Gittelde. Kleine Gewerbebetriebe und die Landwirtschaft haben viele Jahrzehnte das Bild des Ortes Gittelde bestimmt. Doch ein Handwerk brachte es in all den Jahren zu einer ungewöhnlichen Blüte: das Böttcherhandwerk.

Die Gittelder Heimatstube zeigt in der ersten Etage des ehemaligen Stalls eine umfangreiche Böttcherausstellung. Ganz rechts die dreibeinige Harzer Waschwanne.
Die Gittelder Heimatstube zeigt in der ersten Etage des ehemaligen Stalls eine umfangreiche Böttcherausstellung. Ganz rechts die dreibeinige Harzer Waschwanne. © Herma Niemann

Trotz der vielen positiven Voraussetzungen, wie die günstige Lage, Münz-, Markt- und Zollrecht, Eisenverhüttung und Eisenfaktorei, ist es dem Flecken Gittelde nicht gelungen, sich zu einer Stadt zu entwickeln. Auffällig jedoch ist, dass sich im südlichen Vorharz viele Böttcherbetriebe mit dem Schwerpunkt in Gittelde angesiedelt hatten. Dagegen sind in den umliegenden Dörfern diese Berufe nur vereinzelt zu finden.

Im September 1748 wurde in Gittelde eine Gilde der Tischler, Drechsler und Böttcher gegründet. Im Meisterbuch sind im Zeitraum von 1748 bis 1822 15 Böttcherbetriebe und von 1847 bis 1883 27 Böttcherbetriebe aufgeführt. Dazu kam noch die im Jahre 1885 gegründete Deutsche Fassfabrik (später Mende) als Industrieunternehmen, die vorwiegend Fässer für die Fischindustrie in Norddeutschland herstellte. Noch im Jahr 1930 waren 24 Betriebe in der Handwerksrolle eingetragen.

Am „hungrigen Harz“, so der Zeitzeuge Hans Wiedemann, war es üblich, zwei Berufe auszuüben, um ein besseres Auskommen zu haben. So betrieben die Gittelder Böttcher nebenbei Landwirtschaft oder Holzfuhrbetriebe. Es dürfte an den Familientraditionen liegen, dass über viele Jahre diese Kleinbetriebe Bestand hatten. Die Familiennamen Haase, Acke, Schlüter, Weissensee, Pampel und Hühne weisen darauf hin.

Innung mit Sitz in Gittelde

Die 1921 gegründete Böttcher- und Küferinnung für die Kreise Gandersheim, Goslar und Blankenburg hatte ihren Sitz in Gittelde. Je nach Region gehören zu diesem Beruf die Bezeichnungen Büttner, Büttiger, Bötticher, Fässler und Küfer. Die Handwerksberufe Kleinbinder und Eimermacher sind ebenfalls zum Beruf Böttcher zu rechnen. All diese Holzhandwerker stellen aus hochwertigem Fichtenholzteilen vorwiegend Fässer für die Vorratshaltung und den Transport von Lebensmitteln her. Außerdem werden Gefäße für den privaten, landwirtschaftlichen und gewerblichen Bedarf hergestellt. Der Rohstoff Holz kam aus dem Harz in die umliegenden Sägewerke.

Getrockneter Quark und gelöschter Kalk

Nach einer sorgfältigen Luft- oder Ofentrocknung konnte das Holz in den Böttchereien verarbeitet werden. Zum Verleimen der Stäbe wurde getrockneter Quark mit gelöschtem Kalk eingesetzt. Die Herstellung erfolgte vorwiegend in Handarbeit. Notwendige Werkzeuge waren die Ziehbank und das Ziehmesser.

Eine Spezialität der Gittelder Betriebe waren die dreibeinigen Harzer Waschwannen, die angeblich deutschlandweit nur von den Gittelder Böttchereien gefertigt und vom nahe liegenden Bahnhof bis nach Braunschweig, Hannover und Bremen verschickt wurden.

Aufgrund der besonderen wirtschaftlichen Situation nach dem Zweiten Weltkrieg kam das Böttcherhandwerk nach einem kurzfristigen Aufschwung unter Konkurrenzdruck. Durch industrielle Produktion, Umstellung auf Kunststoff und Metallerzeugnisse mussten die Betriebe aufgeben. Die letzte Böttcherei Otto Pampel wurde 1967 geschlossen. Eine lange und alte Handwerkertradition fand damit ein Ende.

Böttcherei in Willensen

besteht bis heute

Eine größere Böttcherei besteht noch in Willensen. Das 1897 gegründete Familienunternehmen Blumenberg konnte alle Wirren der Zeit überleben, weil es sich rechtzeitig auf neue Produkte umgestellt hatte. In dem Betrieb werden heute hochwertige Saunaartikel und Böttcherarbeiten für den privaten Bereich hergestellt.

BÖTTCHERHANDWERK

Das Handwerk teilt sich drei Sparten auf:

Groß- und Schwarzbinder: Fässer und Bottiche für Kellereien, Brauereien, Fischverarbeitung

Klein- und Fassbinder: gewöhnliche Fässer, Eimer, Waschwannen, Tubben, Stunzen, Butterfässer, Jauchefässer

Geschirrböttcherei: alle Waschgefäße und Küchengeräte