Berlin. Markus Lanz diskutierte am Mittwoch mit seinen Gästen den Krisenherbst: Ein Sicherheitsexperte machte klar, wie verletzlich wir sind.

Was war da passiert in 70 Metern Ostsee-Tiefe, bei Bornholm? Hatte unbemerkt ein U-Boot Sprengstoff an drei Stellen der Erdgas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 angebracht, der die Lecks verursachte? Oder war es nicht auch „denkbar, einen Wartungsschlitten da reinfahren zu lassen“, wie bei James Bond? Vor allem aber: Wer war’s?

„Markus Lanz“ – Das waren die Gäste:

  • Jens Spahn, CDU-Politiker
  • Jessica Rosenthal, SPD-Politikerin
  • Roman Pletter, Journalist
  • Carla Reemtsma, Kimaaktivistin
  • Christian Mölling, Sicherheitsexperte

Gleich zu Beginn aus Berlin dazugeschaltet, konnte Christian Mölling gar nicht so schnell auf die Fragen von Markus Lanz antworten, wie sie rausgesprudelt kamen. Auch wollte sich der Sicherheitspolitik-Experte an Spekulationen wenig beteiligen: Die Option, dass die Explosionen aus dem Innern der Pipeline kamen, war vom Tisch, erklärte er. Inzwischen ging man davon aus, dass die Sprengsätze über eine „Unterwasser-Drohne mit Greifarmen“ von außen angebracht worden waren.

Weil „da nicht so viele Staaten in Betracht kommen, die das machen könnten“, vermutete er bei „Markus Lanz“, „dass wir es hier wahrscheinlich doch mit Russland als Täter zu tun haben“. Vor allem aber war für den Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) diese Attacke ein bewusst gesetztes Signal, Europa zu zeigen, „wie massiv verletzlich unsere Kritische Infrastruktur ist“.

Warnung bei „Markus Lanz“: Ungeschützte Telefon- und Datenkabel

Schließlich lagen in der Ostsee nicht nur ungenutzte Leitungen für Erdgas, „auch Unterwasser-Kabel, über die Telefonie und Daten laufen“, Stromkabel sowieso. Jetzt würde uns schlagartig bewusst, dass wir die Hunderte von Kilometern gar nicht schützen konnten: „In den nächsten Jahren werden wir mit erheblichen Risiken umgehen müssen“, analysierte er.

Ähnliches wie für der politische Situation, ließ sich auch von dem „Lanz“-Talk an diesem Mittwochabend sagen: Ein krisenhaftes Thema nach dem anderen wurde aufgerufen, kaum gesicherte Antworten geliefert. Und alles hing mit der Gasmangellage zusammen, verursacht durch den Ukraine-Krieg: Gasumlage, Gaspreis-Deckel, sprudelnde Staatseinnahmen, soziale Ungerechtigkeit, Energie-Soli für Reiche …

Sogar der schäbige „Sozialtourismus“-Spruch von Friedrich Merz war Thema. Welche Erkenntnisse hatte der CDU-Parteivorsitzende, die andere offensichtlich nicht hatten, fragte sich Markus Lanz.

Jens Spahn (CDU) konnte es auch nicht erklären. Zunehmend ärgerlich, mahnte er an, nicht auch noch in solchen Krisenzeiten „immer weiter nachzubohren“. Merz hätte sich ziemlich schnell entschuldigt, begründete er. „Ja, für die Wortwahl“, stellte Markus Lanz richtig, „aber nicht für die sachlich falsche Annahme.“

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CDU für Übergewinnsteuer

Eigentlich eingeladen, um über sein neues Buch zu plaudern, wozu er erst in den allersetzten sechs Minuten kam, frotzelte Jens Spahn sowieso lieber über die Uneinigkeit der „Muss-weg-Koalition“ bei der Gasumlage. Außerdem sollte sich, seiner Meinung nach, die Bundesregierung jetzt auf die Finanzierung des Notwendigen konzentrieren – und teure Vorhaben wie Bürgergeld oder Energie-Umbau aufschieben.

Immerhin zufrieden war er, dass er sich mit „Fridays for Future“ bei zwei Themen einig war: Dass es einen Gasgrundbedarf brauchte, mit dem Leute planen konnten. Und dass die Übergewinne der Energieerzeuger abgeschöpft wurden, um das Unteren Drittel sinnvoll zu entlasten.

Carla Reemtsma platzte da fast der Kragen. Er würde sich „gerade als Sozialopposition zu inszenieren“, warf sie ihm vor. Zwar war sie sogar mit einer Übergewinnsteuer für Windkraft- und Solarenergie-Erzeuger einverstanden – „Sie machen auch dann noch große Gewinne, weil sie die geringsten Kosten haben.“

Aber die Klimaaktivistin wollte dazu noch „Einnahmen generieren“, um einen gerechten Ausgleich der Energiekosten zu finanzieren, zum Beispiel einen „Energie-Soli für Reiche“.

„Die Gasumlage lässt sich noch stoppen“

Auch Juso-Chefin Jessica Rosenthal fand Spahns Ausführungen ungerecht, bekam aber weniger Gelegenheit zur Gegenrede: „Weil unter der Regierungsverantwortung Ihrer Partei die Dinge dauernd aufgeschoben wurden, hat uns das erst in diese Situation gebracht“, fuhr sie Jens Spahn an. Das Argument, die Schuldenbremse auch noch in der jetzigen Krise einhalten zu wollen, erschien ihr als reiner Selbstzweck: „Die Abschlagszahlungen (der Gaslieferanten) spalten gerade die Gesellschaft.“

Da kam dem „Zeit“-Wirtschaftredaktuer Roman Pletter fast schon die Rolle eines Mediators zu: „Die Gasumlage lässt sich noch stoppen“, beschwichtigte er, schließlich war bisher noch kein Geld geflossen. Das Hauptproblem sah er darin, dass von der Gaspreis-Deckelung „auch die profitieren, die es nicht nötig haben.“ Außerdem befürchtete er, dass dadurch der Verbrauch nicht sinken würde. „Die beste Lösung wäre, eine direkte Zahlung an die, die es wirklich brauchen.“

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Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.