Los Angeles. Seit gut einem Jahr ist die I.D.-Familie auf Automessen präsent. Auf Kaliforniens Straßen sorgen die Testfahrzeuge für staunende Blicke.

Nur noch gut zwei Jahre soll es dauern, bis VWs Elektro-Zukunft in Serie geht. Die Uhr tickt also, doch wer den Vorreiter der neuen Baureihe, den I.D., in der kalifornischen Wintersonne den Abbot Kinney Boulevard von Venice rauf- und runterstromern sieht, dürfte keine Zweifel haben, dass die Wolfsburger den Kompakten bis 2020 fertig bekommen. Das Design steht – und das schon seit der Premiere auf der Pariser Autoshow 2016.

Wie serienreif die Optik des Showcars ist, wird bei seinen Auftritten im Messescheinwerferlicht nicht so deutlich wie auf offener Straße. Zwischen rostigen Pick-ups und PS-protzenden Sportwagen reiht sich der leise surrende I.D. in den Verkehr ein, als wäre er eine Selbstverständlichkeit. Und wenn er am Straßenrand parkt und man vorbeischlendert, erkennt man auf den ersten Blick, was er vorhat: Er will der nächste Golf sein. Die kompakten Proportionen, vor allem die breite

C-Säule, geben die nur 4,10 Meter lange Studie als würdigen Nachfolger des Bestsellers zu erkennen.

Natürlich mussten sich die Designer einigen Sachzwängen beugen – vor allem der hohe Fahrzeugboden, in dem die Batterien verschwinden sollen, macht Probleme. Die ein oder andere Kante und vor allem große 20-Zoll-Räder mussten her, um den 1,53 Meter hohen Wagen nicht schlaksig wirken zu lassen. Auf der anderen Seite gibt die E-Mobilität den Kreativen Spielraum: Der fehlende Verbrenner in der Front schafft die Möglichkeit kurzer Überhänge und erlaubt einen geräumigen Innenraum.

Die Herzen der Passanten

fliegen eindeutig dem Bulli zu

Aktuell zeigt sich dieses Gesicht in der Gestalt flacher, breiter Scheinwerfer mit einem U-förmigen Einsatz, neben dem I.D. tragen den auch die mitgereisten Brüder I.D. Crozz und I.D. Buzz. Ersterer, ein tiefroter, 4,60 Meter langer Cross-over, soll ebenfalls schon 2020 die Bühne betreten und richtet sich an Lifestyle-SUV-Fans; der gelbe Bulli-Nachfolger dagegen lässt noch auf sich warten. Immerhin: Als Folge auf die große Publikumsresonanz nach den ersten Auftritten hat der VW-Vorstand den Start auf 2022 vorgezogen, ursprünglich sollte er noch ein paar Jahre später kommen.

Guckt man sich die begeisterten Passanten am Venice Beach an, war diese Entscheidung vollkommen richtig. Neben dem Buzz im Retro-Look verblasst selbst der Crozz ein wenig, und die Herzen der langhaarigen Surfer, der

geschäftig vorbeieilenden Geschäftsleute und der urlaubenden Großfamilien fliegen eindeutig dem Bulli zu. Vielleicht ist es die Einfachheit des knapp fünf Meter langen Busses, die die Herzen erobert: Ganz hinten gibt es eine

geräumige Sitzbank, davor jede Menge Platz sowie eine Kaffeetisch-Tablethalter-Kombination und in der ersten Reihe zwei Einzelsitze. Das Cockpit ist schlicht, kein überbordendes Chromdekor. Ein kleines Lenkrad, einige berührungsempfindliche Flächen, mehr braucht man künftig nicht. Wer will, kann irgendwann sogar aufs Lenkrad verzichten, das per Knopfdruck im Armaturenbrett versinkt.

Durch den morgendlichen Verkehr fährt der Bus noch nicht von allein. Und Fahren ist überhaupt noch ein großes Wort, schließlich handelt es sich bei den drei I.D.-Modellen noch um millionenteure Einzelstücke aus der Showcar-Werkstatt. Natürlich klappern die von Hand zusammengedengelten Prototypen ziemlich, und mehr als zehn, 15 km/h sind noch nicht drin. Aber trotzdem: Wer erst einmal das sechseckige Lenkrad des I.D. in der Hand hat und beim Rangieren statt in Außenspiegel auf das von Kameras übertragene Bild im Rückspiegel blickt, vergisst den frühen Entwicklungsstand.