Bad Grund. Der Harz blüht auf, ob im Beherbergungsgewerbe oder als Schauplatz für Krimi-Literatur. Und jüngere Menschen bauen sich dort Existenzen auf.

Die aktuellen Interviews unseres neuen Videoformats „Draußen im Harz“ bestätigen, dass der Harz auch nach Corona und trotz der erheblichen Waldschäden beliebt bleibt als Urlaubs- und Ausflugsziel, zudem entwickelt er sich offenbar zu einem alternativen Pflaster für Existenzgründer, die der Hektik und den enormen Lebenshaltungskosten der Großstädte den Rücken kehren. Wir haben uns dieses Mal am Hübichenstein und im Weltwald bei Bad Grund mit Gesprächsgästen getroffen, die in ganz unterschiedlicher Beziehung zum Harz stehen.

Draußen im Harz - Am Hübichenstein mit Autor Helmut Exner

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    Krimi-Autor Helmut Exner arbeitet derzeit an seinem 20. Roman.
    Krimi-Autor Helmut Exner arbeitet derzeit an seinem 20. Roman. © HK | Mark Härtl

    Über den Harz als Stofflieferant für Kriminalromane sprachen wir mit den Autoren Helmut Exner und Corina C. Klengel, die beide schon lange im Geschäft sind. „Warum soll ich meine Krimis in Skandinavien spielen lassen oder in Bayern?“, erzählt Exner im Video-Interview. „Im Harz kenne ich mich gut aus, auch mit den Mythen und Sagen.“ Im Oberharz mit seinen sieben Bergstädten gebe es bestimmte Charaktereigenschaften und eine Sprache, die nur dort gesprochen werde. „Das spielt eine Rolle, damit die Krimis authentisch sind“, sagt Exner, der gerade an seinem 20. Buch arbeitet.

    Exners Hauptfigur Lilly Höschen ist nur oberflächlich so etwas wie die Miss Marple des Harzes. Exner dazu: „Ich würde sagen, Lilly ist etwas derber als Miss Marple von Agatha Christie. Sie lässt schon mal Sachen raus, die Frau Christie ihrer Protagonistin nie in den Mund gelegt hätte. Das kann recht derb werden. Letztens hat sie, als sie nach Putin gefragt wurde, gesagt: Den soll der Blitz beim Scheißen treffen. Das hätte die Miss Marple in England nie über die Zunge gebracht.“ Wohl wahr.

    Draußen im Harz- Am Hübichenstein mit Harz-Krimi Autorin Corina Klengel

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      Harz-Krimi-Autorin Corina C. Klengel, Redakteurin Svenja Paetzold-Belz und Kamerafrau Daria Brabanski (von links) am Drehort Hübichenstein. . 
      Harz-Krimi-Autorin Corina C. Klengel, Redakteurin Svenja Paetzold-Belz und Kamerafrau Daria Brabanski (von links) am Drehort Hübichenstein. .  © Michael Strohmann

      Sich bei der Schreiberei mal so richtig ausbreiten, das wünschte sich Corina Klengel und wechselte deshalb vom Schreiben für die Zeitung zum Schreiben von Romanen. Als Gerichtsreporterin sind „Mord und Totschlag“ ihr Metier, wie sie selbst sagt. Im Interview erzählt die Harz-Krimi-Autorin, woher sie Ihre Inspiration nimmt, was Menschen am Krimi-Genre fasziniert und warum ausgerechnet der Harz Schauplatz ihrer Geschichten ist. „Ich wollte Mystik und Sagen in meinen Romanen“, erinnert sich Klengel im Gespräch am Fuße des Hübichensteins, um den sich ebenfalls viele Geschichten und Sagen ranken. „Da habe ich mir gedacht, dass ich als Schauplatz eigentlich auch meine Heimat nehmen kann. Denn die strotzt nur so vor Mystik. Hier finde ich so viele Themen.“

      Warum er nach der erfolgreichen Wiederansiedelung des Luchses im Harz nicht einfach in Frührente gehen kann, erklärt Ole Anders, Leiter des Luchsprojektes des Nationalparks Harz, im Gespräch mit Harz-Kurier-Redaktionsleiterin Svenja Paetzold-Belz. Im Videointerview gibt er einen Ausblick auf die vielen Aufgaben, die noch anstehen. „Der Luchs breitet sich aus“, schildert Anders nur eine der Herausforderungen. Dadurch ergebe sich nicht nur mehr Aufwand in der Überwachung.

      Draußen im Harz - Am Hübichenstein mit Ole Anders

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        Der Luchs-Beauftragte Ole Anders im Interview mit Svenja Paetzold-Belz.
        Der Luchs-Beauftragte Ole Anders im Interview mit Svenja Paetzold-Belz. © HK | Mark Härtl

        Auch am Image des Pinselohrs müsse immer wieder gearbeitet werden. Denn obwohl dieses Image grundsätzlich positiv besetzt sei, sei das Thema nicht immer unproblematisch. „Dass man einem Luchs begegnet, ist aber eine relativ seltene Begebenheit“, sagt Anders, und er gibt noch einen Tipp mit auf den Weg, wenn es doch mal geschehen sollte: „Einfach das Erlebnis genießen. Ich glaube jeder, der im Wald unterwegs ist, hat genug gesunden Menschenverstand, um richtig zu reagieren.“

        Auf ihren Reisen haben Larissa Menzel und Daniel Köhler aus Bad Grund viele Herbergen gesehen – und bekamen dabei Appetit, selbst Gastgeber zu werden. Im Harz hätten sie manche „alte Staubbude“ gesehen und sich gedacht: Warum machen wir das nicht ein bisschen besser? Und so haben sie am 8. November 2021 eine Anlage mit zehn Hütten aus den 60er Jahren nahe Bad Grund übernommen, ihr Waldquartier, dem sie den Namen „Harzverbunden“ gaben.

        „Die Gebäude mussten unseren Vorstellungen angepasst werden“, erzählt das junge Paar im Gespräch mit Redakteur und „Draußen“-Podcaster Michael Strohmann. „Wir mussten mehr ändern, als wir gedacht haben. Am 1. April 2022 haben wir die ersten beiden Hütten eröffnet. Am 1. Juni waren alle von innen fertig.“

        Die erste Saison sei besser gelaufen als gedacht. „Über Instagram haben das viele Freunde geteilt. Auch unsere Yoga-Retreats haben Menschen auf uns aufmerksam gemacht. Urlauber von unseren Vorbesitzern kamen. Wir waren sprachlos, wie viel zustande kam. In den letzten Herbstferien war dann komplett alles ausgebucht“, berichten Larissa und Daniel.

        Der Harz erlebe derzeit nicht nur ein Zwischenhoch – ausgelöst durch Corona. „Ich wandere seit 20 Jahren im Harz“, sagt Daniel, „und ich habe immer im Auge gehabt, wer da unterwegs ist. Es hat sich in den letzten 10, 15 Jahren schon extrem geändert. Die Leute sind wesentlich jünger geworden.“ Viele Familien seien zu sehen und durch den E-Bike-Tourismus sei ein neues Klientel hinzugekommen. „Der Aufwärtstrend war schon lange vor Corona da“, meint Daniel. „Corona war sogar nachteilig für den Harz, weil es dann auf den Punkt zu viel war. Es waren zu viele Touristen für zu wenig Infrastruktur.“

        Draußen im Harz - Am Hübichenstein mit Jan-Ole Kropla

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          Revierförster Jan-Ole Kropla (rechts) beschreibt Redakteur Michael Strohmann auf der Hängebrücke des „Indianerpfades“ die Situation im Weltwald.
          Revierförster Jan-Ole Kropla (rechts) beschreibt Redakteur Michael Strohmann auf der Hängebrücke des „Indianerpfades“ die Situation im Weltwald. © HK | Mark Härtl

          Gleich neben dem Hübichenstein liegt der Eingang zum Weltwald der Niedersächsischen Landesforsten. Unser Video-Team stattete ihm einen Rundgang ab, in Begleitung von Revierförster Jan-Ole Kropla. Der Weltwald mit vielen Baumarten aus den gemäßigten Breiten der Erde ist Mitte der 70er Jahre entstanden, nachdem ein Sturm die vorhandenen Fichten auf einer riesigen Fläche umgeworfen hatte. „Der Großteil der Bäume ist Ende der 70er Jahre und Anfang der 80er Jahre gepflanzt worden“, erzählt Kropla.

          Die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt mache derzeit eine Inventur auf dem 65 Hektar großen Gelände. „Damit wir aussagekräftige Daten haben, was in den letzten Jahren hier abgestorben ist“, so Kropla. Welche Baumarten haben es nicht geschafft, sich im Weltwald festzusetzen? „Das sind Fichtenarten, die sehr viel Niederschlag brauchen, den wir in den letzten Jahren nicht hatten, aber auch einige Tannenarten, vor allen Dingen aus asiatischen Gegenden, die im Sommer Monsunregenereignisse gewohnt sind, die haben wir hier einfach nicht.“

          Zu der Frage, welche Erkenntnisse aus dem Weltwald man bereits nutzen konnte, um den Harz erfolgreich aufzuforsten, sagt Kropla: „Der Weltwald ist erst 50 Jahre alt. Was aus forstwirtschaftlicher Sicht relativ wenig ist. Da muss man wissenschaftlich über einen längeren Zeitraum dranbleiben.“ Baumarten wie die Douglasie hätten sich aber bewährt, auch die große Küstentanne und einige Lärchenarten.

          Kein Besuch in Bad Grund, ohne dass man auf das Thema Bergbau aufmerksam würde. Welche große Rolle der Abbau von Erz unter Tage für die Bergstadt in der Vergangenheit spielte und noch heute spielt, davon berichtet der ehemalige Bergmann Volker Sturm. Er fuhr mehr als 40 Jahre lang selbst in Bergwerke ein – zunächst in den Rammelsberg bei Goslar, später als Steiger in den Schacht Kneesebeck in Bad Grund.

          Draußen im Harz - Am Hübichenstein mit Volker Sturm

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            Volker Sturm vom Bergbaumuseum Bad Grund. Er hat 40 Jahre lang selbst in Bergwerken gearbeitet.
            Volker Sturm vom Bergbaumuseum Bad Grund. Er hat 40 Jahre lang selbst in Bergwerken gearbeitet. © HK | Mark Härtl

            Genau dort vermittelt er heute das Wissen um die Harzer Bergbau-Vergangenheit an nachfolgende Generationen. „Im Bergbau muss man Glück haben, um sein Tagwerk zu Ende bringen zu können“, schildert der heute 82-Jährige mit Blick auf seine gefährliche berufliche Vergangenheit. 40 Kameraden verlor er im Laufe seiner Karriere – und überlebte so manche brenzlige Situation selbst nur knapp.