Braunschweig. Warum der Direktor des Herzog-Anton-Ulrich-Museums die Reise des „Mädchens mit dem Weinglas“ untersagte.

Die Vermeer-Ausstellung in Amsterdam ist ein Superhammer. Ein Mega-Event. Ein globaler Magnet. sie läuft noch bis zum 4. Juni, aber man kommt nicht mehr hinein. Verwunderlich ist das einerseits, weil der Meister, der im 17. Jahrhundert in Delft lebte, stille kleine Bilder gemalt hat, alltägliche häusliche Szenen zumeist. Keine Schinken, keine Spektakel, eher das Gegenteil. Andererseits ist der Hype aber so überraschend auch wieder nicht, weil von ihm nur 35 Gemälde überliefert sind, die meisten derzeit aus aller Welt im Rijksmuseum versammelt. Das dürfte so schnell nicht wieder vorkommen.

Nur ein pausbäckiges Mädchen sitzt mit seinem Weinglas in Braunschweig und kann nur träumen von Amsterdam. „Neun andere Museen haben ihre Vermeers auch nicht dorthin gegeben“, sagt der Leiter des Braunschweiger Herzog-Anton-Ulrich-Museums, Thomas Richter, über den wohl größten Schatz seines Hauses.

Große Enttäuschung

Natürlich hätten die niederländischen Ausstellungsmacher das „Mädchen mit dem Weinglas“ gern bekommen, erklärt er auf Anfrage. „Sie haben dreimal angefragt, wir haben dreimal beraten, sie waren sogar hier in Braunschweig“, sagt er. „Die Enttäuschung war dann sehr spürbar. Das hat uns leidgetan.“

Man habe die Anfragen lange und sehr gründlich mit den Kuratoren und Restauratoren diskutiert. „Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Man verweigert sich ja nicht gern. Und wir machen das nicht, um jemanden zu ärgern.“ Doch hab es auch kritische Reaktionen gegeben, vor allem von Privatleuten. „Durch dieses schmale Tor muss ich durch.“

Gemälde leidet

Am Ende habe er als Direktor entschieden. Richter verweist auf seine Verantwortung. „Es ist ja kein Privateigentum.“ Zwar habe man heute hervorragende Transport-Technologien, aber: „Ein Gemälde leidet bei jedem Transport.“ Und: „Grundsätzlich verlässt unser Vermeer Braunschweig nicht.“

Hat er aber doch. Gar nicht lange her. Richter erlaubte den Transport zur Ausstellung „Vom Innehalten“ in Dresden. Im Zentrum dort: Vermeers „Brieflesendes Mädchen“. Auf diesem Bild war bei einer Restaurierung auf der Wand hinter dem Mädchen ein Cupido entdeckt worden. Von Vermeer dort platziert, später übermalt. Eine Sensation.

Tür in Vermeers Werkstatt

Richter: „Wir haben es dorthin gegeben, weil es neue Erkenntnisse in der Erforschung dieses Œuvres ermöglichte. Beide Bilder entstammen der gleichen Schaffensperiode, sie zeigen eine ähnlich Auffassung von Raum-Komposition und Malweise. Auch der Besucher bekam die Chance, dies nachzuvollziehen. Es eröffnete sich sozusagen eine Tür in Vermeers Werkstatt.“

Deshalb habe man in Braunschweig eine Ausnahme von der Regel gemacht. Das Bild allerdings gleich darauf erneut auf Reisen zu schicken, erschien zu riskant. Das „Brieflesende Mädchen“ allerdings durfte nach Amsterdam.

Einen Nebeneffekt hat die Nicht-Ausleihe des Braunschweiger Bildes. Es kämen verstärkt Nachfragen von Reisegruppen vor allem aus Japan. „Vermeer wird dort sehr verehrt“, sagt der Museumsdirektor. „So erkundigen sie sich, wo sie außerhalb von Amsterdam noch andere Vermeers in Europa sehen können. Aber darauf haben wir natürlich nicht spekuliert!“