Didderse. Eine Didderserin entdeckte das leicht giftige Spinnentier am Dienstag in ihrer Wohnung. Offenbar handelt es sich um eine nordafrikanische Art.

Schreck bei der Morgentoilette: Eine Leserin unserer Zeitung hat am Dienstagmorgen in ihrer Wohnung in Didderse im Landkreis Gifhorn einen Skorpion in ihrer Badewanne entdeckt. Wie die Frau, die Ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, berichtet, ist das Tier etwa fingergroß. Nachdem es ihr gelang, das exotische Spinnentier einzufangen, habe sie es ins Artenschutzzentrum des Nabu in Leiferde gebracht. Offenbar handelt es sich um eine in Nordafrika beheimatete Skorpionart. Das Tier könnte als blinder Passagier mit einer Packung Blumenzwiebeln nach Europa gelangt sein.

Wie die Didderserin am Telefon erzählt, fand sie das Tier in ihrer Badewanne, aus der es augenscheinlich nicht mehr aus eigener Kraft herauskam. „Erstmal habe ich meinen Augen nicht getraut“, berichtet sie. Dann habe sie noch einmal genau hingeschaut und festgestellt: „Nein das ist keine neue Ohrenkneiferart, die man noch nicht kennt. Das ist ein Skorpion.“

Kammerjäger fühlte sich nicht zuständig

Bei der Gefangennahme des Didderser Skorpions war die Aufregung groß. Dies ist das beste Foto des in einem großen Glas festgesetzten Tieres.
Bei der Gefangennahme des Didderser Skorpions war die Aufregung groß. Dies ist das beste Foto des in einem großen Glas festgesetzten Tieres. © Privat | Privat

Daraufhin habe sie sowohl bei Kammerjäger-Unternehmen als auch bei der Polizei angerufen. Beide Ansprechpartner hätten ihrer Schilderung zunächst wenig Glauben geschenkt. „Alle dachten, ich spinne“, erzählt sie und lacht. Die Ungezieferbekämpfer hätten sich nicht zuständig gefühlt. Schließlich habe die Polizei ihr den Kontakt zum Nabu-Artenschutzzentrum vermittelt. Dessen Mitarbeiter boten der Frau an, das Tier selbst in Leiferde vorbeizubringen.

Dramatische Gefangennahme nach Drohgebärde

Mittels eines großen Glases eines Papierbogens und starker Schutzhandschuhe wurde der Skorpion in eine Tupperdose bugsiert. Hierbei büßte das Tier eine seiner beiden Scheren ein. „Sie müssen sich vorstellen: Uns war es überhaupt nicht geheuer, mit so einem Tier zu hantieren“, erzählt die Frau. Das Tier habe eine Drohhaltung eingenommen und seine stachelbewehrte Schwanzspitze in die Höhe gereckt. „Da ist man dann etwa rabiater als man eigentlich will“, gibt sie zu. Auch am Tag danach ist ihr die Aufregung noch deutlich anzuhören. „Die Tupperdose haben wir sicherheitshalber noch mit Panzerband umwickelt.“ So habe sie das Tier dem Nabu übergeben.

Kommt der Besucher aus Nordafrika?

In Leiferde nahmen sich die Nabu-Mitarbeiter des achtbeinigen Krabbeltiers an. „Die haben sich erstmal gefreut“, erzählt die Didderserin, „schließlich bekommen sie sowas nicht alle Tage zu sehen.“ Eine erste Bewertung habe ergeben, dass das Tier vermutlich einer Spezies angehört, die überwiegend in Nordafrika beheimatet und deren Stich leicht giftig ist. „Auf einer Giftigkeits-Skala von eines bis acht soll diese Art bei drei liegen“, erzählt die Entdeckerin. Das sei nicht tödlich, aber doch so stark, dass es für empfindliche Personen „schon gefährlich“ werden könne. Der Aufenthalt des Skorpions in Leiferde soll nur vorübergehend sein. Zur abschließenden Begutachtung wolle der Nabu das Tier nach Nordrhein-Westfalen bringen lassen, berichtet sie. Leider konnte unsere Zeitung das Nabu-Artenschutzzentrum am Mittwochnachmittag nicht kurzfristig für eine Stellungnahme erreichen.

Skorpione mögen’s warm und feucht

Und wie gelangte das Tier nun in die Didderser Badewanne? „Da ich coronabedingt schon jahrelang nicht mehr außerhalb Europas Urlaub gemacht haben, scheidet die Möglichkeit aus, dass wir das Tier selbst eingeschleppt haben“, kombiniert die Finderin. Natürlich sei es möglich, dass sich jemand einen üblen Scherz erlaubt und den Skorpion durchs offene Fenster geworfen hat. Am wahrscheinlichsten ist aus ihrer Sicht aber die Variante, dass er an Bord der am Vortag gekauften Blumenzwiebeln ins Haus kam – als blinder Passagier sozusagen. „Die Nabu-Leute meinten, Skorpione lieben warme Umgebungen mit höherer Luftfeuchtigkeit“, sagt sie. Das könnte erklären, dass den Einwanderer in die Badewanne zog.

Die fraglichen Tulpenzwiebeln hatte unsere Leserin am Vortag gekauft – in einem Baumarkt in unserer Region. Verpackt waren sie in einem offenen Netz, so dass das Tier aus eigener Kraft hätte herauskrabbeln können. Als Herkunftsbezeichnung sei zwar „Niederlande“ angegeben gewesen, die Didderserin schließt aber nicht aus, dass unser Nachbarland vielleicht nur eine Zwischenstation der Zwiebeln gewesen sein könnte.

Im Laufe des Tages informierte sie auch den Baumarkt, in dem sie die Zwiebeln gekauft hatte: „Ich wollte Bescheid sagen, damit sie die anderen Packungen kontrollieren können, ob sich dort womöglich auch etwas verbirgt.“ Der Baumarkt habe ihr als Entschädigung eine Topfpflanze angeboten. „Ich habe aber dankend abgelehnt“, berichtet sie und lacht.

Import-Obst und -Pflanzen mit blinden Passagieren

Dass exotische Insekten oder Spinnentiere im Gepäck von Urlaubsheimkehrern oder mit importierten Pflanzen nach Mitteleuropa gelangen, ist nicht außergewöhnlich. Erst im September hatte ein Skorpion in einem Blumenladen in der Düsseldorfer Innenstadt für Aufregung gesorgt. Das Tier sei mit einer Lieferung Pistazien-Grün aus Italien an den Rhein gelangt, berichtete damals ein Feuerwehrsprecher. Erzählungen über gefährliche exotische Tiere – zum Beispiel „Die Spinne in der Yucca-Palme“ – gehört zum klassischen Kanon moderner Mythen.