Duderstadt. Mit seinen Harz-Krimis wurde Helmut Exner als Autor bekannt. Doch sein erster Roman war kein Krimi. Darin beleuchtet er die Geschichte seiner Familie.

Das Schreiben und der Humor, beides ist Helmut Exner in die Wiege gelegt. Schon in seiner Schulzeit verfasste der gebürtige Lautenthaler, der heute in Duderstadt lebt und dort einen eigenen Verlag für Elektronik-Fachbücher betreibt, amüsante Geschichten über seine Lehrer und erheiterte Freunde und Familie mit lustigen Anekdoten aus dem Alltag. „Spielzeug war für mich zweitrangig. Ein Stift und ein Berg Papier und schon war ich in meinem Element“, erzählt er mit einem Lächeln.

Heute besitzen seine Harz Krimis rund um die Hauptfigur Lilly Höschen Kultcharakter. Was aber nur wenige wissen, sein erstes Buch, das er 2010 im eigenen Verlag herausbrachte, war kein Krimi. In seinem ersten Roman „Die Frauen von Janowka“ hat der gelernte Buchhändler, der bereits für viele renommierte Verlage arbeitete, seine eigene Familiengeschichte verarbeitet.

Die Frauen von Janowka – Eine wolhynische Familiengeschichte

„Mein Buch erzählt die Geschichte meiner Urgroßmutter Christine, meiner Großmutter Serafine und meiner beiden Großtanten Mathilde und Martha“, so Exner, dessen Vorfahren aus „Wolhynien“, einer Landschaft im Nord-Westen der heutigen Ukraine stammen.

Dort lebten bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg rund eine Viertelmillionen Deutsche. Zweihunderttausend von ihnen wurden während des ersten Weltkrieges von den Russen nach Sibirien verschleppt und zur Zwangsarbeit verurteilt.

Diejenigen, die zurückblieben oder aus dem Krieg heimkehrten, wurden schließlich während des Zweiten Weltkrieges aus ihren Dörfern vertrieben oder umgesiedelt, zum Beispiel in das Warthegau, eine Region, die nach der Besetzung Polens im Jahr 1939 zum Deutschen Reich gehörte.

Familie lebt in der ganzen Welt verstreut

Viele Wolhynier wanderten damals mit der Hoffnung auf ein besseres Leben auch nach Süd- und Nordamerika, nach Kanada oder Australien aus. Exners Familie lebt deshalb heute über die ganze Welt verteilt. „Um meine Verwandtschaft wiederzufinden und gleichzeitig mehr über meine Wurzeln zu erfahren, habe ich damals angefangen, im Internet zu recherchieren“, verrät der Autor.

Am Anfang sei die Ahnenforschung im Netz nicht sehr erfolgreich gewesen. „Doch eines Tages stieß ich durch Zufall auf einen Ahnenforscher in Kanada. Er erzählte mir, dass er über Janowka und Wolhynien, die Heimat meiner Ahnen, eine Familiengeschichte entdeckt habe, die Teil eines dicken Buches mit dem Titel „The German Crossover“ sei, so Exner. „Er schickte mir den Auszug aus dem Buch und ich habe herausgefunden, dass die Mutter des Autors eine direkte Cousine meines Vaters ist und wir also verwandt sind.“

Mormonische Kirchenbücher waren hilfreich bei der Recherche

Interessant sei, dass er durch seine Recherche in Kanada und den USA viel mehr über die Familiengeschichte in Erfahrung bringen konnte, als bei seiner Recherche in Deutschland, vor allem was Bildmaterial und Dokumente betrifft. „Das liegt wohl auch daran, dass die deutschen Auswanderer viel mehr persönliche Dinge wie Fotos und Dokumente zur Erinnerung aufbewahrt haben“.

Ebenfalls hilfreich bei der Recherche sei auch eine Sammlung alter Kirchenbücher der Mormonen im US-amerikanischen Utah gewesen. „Sie haben dort ein riesiges Archiv mit rund zwanzig Milliarden katholischen und protestantischen Kirchenbucheinträgen, das man gegen eine Gebühr einsehen kann. Damit habe ich eine Menge herausgefunden“, freut er sich.

Während der Ahnenforschung kam die Idee zum Roman

Bei der Recherche sei ihm außerdem zu Gute gekommen, dass er die Sütterlinschrift und auch etwas Russisch beherrsche, sodass er bei der Online-Recherche und Archivarbeit auch mit kyrillischer Schrift zurechtkam. So habe er auch herausbekommen, dass sich sein Familienname Exner früher nicht mit „x“ sondern mit „ks“ schrieb, weil es im Kyrillischen kein x gibt.

„Nachdem ich bereits so viele Infos zusammengetragen hatte, kam mir schließlich die Idee, die Erkenntnisse meiner Ahnenforschung in einen Roman zu bringen“, so Exner, dessen Buch 2019 in einer Neuauflage erschien.

Durch das Buch hat Exner Kontakt zu Verwandten in Polen gefunden

„Für mich hört die Ahnenforschung aber auch nach der Veröffentlichung meines Buches nicht auf. Da das Buch auch in Englisch erschienen ist, erreichen mich bis heute Zuschriften von Menschen aus der ganzen Welt, die interessante Hinweise zu meiner Familiengeschichte haben, aber auch von Verwandten, die ich noch nicht kenne“, erzählt er.

„Vor einem Jahr bekam ich zum Beispiel eine Mail von Judyta Eksner und ihrem Bruder aus Polen. Sie hatten ihrem Vater mein Buch geschenkt und dieser stellte fest, dass es auch seine Familiengeschichte beschreibt“, erzählt Exner.

Nach seinem Debütroman schrieb Helmut Exner seinen ersten Harz Krimi
Nach seinem Debütroman schrieb Helmut Exner seinen ersten Harz Krimi "Walpurgismord". © Privat | Helmut Exner

„Im Buch erwähne ich nämlich, dass der Bruder meines Großvaters im ersten Weltkrieg verschollen ist. Und diese Person war sein Großvater. Der Bruder meines Großvaters war also doch aus dem Krieg heimgekehrt und hatte eine Familie gegründet hat. So habe ich schließlich über das Buch den Kontakt zu meiner Verwandtschaft in Polen bekommen“, freut sich Exner, den sein erfolgreiches Buchprojekt schließlich dazu motivierte, endlich mit dem Krimischreiben loszulegen.

„Einen Krimi zu schreiben war mein großer Traum!“

„Ich war schon als Kind ein großer Fan von Krimis und Spannungsliteratur. Mein großer Traum war es immer, einmal selbst einen Krimi zu schreiben“, verrät Exner. „Die Idee zu meinem ersten Harz Krimi „Walpurgismord“ spukte mir schon lange im Kopf herum.“ Mittlerweile besitzen seine Harz Krimis Kultstatus. „Ich bekomme ständig Anfragen von Lesern aus ganz Deutschland, die wissen wollen, wann es wieder einen neuen Harz Krimi gibt“, erzählt er lächelnd.

Dass seine Krimis die Leser begeistern, liegt sicher zum einen an den schrägen Figuren. Da gibt es zum Beispiel die Protagonistin Lilly Höschen, eine schrullige, alte und neugierige Dame, die gerne Kriminalfälle löst und die ihre Nase gerne in die Ermittlungen der örtlichen Polizei steckt. Oder die Familie Sauschläger, die schon einmal im Eifer des Gefechts einem Schutzgeldmafiosi die Klamotten entwendet, so dass dieser splitternackt die Flucht ergreift. Humor kommt in den unterhaltsamen Kriminalgeschichten also nicht zu kurz. „Ich bin selbst ein großer Fan von Slapstick und trockenem, schwarzen Humor“, erzählt Exner, der auch die Oberharzer Mundart, das „Ewerhorzerische“ beherrscht und den Oberharzer Dialekt auch gerne in seine Romane einfließen lässt.

Viele seiner Geschichten spielen an bekannten Orten im Harz

Dass es tatsächlich so viele Verbrechen im Harz gibt, wie in seinen Büchern, daran glaubt der Krimiautor nicht. Obwohl natürlich statistisch gesehen viele Verbrechen niemals entdeckt werden. Vor allem sind seine Krimis eine Ode an den Harz. „Ich liebe meine Heimat. Deshalb fließen in meine Krimis auch die Harzer Geschichte sowie einheimische Bräuche und Traditionen ein“, so Exner, der in Lautenthal geboren ist, lange Jahre in Clausthal-Zellerfeld lebte, dort die Schulbank drückte und auch eine Buchhändlerlehre absolvierte.

„Viele meiner Geschichten spielen an bekannten Orten im Harz. Aber meine Hauptfigur Lilly Höschen verreist auch gern, deshalb liegen einige Schauplätze meiner Krimis auch in Schleswig-Holstein, Bayern, New York oder Kanada“, so Exner schmunzelnd.

Inspiration für neue Romane kommen dem Krimiautor zum Beispiel beim Relaxen in der Hängeschaukel auf der Terrasse, aber auch im Alltag durch Erlebtes und Begegnungen mit anderen Menschen. Einige Romane entstanden auch auf Anfrage. „Buchhändlerin Susanne Kinne von der Buchhandlung Moller in Bad Lauterberg fragte mich damals, ob ich nicht Lust hätte anlässlich des 125-jährigen Jubiläums ihrer Buchhandlung einen neuen Harz Krimi zu schreiben“, erzählt er. So entstand der Roman „Von alten Büchern und Leichen im Keller“. Mittlerweile sind bereits achtzehn spannende Kriminalgeschichten erschienen.

Neuer Harz Krimi – Lilly und die Lustmörder

Der neueste Harz Krimi aus Exners Feder heißt „Lilly und die Lustmörder“. „Er ist aus der Sicht meiner Protagonistin Lilly Höschen geschrieben“, verrät Exner. „Ich zeige sie darin als aufmüpfige, junge 16-jährige Schülerin, blicke also auch einmal in ihre Vergangenheit und beschreibe im Laufe des Krimis auch ihr Leben in der Nachkriegszeit und ihre Entwicklung als Person.“ Aber natürlich kommt auch im neuen Roman die Spannung nicht zu kurz.

Die Protagonistin Lilly Höschen verschlägt es im neuen Roman zum Kunststudium nach England. „Kurz vor ihrer Rückkehr nach Deutschland geschieht auf dem Campus ein mysteriöser Mord. Geschockt stellt Lilly fest, dass dieser Mord sie an ein Bild erinnert, dass sie Tage zuvor bei einem Maler in einem Atelier gesehen hat. Im Laufe der Zeit wird sie immer wieder mit ähnlichen Morden konfrontiert“, erzählt Exner.

Ob es in diesem Jahr noch einen Harz-Krimi geben wird, bleibt abzuwarten

„Doch als sie in einer Pariser Galerie ähnliche Bilder entdeckt, darunter eins, das sie selbst als Opfer dargestellt, beschleicht sie der Gedanke, dass es sich bei all den vergangenen Morden um einen Serienmörder handeln muss und dass sie vielleicht selbst in Gefahr ist. Und so beginnt sie in Eigenregie zu ermitteln.“ Was sie dabei in Erfahrung bringt, wird an dieser Stelle nicht verraten.

Ob es im Laufe des Jahres einen weiteren Harz-Krimi geben wird, darauf möchte Exner sich noch nicht festlegen. Denn dem Schriftsteller spuken derzeit auch ein paar ganz neue Buchideen im Kopf herum.

Hoffnung auf baldige Fortsetzung der Lesereihe „Harz Krimis on Tour“

Natürlich hat die Coronakrise auch Exner und seinen Verlag kalt erwischt. Nach dem Lockdown im März 2020 ist seinem Verlag die gesamte Fachbuchsparte für drei Monate komplett weggebrochen, weil alle Schulungsstätten geschlossen hatten. „Besonders schlimm getroffen hat es aber meine Autorengruppe. Ich gebe neben meinen eigenen Büchern noch weitere Harz Krimis befreundeter Autoren heraus“, so Exner.

„Wir hatten bis März 2020 bereits 30 Einladungen zu Lesungen, doch bis auf drei Outdoor-Veranstaltungen, die zum Glück gut besucht waren, mussten wir 2020 alles absagen.“ Das sei sehr traurig gewesen. Denn das Schönste für einen Autor sei die Interaktion mit dem Publikum während einer Lesung. Dieser Austausch fehle derzeit komplett. „Ich hoffe sehr, dass sich die Krise bald beruhigt und wir unsere Lesereise „Harz Krimis on Tour“ fortsetzen können.“

Auf den Spuren von Lilly Höschen durch den Harz

Ebenfalls sehr schade sei, dass der Besuch der Verwandtschaft aus Kanada im letzten Jahr nicht wie geplant stattfinden konnte. „Wir wollten eigentlich gemeinsam die Familie in Polen besuchen. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben“, meint Exner. Trübsal blasen kommt für den humorvollen Wahl-Duderstädter nicht in Frage. „Gerade arbeite ich an einem Bildband mit dem Titel „Auf den Spuren von Lilly Höschen“, mit dem ich all die Orte vorstellen möchte, die in meinen Büchern vorkommen. Denn das Interesse an den Originalschauplätzen ist groß.“ Viele Leute haben bereits auf eigene Faust im Harz die Orte aus seinen Büchern besucht. „Es gab sogar schon eine geführte Bustour durch den Harz zu dem Thema“, verrät er.

Weitere Informationen:

www.helmutexner.de und unter www.harzkrimis.de. Interessantes zur Ahnenforschung über Deutsche in Wolhynien gibt es auf www.wolhynien.de und in Exners Buch „Die Frauen von Janowka“ (ISBN: 978-3-947167-74-6).