Braunschweig. In der Braunschweiger VW-Halle gab es bei der 15 Ausgabe des Crossover-Projekts Bewährtes und Gewagtes. Nächstes Jahr geht’s weiter.

Auf dem Heimweg, eine Luftschlange im Haar, denkt man: Was war das denn? Staunend. Was war das für eine ambitionierte, mutige Jubiläumsshow! Drei Stunden Programm mit Klassik, Disco, Rock, Musical, Pop, Jazz und Rap – etwa die Hälfte der Stücke den meisten Besuchern vermutlich völlig unbekannt. Viele Veranstalter würden da sicher abwinken: Das ist zu krude, zu herausfordernd fürs Publikum. Doch „Pop meets Classic“ in der Volkswagen Halle endete am Samstag mit mehrminütigem donnerndem Applaus im Stehen – und mit lebhaften Gesprächen beim Weg aus der Halle.

Ausverkauft! So hieß es auch bei der 15. Ausgabe des Crossover-Projektes, das trotz des großen Aufwandes stets nur ein einziges Mal aufgeführt wird. Im Programm war diesmal einerseits, was viele der 6000 Zuschauer sicherlich erhofften: Edward Elgars prächtiger Marsch „Pomp & Circumstance“ etwa, die heimliche britische Nationalhymne, die ein kraftvolles und ein ruhiges Thema vereint. Und Richard Wagners imposanter „Ritt der Walküren“ mit pompösen Fanfaren.

Bolero mit E-Gitarre

Auch ein Klassik-Pop-Crossover von Ravels „Bolero“, in dem die Melodie auch von einer E-Gitarre der Pop meets Classic-Band aufgenommen wird, sorgte für starken Applaus. Andererseits kam das Überraschende nicht zu kurz. Gleich als zweites Stück präsentierte das Staatsorchester Braunschweig John Adams’ „Short Ride In A Fast Machine“. Adams verarbeitete mit der Komposition eine beängstigende Fahrt in einem Sportwagen, erzählte Markus Schultze, der informativ und unterhaltsam durch den Abend führte. Antreibende Holzblockschläge, vorbeizischende Piccolo-Töne, hektische Einwürfe von Streichern und Bläsern – das Stück ist rasant und erlebnisreich.

Erlebnisreich war dann auch das Live-Debüt von Miki Kekenjs „Frühling I bis IV“. Das epische Werk erzählt in elf Minuten zu eindringlicher, teils hochdramatischer Orchestermusik über den tunesischen Gemüsehändler, dessen Selbstverbrennung aus Protest den Arabischen Frühling auslöste. Kekenj schildert dessen letzten Gedanken, Rapper Curse erzählt aus der Sicht eines Beobachters. Ein Flüstern leitet die Katastrophe ein: „Feuer“. Der zweite Teil ist ermutigend und kämpferisch. Textauszug: „Und dann ist die Flut nicht aufzuhalten. Wir ergießen uns in alle Himmelsrichtungen.“

Nie verzweifelt sein

Der gebürtige Braunschweiger Miki Kekenj, aktuell erster Violinist und Konzertmeister bei den Bergischen Symphonikern, dirigierte selbst. Curse setzte anschließend noch einen weiteren Glanzpunkt: mit seinem wortgewaltigen „Bei mir“, einem nahegehenden, doppelbödigen Song über Selbstzweifel, Selbstoptimierung und den Wunsch, wie die zu sein, die nie gebrochen und verzweifelt sind – arrangiert mit einer Harfenmelodie.

Für einen interessanten Kontrast sorgte in der ersten Hälfte Ketzberg, das neue Projekt des Ex-Braunschweigers Paul Köninger. Er stellte den ironischen, entspannt fließenden Soulsong „Gucci Gucci Prada“ vor, in einem reizvollen Arrangement mit Flötentrillern und relaxter Trompete. Im folgenden „Immer“ – einem Appell, im Jetzt zu leben – sang er auch gekonnt mit Kopfstimme.

Kappe mit Hörnern

Vor der Pause begeisterte dann noch eine viertelstündige Musicalshow. Music4all präsentierte Songs aus gleich fünf Musicals, mit ausdrucksstarkem Gesang und schwungvollen Choreographien. Starker Beifall.

Die zweite Hälfte setzte dann auf eingängig Populäres – und riss fast alle von den Sitzen. Violinist Josef Ziga startete mit AC/DCs wuchtigem „Thunderstruck“. Dazu trug er eine Kappe mit leuchtenden Teufelshörnern. Die Jazzkantine verwandelte die Halle in eine Großraumdisco. Dem druckvoll groovenden „Wir heben ab“ mit schneidigen Bläsern schloss sich ein Medley mit Discokrachern an, mit Hits von Chic bis Raul de Souza, von Earth Wind and Fire bis Jamiroquai. An der Decke kreiste eine Discokugel.

Fidele Flöte

Deutschpopsänger Joris präsentierte zwei seiner Hits in ausgeklügelten symphonisch-poppigen Arrangements. In „Nur die Musik“ klang die Querflöte fidel wie ein lebensfroher Vogel, der den Frühling begrüßt. Das energiegeladene „Herz über Kopf“ überraschte mit einem Streicherausbruch und Paukenwirbel zum Schluss.

Beim Abgang stimmte Joris das Lied noch einmal an. Das euphorisierte Publikum verabschiedete ihn mitsingend.

Spannend gesteigert

Nächstes Jahr geht’Vor dem Finale zogen dann Silent Radio in den Bann: mit einer eindringlichen, spannend gesteigerten Balladenversion von Kate Bushs „Running up that hill“ mit dunklem Bariton und E-Geige. Zum Finale kehrten noch einmal alle Mitwirkenden zurück: zu „Eleanor Rigby“ und „You’re the voice“. Konfettiregen, Luftschlangen. Ohne Zugabe war bei der Show unter künstlerischer Leitung von Christian Eitner kein Nachhausekommen möglich.

Erfreuliche Nachricht zum Schluss: 2024 geht es weiter, diesmal am 23. März, kündigte Produzent und Veranstalter Undercover an. Der Vorverkauf beginnt bereits am Mittwoch.

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