San Francisco. Ein US-Unternehmen will mit komplett neuen Flugzeug-Formen antreten. Die Idee geht zurück auf einen Prototyp aus dem 2. Weltkrieg.

Verkehrsflugzeuge sehen im Prinzip seit der guten alten Tante JU 52 gleich aus: Es sind Röhren mit Flügel dran. Daran hat sich seit 90 Jahren nichts Grundlegendes geändert, bis hin zu der heutigen Boeing 787 und dem Airbus A350. Denn das Konzept hat sich in Millionen von Flugstunden bewährt - und da Sicherheit im Passagierflug eine herausragende Rolle spielt, wurde daran festgehalten.

Das könnte sich nun ändern. In den USA geht eine völlig neue Form von Passagierflugzeugen in eine Testflugphase in Kalifornien den Start. Das in Long Beach ansässige Unternehmen JetZero teilte mit, die amerikanische Luftfahrtbehörde habe ihr Okay gegeben, die Neuentwicklung „Pathfinder“ mit Demonstrationsflugzeugen im Maßstab 1:8 zu testen.

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Neue Form soll helfen, den Verbrauch von Flugzeugen um 50 Prozent zu senken

Das Revolutionäre an dem neuen Modell: Der Pathfinder variiert das Konzept des Nurflügel-Flugzeugs, das zum Beispiel bei den amerikanischen Tarnkappenbombern B2 zur Anwendung kommt. Allerdings hat der neue Prototyp einen sogenannten „Blended Wing Body“, wie JetZero es getauft hat, eine Mischung aus Nurflügler und konventionellen Flügeln.

Dadurch gewinne der Jet mehr Volumen im Mittelteil und dadurch ein sicheres Flugverhalten - und Spritersparnis. Denn das ist der tiefere Sinn hinter dem Pathfinder: „Wir glauben fest an einen Weg zu Null-Emissionen bei großen Jets, und das Gemischtflügel-Flugzeug kann den Treibstoffverbrauch und die Emissionen um 50 Prozent senken“, sagte Tom O‘Leary, Mitbegründer und CEO von JetZero, im Gespräch mit dem Nachrichtensender CNN. 2030 soll der Passagierjet mit dem neuen Flügel-Mix in den Regelbetrieb gehen, das ist das ehrgeizige Ziel von JetZero.

JetZero: Prototyp eines Flugzeugs mit radikal neuer Form
JetZero: Prototyp eines Flugzeugs mit radikal neuer Form © JetZero | JetZero

Das Konzept geht zurück auf eine alte Idee

Neu ist das Konzept nicht - es geht unter anderen zurück auf deutsche Konstrukteure. Das ausgereifteste Modell war die Horten H IX. Die Gebrüder Reimar und Walter Horten arbeiteten seit den 30er Jahren an Nurflügel-Flugzeugen. Die Horten H IX war mit einem der weltweit ersten Strahltriebwerke der Firma Junkers ausgestattet und verfügte bereits über Tarnkappen-Eigenschaften gegen Radar-Erfassung.

Der Jet gehört zu den fragwürdigen „Wunderwaffen“ des Nazi-Regimes in dessen Endphase und hatte bei Kriegsende erste Testflüge absolviert, die Prototypen wurden 1945 in die USA gebracht. Der amerikanische Flugzeugkonstrukteur und Industrielle Jack Northrop entwarf dann 1947 einen düsengetriebenen Nurflügler, der in den 1990er Jahren als Inspiration für die Tarnkappenbomber B-2 diente.

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Nasa hat das Konzept vor rund 15 Jahren gestetet

Der Hybrid wiederum zwischen Nurflügler und der konventionellen Flugzeugform wurde von der Nasa intensiv ab 2007 getestet in einer Kooperation mit Boeing. Der unbemannte x48 Prototyp habe bewiesen, dass der Gemischtflügel dem Flugzeug mehr Auftrieb gibt, den Widerstand reduziert, den Verbrauch senkt und es gleichzeitig ermöglicht, größere Nutzlastbereiche im mittleren Teil des Flugzeugs zu schaffen. „Ein Flugzeug dieses Typs hätte eine geringfügig größere Spannweite als eine Boeing 747 und könnte von bestehenden Flughafenterminals aus operieren“, so das positive Fazit der Agentur.

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Bisher gab es allerdings ein großes Hindernis für das neue Konzept: Das Röhre-Flügel-Konzept hat sich deshalb über viele Jahrzehnte so bewährt, weil die Röhrenkonstruktion den enormen Druckschwankungen gut widersteht, denen ein Flugzeug in Höhen von 13.000 Metern ausgesetzt ist. JetZero-Chef O‘Leary erklärt es so: Bei konventionellen Flugzeugen „sind die Lasten getrennt - die Druckbelastung liegt auf der Röhre, die Biegebelastung auf den Flügeln. Bei einer gemischten Tragfläche werden diese beiden Kräfte jedoch zusammengeführt. Erst jetzt können wir dies mit Verbundwerkstoffen erreichen, die sowohl leicht als auch stabil sind.“ Aufgrund der neuen Konstruktion der künftigen Flugzeuge ändere sich auch der Innenraum radikal: Die Jets werden in der Mitte vor allen Dingen sehr viel breiter sein. Dadurch verändern sich die Möglichkeiten der Sitzanordnung.

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US-Luftwaffe glaubt an das Konzept von JetZero

Nach der Erprobung mit dem maßstabsgerecht kleineren Demonstrationsflugzeuges „Pathfinder“ will O‘Leary drei Modelle entwickeln: ein Passagierflugzeug mit mehr als 200 Sitzplätzen, ein Frachtflugzeug und ein Tankflugzeug.

Die US-Luftwaffe habe bereits 235 Millionen Dollar für die Tankflugzeuge zugesichert. Hier könne es recht schnell zur Umsetzung kommen. Aus diesen Erfahrungen werden dann die Entwicklung des Passagierjets profitieren. JetZero setzt darauf, dass die Flugzeuge in Zukunft mit Wasserstoff betrieben werden - bis dahin setzt man auf herkömmliche Triebwerke.

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Experten aus der Flugzeug-Branche reagieren sehr skeptisch auf die ehrgeizigen Ankündigungen von JetZero. Niemand zweifelt am grundsätzlichen Potenzial des Konzepts: Aber der notwendige Zertifizierungsprozess dauere schon Jahre, wenn es nur um die Fortentwicklung eines bestehenden Flugzeugtyps gehe.

Bei einer grundlegenden Neuentwicklung sei ein Vielfaches des Aufwands notwendig. Zudem sei ein Gemischtflügler aerodynamisch komplexer als ein konventionelles Flugzeug, die Steuerung sei schwieriger, ebenso die Kabinenkonstruktion. Es benötige dafür sehr viele Tests und Zulassungen. Das Ziel, bis 2030 bereits mit einem der neuen Flugzeuge in Serie zu gehen, sei daher komplett illusorisch. (ftg)

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