Wolfenbüttel. 12 Millionen Euro Schaden, eine dreistellige Zahl von Opfern: In einem Mammut-Prozess geht es um windige Geschäfte mit Aktienverkäufe am Telefon.

Sie sollen wertlose Firmenanteile verhökert – und damit Millionen gemacht haben. Mit Verzögerung beginnt in der kommenden Woche ein Prozess wegen Anlagebetrugs gegen drei Männer (55, 58, 60) vor dem Braunschweiger Landgericht. Die Zahl der Geschädigten bewegt sich im dreistelligen Bereich, sagt die örtliche Staatsanwaltschaft. Einige von ihnen stammen aus der Region.

Die Vorwürfe klingen nach Wirtschaftskrimi. Es geht um Firmen mit Namen wie „Energy Solutions International“ und „4DMed Ltd“. Ersteres ein auf Samoa angesiedeltes Unternehmen, das angeblich in erneuerbare Energie investierte. Zweiteres eine Gesellschaft, die Übungsoperationen für Ärzte in der virtuellen Realität entwickelt haben will, ansässig in Sparks, Nevada (USA). Noch bevor das vermeintlich aufstrebende Unternehmen 4DMed auf seinem Weg zum „Global Player“ an die Börse geht, könne man Aktien erwerben. So soll es potenziellen Anlegern bei unaufgeforderten Anrufen (sogenanntes „Cold Calling“) angepriesen worden sein.

Geschädigter aus Wolfenbüttel meldet sich bei den Behörden

Einer dreistelligen Zahl von Personen erschien das so verlockend, dass sie zugriffen. Der Schaden laut Braunschweiger Staatsanwaltschaft: rund 12 Millionen Euro. Denn bei den Firmen habe es sich um wertlose Unternehmenshüllen gehandelt. Geschaffen einzig zu dem Zweck, Anlegern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Von 2016 bis 2022 soll der Schwindel gedauert haben. Ins Rollen kamen die Ermittlungen durch die Anzeige eines Geschädigten aus dem Landkreis Wolfenbüttel.

Die drei angeklagten Deutschen gehören nach Ansicht der Staatsanwaltschaft zu den Drahtziehern des gewerbsmäßigen Betrugsmodells. Mit windigen Finanzjongleuren sollen sie die Firmen über Strohleute gegründet haben. Der Vertrieb lief über Call-Center in Deutschland sowie der Türkei, so der Vorwurf. Wolkige Broschüren mit falschen Informationen und eine professionelle Homepage sollten Bedenken zerstreuen.

Hatten Käufer angebissen und Anteile erworben, folgte rasch der nächste Verkaufsanruf, bei dem man Gründe präsentierte, warum das Paket aufgestockt werden muss. 2022 untersagte die deutsche Finanzaufsicht BaFin, Aktien der 4DMed Ltd. öffentlich anzubieten.

Zwei der drei Angeklagten saßen wegen Fluchtgefahr für neun Monate in Untersuchungshaft. In der Vorwoche hob das Oberlandesgericht (OLG) die Haftbefehle aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf, trotz Bedenken der Staatsanwaltschaft. Dem OLG zufolge hatte das Landgericht zu lange gebraucht, um den Prozess anzuberaumen.

Ermittlungen gegen 20 weitere Beschuldigte laufen

Beim eigentlich für Donnerstag angesetzten Auftakt blieb der Saal leer. Versuchen sich die Männer dem Verfahren zu entziehen? Ihnen drohen im Falle einer Verurteilung lange Haftstrafen – und zwei der drei haben einen Wohnsitz in Spanien. Nein, heißt es seitens des Landgerichts. Der Auftakt verschiebt sich lediglich um eine Woche – aus Krankheitsgründen. „Alle Beteiligten haben versichert, dass sie kommen werden“, erklärt Gerichtssprecherin Lisa Rust. 30 Hauptverhandlungstermine bis in den August sind angesetzt.

Es dürfte nicht der letzte Prozess im Fall dieses mutmaßlichen Beteiligungsschwindels bleiben: Ein weiteres Verfahren mit 20 Beschuldigten ist anhängig. „Hier laufen die Ermittlungen noch“, sagt Christian Wolters von der Staatsanwaltschaft.