London. Das weltberühmte Taxi wird zum Öko: Künftig fährt das Black Cab elektrisch. Der Hersteller will das Modell auch exportieren.

Es ist eine Ikone und gehört zum Stadtbild von London wie Big Ben, Tower Bridge oder Buckingham Palace. Genau wie diese Bauwerke von innen über die Jahrhunderte immer wieder modernisiert worden sind, zollt jetzt auch das legendäre London Taxi der neuen Zeit Tribut. Um die verschärften Emissionsvorgaben der britischen Hauptstadt zu erfüllen und den Lärmpegel zu senken, reitet das Black Cab künftig auf der grünen Welle und surrt elektrisch durch die Stadt.

Treibende Kraft dahinter ist die London Electric Vehicle Company (LEVC), die aus dem Beinahe-Monopolisten LTI hervorgegangen ist. Mit dem Geld des chinesischen Mutterkonzerns Geely und dem Know-how der schwedischen Schwestermarke Volvo sind die Briten die Ersten, die eine Lösung für die verschärften Auflagen anbieten, mit denen London sein Luftproblem in den Griff bekommen will. „Denn seit dem 1. Januar dürfen dort nur noch Taxis zugelassen werden, die auch emissionsfrei fahren können“, sagt Firmenchef Chris Gubbey.

Der E-Motor ist leise und gleichzeitig spurtstark

Eines dieser Taxis steht jetzt vor mir, und statt in den Fond klettere ich vor der Plexiglas-Scheibe hinter das Lenkrad und starte meine Schicht. Mit der Monarchen-Residenz im Rückspiegel rolle ich The Mall hinunter und erfreue mich daran, dass sie von Volvo neben dem kleinen Schaltknauf auch das ordentliche Navigationssystem übernommen haben. Normalerweise müssen Taxifahrer, die Cabbies, drei Jahre lang die Schulbank drücken, bis sie sich in London auskennen. Ich aber kann mich auf die Straße konzentrieren und finde Gefallen am E-Motor, der leise und spurtstark ist.

Klar geht der 110-kW-Maschine auf der Autobahn schnell die Puste aus, und mit maximal 130 km/h muss man einem Deutschen erst recht nicht kommen. Aber hier im Stop-and-go-Verkehr am Themse-Ufer, an all den roten Ampeln und zwischen den roten Doppeldeckern ist der schwarze Riese ungeheuer flink. Langsam finde ich Gefallen an der Zeitreise mit dem rustikalen Riesen. Zumindest bis ein lautes Brummen die Stille zerreißt und sich ein Motor zu Wort meldet.

Anders als Tesla & Co. fährt das London Cab nicht nur mit dem Strom aus einem Akku. Um die Kosten im Griff zu halten, die Ladezeiten zu verkürzen und den Aktionsradius nicht zu limitieren, setzt wie früher beim Opel Ampera und jetzt nur noch beim BMW i3 ein Range Extender ein. Dann rödelt unter der Haube ein 1,5 Liter großer Dreizylinder aus dem Volvo-Regal, treibt aber nicht die Räder, sondern einen Generator an und erzeugt Strom für eine ganze Schicht: 130 Kilometer mit dem Akku und noch einmal 500 Kilometer mit dem Strom aus 38 Litern Sprit.

Der neue Antrieb hebe das Taxi aber nicht nur über die strengeren Zulassungshürden und entlaste die Umwelt, sagt Gubbey. Es fahre auch günstiger. Zwar verlangt die LEVC für das Erstlingsmodell TX nach Abzug der staatlichen Förderung 55 599 Pfund (64 000 Euro) und damit ein Viertel mehr als für das im Sommer eingestellte TX4 mit Dieselmotor. Doch weil Strom billiger ist als Sprit, die Rekuperation die Lebensdauer der Bremsen verlängert und ein Elektroantrieb weniger Wartung braucht als ein Verbrenner, sparten Taxifahrer pro Woche gut 100 Pfund, rechnet Chefentwickler Ian Collins vor.

Die Fahrgäste sollen derweil von dem neuen Aufbau profitieren. Auf den ersten Blick sieht das London Cab so aus wie seit mehr als 30 Jahren, doch ist es außen ein bisschen und innen deutlich größer geworden. Schon seit jeher geräumiger als die übliche Mercedes E-Klasse in Deutschland oder der selige Ford Crown Victoria in New York, bietet es jetzt mehr Platz als eine Stretch-Limousine.

Und wenn es sein muss, können sogar sechs Passagiere gemeinsam zum Abenteuer ins Londoner Nachtleben starten: drei hinten auf der großen Bank und noch mal drei auf leidlich bequemen Klappsitzen, die mit dem Rücken zur Trennwand montiert sind.

Das Cab fährt entgegengesetzt

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Dazu gibt es viele pfiffige Details wie ein Panorama-Dach, USB- und 220-Volt-Steckdosen, LED-Fluter an den Decken, die Wechselsprechanlage, kostenloses Wlan und eine Rollstuhlrampe im Wagenboden: „Unser Taxi ist die automobile Entsprechung zum Schweizer Taschenmesser – für alles gerüstet“, prahlt Collins.

Während in der Hauptstadt die Auslieferung begonnen hat, fahren sie zwei Stunden weiter im Norden in der LEVC-Fabrik die Produktion hoch. Denn es geht Gubbey nicht allein um die paar Tausend Taxis pro Jahr, die in London verkauft werden. Nicht umsonst hat die Fabrik eine Jahreskapazität von 20 000 Fahrzeugen. Das politische London möge sich zwar gerade aus Europa zurückziehen, doch das Taxi fahre in die Gegenrichtung und wolle auch das Festland erobern, sagt Gubbey. „Wer die Londoner Regeln schafft, der ist auch für den Rest der Welt gerüstet.“