Genf. Eindrücke vom Genfer Salon: Hersteller trommeln für E-Mobile, aber das Interesse der Kunden gilt herkömmlichen Spaß-Modellen von Ferrari oder Porsche.

Die Stadt am Südwest- Zipfel der Schweiz gilt als Synonym für die Uno und ihre diversen Organisationen. Doch von diesem Ort der weltumspannenden Politik fliegen regelmäßig auch Signale aus der Autowelt rund um den Erdball; denn der seit 1905 stattfindende Genfer Salon gilt alljährlich als Trend-Barometer.

Aktuelle Botschaft? Vorweg Beispielhaftes aus dem Stadtverkehr von Genf. Busse, in engem Rhythmus und auf eigenen Spuren, garantieren jetzt, dass die Palexpo-Hallen des Salons von der City aus in 15 Minuten zu erreichen sind! Im Privatauto kann das eineinhalb Stunden dauern.

Die Stimmung beim 88. Salon? Leicht unterkühlt. Keine Spur von einem heiteren „Auto-Frühling“ wie früher. Die Branche weiß: Ein „Weiter so“ wie noch vor fünf Jahren gibt es nicht mehr. So trommeln die Hersteller mit beispielloser Intensität für die Elektromobilität. Es ist Reklame für morgen. Doch das Interesse der meisten Besucher und der Millionen Fans, die sich über Smartphone zum Salon klicken, gilt dem Heute! Sie wollen sich informieren, was jetzt (oder in Kürze) zu kaufen ist. Insofern irrlichtert Genf 2018 zwischen Traum und Wirklichkeit.

Eine Show mit Verunsicherung

Die Genfer Ausstellung – die weltweit wichtigste neben Frankfurt (IAA), Detroit, Paris und Peking – umweht in diesem Jahr ein Hauch von Verunsicherung. Dafür gibt es viele Gründe. Die Hersteller setzen voll auf Elektro-Power, aber keiner kann garantieren, ob die (teuren) Stromer später auch von der Kundschaft in Großserienstückzahl gekauft werden. Hinzu kommt, dass die E-Typen die Umweltprobleme nicht lösen können. Auch die politisch geschürte Debatte um Dieselmotoren (eine immer noch zukunftsfähige Technologie) macht Industrie und Käufer gleichermaßen ratlos. Ebenso verschreckt viele schließlich das vor Jahren noch Unvorstellbare: Das selbst fahrende Auto.

Droht jetzt der Abschied vom „Mythos Auto“? Zum Glück nicht. Aber die Zwiespältigkeit des einst so extrem dynamischen Industriezweigs verblüfft etwas. Alle Hersteller reden pausenlos von nachhaltiger Mobilität, aber Geschäfte werden mit den Benzin- und Dieselschluckern gemacht. Mit SUV-Typen, PS-starken Extremsportlern, luxuriösen Limousinen. Es sind satte Erträge, die da fließen. Speziell auch bei Volkswagen.

Das Stück Freiheit – bleibt es?

Ist das zu kritisieren? Aber nein; wo soll das Geld für den Mobilitätswandel denn herkommen? Es muss heute verdient werden! So wird es noch sehr lange ein Nebeneinander verschiedener Antriebskonzepte geben. E-Mobile (für die Ballungszentren), Plug-in-Hybride (die Zweimotorigen) und Autos mit den guten, alten Benzin- und Dieselmotoren. Deshalb lastet auf den Entwicklungsteams aller Hersteller – beispielsweise bei VW geleitet von Frank Welsch (Technik) und Klaus Bischoff (Design) – ein zuvor nie dagewesener Druck.

Sieht so eine unbeschwerte Zukunft für die Autoindustrie aus? Kaum. Und das sind ja längst nicht die einzigen Probleme, über die in Genf diskutiert wird. Das tägliche Chaos auf den Straßen – durch LKW-Flut, Lieferverkehr, Parkplatznot ins Aberwitzige gesteigert – lässt nun selbst bei bisher sorglosen Gemütern die Überzeugung reifen, dass „Freie Fahrt für freie Bürger“ nicht mehr gültig ist. Unser Verkehrskonzept (vor allem in Innenstädten) braucht eine intelligente Vernetzung aller Transportmittel. Das heißt: Teilweise Abschied nehmen von der alten, liebgewonnenen Bequemlichkeit, im eigenen Auto jederzeit überall hinfahren zu können. Doch dies Stück persönlicher Freiheit werden sich die Menschen sicherlich nicht einfach nehmen lassen.

Wie einfach war es doch früher in Genf. Da konturierte sich die Trendmode stets klar heraus: Cabrios oder Kombis, SUV-Typen oder City-Flitzer, Sportwagen oder Vans, Dieselpower oder PS-Protze. Diesmal herrscht Konfusion. Doch unbestritten ist: Die Autobegeisterung blüht weiter.

Das beweisen auch die ständigen Absatzrekorde weltweit (allen voran VW). Zwar verzichten mehr junge Leute in Großstädten auf eigene Autos und setzen auf andere Mobilitätsmöglichkeiten. Doch in den Verkaufszahlen schlägt sich das nicht nieder. Das Auto behält noch immer seine Faszination.

Was fällt noch auf in Genf 2018? Der Glamour, der früher die exklusive Show prägte, ist weg. „Autokönig“ Ferdinand Piëch und seine Frau Ursula flanieren nicht mehr im Blitzlichtgewitter an den Ständen entlang. Auch nicht Henry Ford, die Agnellis, Enzo Ferrari oder die Konzernherrscher Toyota und Suzuki. Es fehlen ebenso die bunten Typen, die früher Glanzlichter setzten. Etwa Peter Ustinov, Paul Newman, Elton John, Henry Kissinger, Steve McQueen, Gunther Sachs. Alles vorbei. Genf ist nur noch eine simple Messe.

Ferrari und die PS-Parade von VW

Vordergründig (wie als Alibi) ist Genf eine Show der „Stromer“. Doch die ernten nur flüchtige Blicke. Stars sind andere. Die Besucher – 800 000 werden erwartet – drängeln sich bei Ferrari, bei Porsche, bei den Hochleistungs-Athleten auf Rädern. Sie bewundern Zukunftsstudien, Unikate, Rennwagen, zunehmend auch Replikas von Klassikern (Spezialist David Brown) und natürlich die Sportwagen. Ferrari zeigt den 488-Pista, Aston Martin den Vantage und das DB11-Coupé, Maserati den Quattroporte Nerissimo. BMW setzt das M8-Gran-Coupé in Szene. Ganz wild klotzt Mercedes (neben A- und C-Klasse) mit seiner Potenz-Riege AMG G 63, AMG-GT, Maybach.

Die VW-Marken halten bei der PS-Parade wacker mit. Bugatti zeigt eine GT-Variante des drei Millionen teuren Chiron, bei Lamborghini parkt der bullige SUV Urus, bei Porsche der 911 GT 3 RS mit 520 PS und PDK. Audi präsentiert (neben dem A6-Luxusliner) diverse S- und RS-Varianten. Italdesign (Chef ist der ehemalige Piëch-Assistent Jörg Astalosch) glänzt mit dem rassigen Zerouno-Roadster. Seat hat unter dem Namen Cupra gleich eine komplett neue Sportmarke gegründet und hält einige aufgemotzte Wildlinge bereit (Cupra RS, Ateca). Bei VW bieten GTI-Racer und der Winzling Up GTI heiße Fan-Kost.

Bei McLaren steht der Senna GTR, dessen Name an den tödlich verunglückten Weltmeister Ayrton Senna erinnert. Toyota spielt mit einem Renn-GT auf, Ford mit dem Mustang Bullitt. Die Reihe der Hyper-Autos ist lang. Irre lang. Einzelstücke sind Trumpf, die Individualisierung blüht. Deshalb können sie auch alle existieren: Alpina, Arden, Pagani, Koenigsegg, TechArt, Mansory, Brabus, Zenvo und wie sie alle heißen.

Futuristisches fand schon immer in Genf eine Bühne. Italdesign, Audi und Airbus zeigen den Pop-Up ein Auto, das fliegt. Das kann auch der serienreife Liberty (von PAL-V). Künftige Lufttaxis! Der Brausehersteller Red Bull lieferte Aston Martin Know-how aus dem Formel-1-Stall. Das gemeinsame Produkt ist der Kraftprotz Valkyrie mit 1000 PS. 25 Stück werden gebaut; alle wurden in Genf verkauft. Immer mehr Quereinsteiger bauen Autos. Nach Tesla, Apple, Google und anderen nun auch der englische Staubsauger-Tycoon James Dyson. Pfiffiges ließ sich Fleischwarenfabrikant Robert Tönnies einfallen. Er bietet Elektro-Oldtimer an; zum Beispiel Käfer-Cabrios mit E-Motor.

Zitate von einst und Wasserstoff

Nicht alles aus Genf ist zukunftsträchtig. Nicht jeder Ankündigung darf man glauben. Das wird deutlich, wenn man sich in die Genf-Berichte vergangener Jahre vertieft. Wolfgang Reitzle (heute Linde-Aufsichtsratsvorsitzender) prognostizierte in Genf 1982 (damals war er Entwicklungschef bei BMW): „Ich bin sicher, dass wir in 30 Jahren Wasserstoffautos fahren.“ Das wäre 2012 gewesen. Doch wo ist der Wasserstoff-Antrieb geblieben? Das wäre doch die sinnvollste Antriebstechnik! Viel umweltfreundlicher als die ganze Elektroauto-Flut.

1985 wütete in Genf Fiat-Boss Santarelli: „Die Deutschen sind mit Katalysatoren vorgeprescht. Sie werden einen Rückzieher machen müssen. Das ist klar.“ Und Bob Lutz (Ford) meinte: „Ich behaupte, dass wir in vier Jahren gar keine Katalysatoren mehr brauchen. Das regeln wir über elektronische Gemischaufbereitung.“ So viel zum Kat, der heute in jedem Auto die Abgase säubert.

Im Jahr 2000 sinnierte Ferdinand Piëch: „Elektroantrieb? Ein Nischenprodukt. Allenfalls. Wir haben das Einliterauto. Ein Liter Sprit auf 100 Kilometer!“ Und 2007 sagte VW-Chef Martin Winterkorn in Genf: „Wir? Einen Trend verschlafen? Unsinn. Audi hatte schon 1995 ein Hybridauto, den Duo. Keiner kaufte ihn.“ Ebenfalls 2007 betonte VW-Technik-Vorstand Ulrich Hackenberg: „Wir sind stolz auf Blue Tec. Diese extrem saubere Diesel-Technologie erfüllt jetzt schon die für 2015 geforderte Euro-6-Norm.“