Clausthal-Zellerfeld. Rabbiner Dr. Gábor Lengyel sprach in Clausthal-Zellerfeld über das Verhältnis der beiden Religionen.

Nicht wenige Juden lehnen einen Dialog mit Christen ab, halten ihn für sinnlos und glauben, dass sich die Kluft zwischen beiden Religionsgemeinschaften sowieso nicht überwunden werden lässt. Sie können nicht über die Vergangenheit hinwegsehen, nicht über die unmenschlichen Verbrechen der Nazizeit und nicht über 2 000 Jahre Kirchengeschichte, während derer Juden im Namen Christi immer wieder gedemütigt wurden, ganz entscheidend auch durch Martin Luther.

„In meiner Jugend in Israel war der Dialog mit Christen für mich nie ein Thema, es kam mir wie vielen gar nicht in den Sinn.“
Dr. Gábor Lengyel, Rabbi, über die Auseinanderung mit dem Christentum

Diese Position stellte Rabbiner Dr. Gábor Lengyel in seinem Vortrag im Rahmen der Ausstellung „Ertragen können wir sie nicht – Martin Luther und die Juden“ in der St. Salvatoris-Kirche in Zellerfeld dar. Lengyel ist Rabbi der liberalen jüdischen Gemeinde in Hannover und Dozent am Institut für Theologie und Religionswissenschaft an der Leibniz Universität Hannover, wurde in Budapest geboren, wanderte dann nach Israel aus und kam zum Studieren schließlich nach Deutschland, wo er sich erstmals selbst mit dem Verhältnis von Juden und Christen auseinandersetzte.

Interesse geht von Christen aus

„In meiner Jugend in Israel war der Dialog mit Christen für mich nie ein Thema, es kam mir wie vielen gar nicht in den Sinn“, berichtete er. Das Interesse an Gesprächen gehe eindeutig eher von Christen aus, so unter anderem auch von der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover, die vor drei Jahren eine Verfassungsänderung bezüglich der beiden Religionsgemeinschaften beschloss. An dieser Positionierung wirkte er seinerzeit mit und ist froh, dass es dort heute heißt: „Die Landeskirche ist durch Gottes Wort und Verheißung mit dem jüdischen Volk verbunden. Sie achtet seine bleibende Erwählung zum Volk und Zeugen Gottes. Im Wissen um die Schuld unserer Kirche gegenüber Juden und Judentum sucht die Landeskirche nach Versöhnung. Sie fördert die Begegnung mit Juden und Judentum.“

Heute ist Lengyel überzeugt, dass der Dialog unverzichtbar ist, musste seine Ansicht aber in den 1960er Jahren und auch darüber hinaus noch häufig verteidigen. Dabei seien Juden wie Christen Söhne Abrahams und gehörten somit irgendwie doch zusammen. Um das deutlich zu machen, müsse die jüngere Generation angesprochen werden, ihnen müssten die verschiedenen Positionen vermittelt werden.

Christen, so merkte er an, müsse dabei auch immer wieder deutlich gemacht werden, dass nicht jeder Jude ein wandelndes Religionslexikon sei, denn häufig würden Fragen gestellt, die nicht jeder Jude beantworten kann, bloß weil er Jude ist. „Die Erwartungen konnte ich nicht immer erfüllen“, sagte er, was zum einen daran liege, dass es eben wie bei den Christen auch im Judentum verschiedene Strömungen gibt und zum anderen auch daran, dass das Judentum nicht nur als Religion, sondern auch als Zugehörigkeit zum jüdischen Volk verstanden wird.

Daher gehe es ihm und vielen anderen nahe, wenn die Palästinenser häufig als Unschuldige im Israel-Konflikt dargestellt werden. Nie habe nur eine Seite Schuld. „Kritik an der Politik Israels ist natürlich erlaubt, doch dem Land darf nicht das Recht auf Selbstverteidigung abgesprochen werden“, sagte Lengyel.

Gemeinsam für Flüchtlinge

Einen Punkt, in dem Juden und Christen gemeinsam agieren können, sieht er in der Flüchtlingshilfe. Insbesondere in den USA positionieren sich Juden schon heute für die Aufnahme und Unterstützung von Flüchtlingen in Europa und auch hierzulande biete das Thema eine große Chance, Multiplikator für christlich-jüdische Werte zu sein.

Mit Dr. Gábor Lengyels Vortrag, der von Pastorin Dr. Sybille Fritsch-Oppermann anmoderiert und am Ende in eine interessante Diskussion geführt wurde, endete die Ausstellung. Besonders über die vielen Besucher an diesem Abend, aber auch die große Resonanz über die gesamte Zeit hinweg freute sich Fritsch-Oppermann, gerade, weil es ein so wichtiges Thema ist.

„Bildung ist immer auch ein Dialog mit dem Fremden, auch mit dem eigenen Fremden“, sagte sie.