Goslar. Hilfsorganisationen konkurrieren mit privaten Anbietern, denen jedoch Freiwillige fehlen.

Unter Hilfsorganisationen, die den Rettungsdienst stellen, „herrscht Angst“, sagt Schandor Weers vom Osteroder Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Sie wissen nicht, ob sie vielleicht die Rettungsdienst-Aufträge verlieren, die ihnen Landkreise und kreisfreien Städte vergeben haben. Der Grund ist, dass private Anbieter klagen, wenn Kommunen etwa die Besetzung von neuen Rettungswachen direkt an eine Hilfsorganisation vergeben – ohne sie öffentlich auszuschreiben, wie es bei kommunalen Bauvorhaben der Fall ist.

Das Thema beschäftigte rund 120 Fachleute, die am Dienstag und Mittwoch zur Dreikönigstagung der DRK-Rettungsschule Niedersachsen nach Goslar gekommen waren. Schandor Weers und Markus Riedel vertraten den Kreisverband Osterode. Hier kümmert sich das Duo unter anderem um den Rettungsdienst.

Jüngst wandte sich das Oberlandesgericht Düsseldorf an den europäischen Gerichtshof. Dieser soll nun entscheiden, ob Vergaben für den Rettungsdienst ausgeschrieben werden müssen. Oder ob die Aufgaben doch eher der Gefahrenabwehr zugeschrieben werden, bei der eine Kommune als Trägerin des Rettungsdienstes freie Hand hat. „Bis auf ganz wenige Landkreise in Niedersachsen haben alle Hilfsorganisationen beauftragt“, erläutert Weers im Gespräch mit unserer Zeitung.

Entscheidung erst in zwei Jahren

Bis der Gerichtshof in Luxemburg eine Entscheidung nach EU-Richtlinien getroffen hat, könnten noch bis zu zwei Jahre vergehen. Das sei bei der Tagung prognostiziert worden, berichtet Weers. Dabei seien sich alle Kommunen in Niedersachsen einig: „Der Tenor war, dass die Landkreise die Ausschreibungen gar nicht möchten.“ Das koste viel Geld, zudem müsse unstrukturiert werden.

Die bisherigen Strukturen seien „über Jahrzehnte gewachsen. Privatanbieter fangen bei Null an“. Weers verdeutlicht, es gehe um Koordination und Verfügbarkeit von Helfern in Großschadensfällen, aber auch schon bei sogenannten Massenanfällen von Verletzten – wenn etwa bei einem Reisebus-Unfall 50 Insassen verwundet werden. „Dann ist der Regel-Rettungsdienst überfordert.“ Hilfsorganisationen halten allerdings „einen großen Trupp Ehrenamtlicher“ bereit, die „schnell mal zehn, zwanzig Einsatzfahrzeuge besetzen“.

Er gibt zu bedenken, dass freiwillige Helfer sich eventuell zurückziehen, wenn deren Hilfsorganisation der Rettungsdienst- Auftrag weggenommen wird.

Der DRK-Landesverband Niedersachsen teilt dazu mit: Im Krisen- und Katastrophenfall, aber auch bei der Bewältigung von Unfällen mit einer großen Zahl an Verletzten oder Erkrankten, müssen die hauptamtlichen Mitarbeiter des Rettungsdienstes und die ehrenamtlichen Helfer der Bereitschaften Hand in Hand zusammenarbeiten. „Daher sind wir der Meinung, dass man die Verzahnung von Bevölkerungsschutz – also Rettungsdienst, Katastrophen- und Zivilschutz – stets bei der Auftragsvergabe des Rettungsdienstes durch die Landkreise und kreisfreien Städte berücksichtigen muss“, sagt Dr. Ralf Selbach, Vorstandsvorsitzender des Landesverbands.

Telefonnummer 116 117

An der Dreikönigstagung – sie findet alle zwei Jahre in Goslar statt – nehmen Vertreter der Krankenkassen, aller niedersächsischen DRK-Verbände, der Landkreise und freien Städte als Rettungsdienst-Träger teil. Markus Riedel und Schandor Weers vom DRK Osterode resümieren: Wichtige Themen, die aktuell drücken, wurden aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.

Thema war auch die bundesweite Rufnummer 116 117 des ärztlichen Bereitschaftsdienstes. Viele Anrufer würden das Konzept missverstehen, so Weers. Wenn der Bereitschaftsdienst sagt, er komme in einer Stunde, ruft so mancher lieber die 112 an. Diese Notrufnummer ist aber für lebensbedrohliche, akute Fälle vorgesehen. „Wenn jemand seit drei Wochen Rückenschmerzen hat, ist das nicht akut. In der halben Stunde, in der wir Aufklärungsarbeit leisten, könnte schon ein Kind unter einem Auto liegen.“

Und so kommt es vor, dass Rettungsdienst personell und mit Fahrzeugen aufstocken. „Es werden teilweise Autos für Husten und Schnupfen angeschafft.“

Positiv sprachen sich hingegen alle Teilnehmer über das neue Berufsbild Notfallsanitäter aus. Bislang mussten Azubis für ihre Ausbildung selber zahlen, jetzt bekommen sie eine vergütete Ausbildung, die mit einem Staatsexamen endet.

Weers ist begeistert: „Die Bewerbungen boomen“. Im ersten Jahr seien allein beim DRK-Kreisverband Osterode 50 Initiativbewerbungen eingegangen. In jedem zweiten Jahr werden drei Notfallsanitäter ausgebildet.