterbliebenen stehengeblieben. Sie tauchen die Handlung in eine gleichmäßige Tristesse und auch manche Rätselhaftigkeit. Dabei gäbe es auch zu Dramatik Anlass, schließlich begegnet Orfeo auf seiner Höllenfahrt dem Unterweltsherrscher Pluto, seinem Fährmann Charon, der Fruchtbarkeitsgöttin Proserpina.

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Psychologisierende Trauerarbeit würde Orfeos Gang in die Unterwelt vielleicht als Abstieg ins Reich der Erinnerung deuten, Euridices Wiederbelebung als heilsame Illusion. Aber Costa mystifiziert den Mythos nur noch mehr. Da tauchen klassisch „griechisch“ kostümierte Figuren und drei Nymphen im Hades auf, wird Euridices zweiter Verlust durch eine Eisfigur materialisiert. Und Apollo als Arzt gibt dem Lebensmüden dann offenbar eine Todespille für die librettogemäße Himmelfahrt.

Stimmen oft zu leise fürs große Opernhaus

Monteverdis im Tonumfang begrenzte Gesangslinie, die Monodie, macht es den Sängern nicht leicht, Ausdruck zu zeigen. Luvuyo Mbundu als Orfeo wünschte man in seinen langen Erörterungen auch mal einen dramatischeren Zugriff, da muss mehr Verzweiflung rein über das so plötzlich zerstörte Lebensglück. Nikki Treurniet als Euridice singt so manieriert fein und in sich gekehrt, dass sie phasenweise nicht hörbar ist. Im Opernhaus braucht es nunmal mehr Durchschlagskraft. Wie sie Nina van Essen als Proserpina mit runden Tönen entwickelt.

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Dirigent David Bates steht zudem einer Art barockem Projektorchester vor, das in großen Teilen aus Gästen mit speziellen Kenntnissen und alten Instrumenten besteht. Gleichwohl geht die prächtige Eingangsfanfare nicht ohne Kiekser ab. Seine energische, tänzerische Interpretation gibt dem Werk allerdings Spannkraft. Doch die Emotionen bleiben im artifiziellen Gesang jenseits der Rampe stecken.

Wieder 26., 29. Mai, 2., 10. Juni. Karten unter Telefon (0511) 99991111.