Braunschweig. Ein himmlisches Fresko wird zum Bühnenbild. Das Regieteam um Open-Air-Spezialistin Anna Bernreitner kündigt einen „Polit-Thriller“ an – und mehr.

Ein Opernhaus gibt es in Braunschweig seit mehr als 330 Jahren – es war eines der ersten in Deutschland, zunächst auf dem Hagenmarkt, seit 1861 auf dem Steinweg thronend. Doch den größten Zuspruch hat die Oper seit 20 Jahren unter freiem Himmel.

2003 wurde unter dem damaligen Intendanten Wolfgang Gropper das erste Mal auf dem Burgplatz gespielt: Bizets „Carmen“ lockte Tausende von Zuschauern an. Das Musiktheater im historischen Herzen der Stadt wurde schnell zur Institution. Bis auf das erste Pandemie-Jahr 2020 gab es Sommer für Sommer eine Inszenierung, stets unterstützt von Hauptsponsor BS Energy. Rund 23.000 Zuschauer genossen sie in den vergangenen Jahren pro Spielzeit – insgesamt waren es bisher 360.000, rechnet Intendantin Dagmar Schlingmann vor.

Für den Burgplatz ist eine zugkräftige Marke gefragt

Im 20. Jubiläumsjahr soll nun ab dem 26. August erneut einer der fünf weltweit meistgespielten Opern-Hits, Puccinis „Tosca“, für große Emotionen in der 1200 Zuschauer fassenden Burgplatz-Arena sorgen – wie schon 2005 eben dort und 2016 in einer eindrucksvollen, lichtgewaltigen Inszenierung im Großen Haus.

Spannende zeitgenössische Entdeckungen, die Operndirektorin Isabel Ostermann mit leider überschaubarem Publikumserfolg dort auch immer wieder anbietet, „Angels in America“ etwa, „Dead Man Walking“ oder „Dog Days“, seien für den Burgplatz nicht die erste Wahl, betont Schlingmann: „Wir wollen auch Menschen anlocken, die nicht so fleißige Operngänger sind.“ Also bedürfe es einer zugkräftigen Marke wie der 1900 mit großem Erfolg uraufgeführten „Tosca“: „Damit verbindet man große Emotionen, leidenschaftliche Musik, italienisches Flair – das zieht die Menschen an.“

Regisseurin Anna Bernreitner wird in der Oper „selbst schnell langweilig“

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Als Regisseurin haben Schlingmann und Ostermann eine junge Open-Air-Spezialistin aus Österreich gewonnen. Anna Bernreitner machte sich nach ihrem Studium der Musiktheaterregie in Wien einen Namen mit Freiluft-Opern, die sie ab 2011 in Freibädern, Gärtnereien oder auf Supermarkt-Parkplätzen in ihrer niederösterreichischen Heimat aufführte. „Ich wollte herausfinden, ob das Interesse weckt bei Menschen, die sonst kaum je ein Opernhaus besuchen würden.“ Und? „Ja, es hat den Leuten gefallen.“ Nach dem Motto: „War gar nicht so schlimm, dass die ganze Zeit gesungen wird“. Möglicherweise hängt das auch damit zusammen, dass Bernreitner gerne „abwechslungsreich inszeniert, weil mir in der Oper selbst schnell langweilig wird“.

Für ihre Arbeit erhielt sie den Niederösterreichischen und den Österreichischen Musiktheaterpreis, 2021 auch den Götz-Friedrich-Regiepreis. Längst inszeniert die 37-Jährige nicht mehr nur in der Provinz, sondern auch auf dem Wiener Stephans- oder Karlsplatz, aber auch an renommierten Häusern wie der Neuen Oper Wien. Als Regieassistentin sammelte sie Erfahrungen an der Seite von Größen wie Claus Guth und Barrie Kosky. Von 2011 bis 2013 war sie Spielleiterin an der Komischen Oper Berlin.

Barockes Deckenfresko als Bühnenbild

Eva-Maria van Ackers Bühnenbildentwurf für die Burgplatz-„Tosca“ 2023. Der Burglöwe fehlt lediglich in der Animation.
Eva-Maria van Ackers Bühnenbildentwurf für die Burgplatz-„Tosca“ 2023. Der Burglöwe fehlt lediglich in der Animation. © Eva-Maria van Acker | Eva-Maria van Acker

Puccinis „Tosca“ ist für sie ein „politischer Thriller“, nicht nur musikalisch mitreißend, sondern auch mit einem „Netflix-tauglichen“ Libretto gesegnet. Zentral sei das Beziehungsdreieck zwischen der Sängerin Tosca, ihrem Geliebten, dem Maler und Oppositionellen Cavaradossi, und dem korrupten Polizeichef Scarpia. „Alle betrügen sich gegenseitig, alle stehen vor großen Herausforderungen. Es geht um Machtmissbrauch in hierarchischen Systemen, um die Frage nach moralisch richtigem und falschem Handeln – und ob es wert ist, dafür sein Leben zu riskieren.“ Der Stoff sei zeitlos gültig, das wolle sie gemeinsam mit Kostümbildnerin Christine Hielscher auch in gegenwärtigen Kostümen herausarbeiten, allerdings ohne konkrete aktuelle Anspielungen.

Bühnenbildnerin Eva-Maria van Acker will ein barockes Deckenfresko voller aufschwebender Engel aus dem Schloss von Versailles zum zentralen Gestaltungselement machen, allerdings vom Himmel auf verschiebbare Stege auf dem Burgplatz sowie eine Fläche hinter dem Burglöwen übertragen. Damit greift sie auf, dass „Tosca“ zunächst in einer römischen Kirche spielt, wo Cavaradossi ein Altarbild malt, und im Dritten Akt im „Engelsburg“ genannten Gefängnis. Die Bildelemente könnten je nach Szene beziehungsreich neu angeordnet werden – dazwischen deute dunkler Boden die allgegenwärtigen Abgründe an.

Ein Wiederhören mit Liana Aleksanyan

Für die Hauptrollen kündigt Dagmar Schlingmann wegen der großen Belastung wechselnde Besetzungen an. Die Tosca singen werden Ekaterina Kudryavtseva, seit 2010 einer der Publikumslieblinge im Ensemble, sowie ihre Vorgängerin Liana Aleksanyan, die von 2006 bis 2010 in Braunschweig debütierte und mittlerweile an der Deutschen Oper am Rhein engagiert ist. Dritte im Bunde ist die „international gefeierte“ (Schlingmann) rumänische Solistin Aurelia Florian. Den intriganten Scarpia geben der italienische Bariton Davide Damiani sowie Michael Mrosek und Jisang Ryu aus dem Braunschweiger Ensemble. Für die Besetzung des Cavaradossi sind bisher der spanische Tenor Xavier Moreno und Ensemblemitglied Kwonsoo Jeon gesetzt.

Premiere am Samstag, 26. August, 19.30 Uhr. 19 Vorstellungen bis 13. September geplant. Karten von 30 bis 63,50 Euro unter konzertkasse.de, staatstheater-braunschweig.de, den Hotlines (0531) 16606 und (0531) 1234567 oder an der Theater- und Konzertkasse.