Braunschweig. Wer zu Pandemie-Zeiten ein Kind erwartet, erlebt viel Unsicherheit. Redakteurin und bald zweifache Mutter Eva Nick berichtet.

Als mein Mann und ich uns Anfang des Jahres für ein zweites Kind entscheiden, ist Corona noch sehr weit weg. Wie die meisten Menschen in meinem Umfeld habe ich zwar davon gelesen, aber, dass eine weltweite Pandemie bevorstehen könnte, kommt mir nicht in den Sinn. Als ich Ende März einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen halte, sieht die Welt schon anders aus: Ich bin zu diesem Zeitpunkt seit zwei Wochen im Home-Office, Schulen, Kitas, viele Geschäfte sind geschlossen, die Infektionszahlen steigen.

Eltern werden in Coronazeiten: Das ist im Pandemiejahr 2020 eine emotionale und organisatorische Herausforderung. Ein unübersichtliches Infektionsgeschehen, ständig neue Erkenntnisse, eine schwankende gesellschaftliche Akzeptanz der Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus – durch die Schwangerschaft erlebe ich das alles wie durch ein Vergrößerungsglas. Bei allen neuen Entwicklungen begleitet mich dabei ein Datum: Der 5. Dezember, der errechnete Geburtstermin. Und die Frage: Wird bis dahin wieder alles, wie es vorher war?

Diese Hoffnung schrumpft mit jeder weiteren Schwangerschaftswoche. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind von Anfang an spürbar. Zu Vorsorgeuntersuchungen darf mein Mann mich nicht begleiten. Unsere Hebamme betritt mit Maske und viel Abstand unsere Wohnung für den ersten Besuch, danach belassen wir es bei Telefonaten. Mehrere meiner Freundinnen sind ebenfalls schwanger: Über Zoom und Whatsapp teilen wir unsere Sorgen. Denn wie sich eine Corona-Infektion auf eine Schwangerschaft und das Ungeborene auswirkt, dazu gibt es kaum Erkenntnisse.

Unklare wissenschaftliche Lage

Ende Mai veröffentlichen der Berufsverband der Frauenärzte und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe Hinweise für Schwangere zur Corona-Pandemie: Es gebe keine Hinweise darauf, dass Schwangere durch eine Infektion besonders gefährdet seien. Allerdings seien bislang auch erst 20 Schwangerschaften aus China als Grundlage für diese Aussage beobachtet worden. Später im Jahr wird ein Fall bekannt, in dem die Corona-Infektion der Mutter sich auf das ungeborene Kind übertragen hat.

Mittlerweile gibt das Robert-Koch-Institut auf seiner Internetseite an, dass neuere Studien aus den USA nahe legen, dass schwangere Covid-19-Patienten im Vergleich zu gleichaltrigen nicht-Schwangeren häufiger im Krankenhaus behandelt werden müssten: Das Risiko für einen schweren Verlauf sei erhöht. Eine erhöhte Fehlgeburtenrate sei indes nicht festgestellt worden. Trotzdem gelten Schwangere in Deutschland nicht als Covid-19-Risikogruppe. Für Markus Lütge ein nicht nachvollziehbarer Gegensatz, da auch die Grippe „grundsätzlich ein Risiko für schwangere Patientinnen darstellt und auch eine dringende Impfempfehlung besteht“, so der Bezirksvorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzte für Braunschweig.

Angst vor einer Geburt ohne Begleiter

In seiner Praxis in Salzgitter erlebe er unter seinen schwangeren Patientinnen dabei mehr Angst vor der Geburt, als vor dem Virus an sich, so Lütge: Um ihnen die Sorge vor dem Alleinsein zumindest bei den Vorsorgeuntersuchungen zu nehmen, lässt er in seiner Praxis auch Begleitpersonen zu. Das allerdings halte jede gynäkologische Praxis anders.

Es bleibt festzuhalten: Die Lage ist unübersichtlich, wie in so vielen Dingen muss das Virus auch im Hinblick auf seine Auswirkungen bei Schwangeren und Ungeborenen erst noch weiter erforscht werden. Das sorgt bei so mancher Mutter für Unsicherheiten und Angst. Das bestätigt auch Patricia Könneker, freiberufliche Hebamme aus Braunschweig und Kreisvorsitzende des Niedersächsischen Hebammenverbandes für die Stadt Braunschweig. „Außer der allgemeinen Sorge vor einer Infektion mit dem Coronavirus ist die größte Angst der Frauen, unter der Geburt allein zu sein“, sagt sie.

Soziale Isolation trifft junge Mütter

Hinzu komme die soziale Isolation: Sowohl Geburtsvorbereitungskurse als auch Rückbildungskurse oder Babytreffs können zu Pandemie-Zeiten nur eingeschränkt, wenn überhaupt, stattfinden. Durch die aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung zur Einschränkung von Kontakten wird das Problem noch vergrößert: Für viele Frauen bleibt nur der Kontakt über Soziale Medien für den Austausch mit anderen Müttern. Kein richtiger Ersatz, findet Könneker: „Erst kürzlich erzählte eine junge Mutter, dass sie verzweifelt andere Frauen mit Kinderwagen angesprochen hat, um so in Kontakt zu kommen und eine nette Begleitung zu finden.“ Einige Kliniken, darunter das Städtische Klinikum Braunschweig, bieten aber weiterhin Kurse an.

Die soziale Isolation in der Corona-Pandemie betrifft natürlich nicht nur schwangere Frauen oder junge Mütter. Der Gedanke an eine Geburt ohne Partner ist aber auch für mich die mit Abstand größte Angst, die mich in der Schwangerschaft begleitet. Frauen, die zum ersten Mal gebären, dürften noch größere Ängste mit sich tragen – ich weiß immerhin, was mich erwartet.

Partner darf bei der Geburt dabei sein

Es gibt jedoch Grund zum Aufatmen: Zwar haben die meisten Krankenhäuser in der Region ein Besucherverbot erlassen, das auch für Partner nach der Geburt gilt. Aber während der Geburt ist die Begleitung überall in der Region erlaubt, so denn keine Erkältungssymptome vorliegen, oder sogar ein positiver Coronatest.

Werdende Mütter werden in allen Kliniken, die sich auf Anfrage geäußert haben, auf das Coronavirus getestet, wenn sie sich zur Geburt vorstellen. Das bestätigen die Kliniksprecher, Chef- und Oberärzte der Kliniken in Wolfsburg, Braunschweig, Wolfenbüttel, Salzgitter, Helmstedt und Gifhorn. Der Partner darf die Geburt unter den geltenden Hygienevorgaben, darunter dem Mund-Nase-Schutz, begleiten. Im Wolfenbütteler Klinikum sowie im Braunschweiger Marienstift wird auch die Begleitperson getestet. Das Klinikum Wolfsburg testet Begleitpersonen auf eigenen Wunsch und auf eigene Rechnung. Im Marienstift dürfen so auch Partner mit Erkältungssymptomen die Geburt begleiten – so ihr Test negativ ausfällt.

Vor der Geburt zum Coronatest

Eine weitere Gemeinsamkeit in der Handhabung der Kliniken: Der Partner darf erst in den Kreißsaal, wenn es wirklich losgeht. Das ist besonders für Frauen interessant, bei denen die Geburt eingeleitet wird oder die mit einem vorzeitigen Blasensprung in die Klinik kommen. In solchen Fällen muss die Begleitperson draußen warten: Und wird später von der Mutter oder dem Personal in den Kreißsaal gerufen.

Was aber, wenn die Mutter selbst krank ist, wenn die Geburt beginnt? Diese Frage stelle ich mir, als ich wenige Wochen vor der Geburt zu husten und schniefen beginne. 10 Tage lang bin ich krank. Meine Hausärztin testet mich auf das Coronavirus, und sagt vor dem Abstrich: Sie können hoffen, dass er positiv ist, dann hätten Sie es mit einem milden Verlauf hinter sich und auch Ihr Kind hätte einen gewissen Schutz. So habe ich die Dinge wahrlich noch nicht gesehen – doch unerheblich, der Test ist negativ.

Schwangere mit unklarem oder positivem Corona-Status werden isoliert

In den Krankenhäusern der Region werden Corona-positiv getestete Schwangere unter und nach der Geburt isoliert: Auch das Personal trägt dann besondere Schutzkleidung. „Bis ein negatives Testergebnis eingetroffen ist, werden sie unter einem besonderen Hygieneregime versorgt. Das heißt: Hebammen, Pflegekräfte und Ärzte tragen in diesem Fall eine Schutzausrüstung (Maske, Kittel, Handschuhe, OP-Haube), die höhere Standards erfüllt“, sagt etwa Clemens Liebrich, kommissarischer Leiter der Frauenklinik im Klinikum Wolfsburg. „Für Covid-positive Schwangere haben wir zudem einen besonderen Kreißsaalbereich eingerichtet – getrennt von den anderen Räumen. Grundsätzlich achten wir darauf, dass Patientinnen, deren Corona-Status unbekannt ist, und stationäre, negativ getestete Patientinnen im Klinikum keinen Kontakt haben.“

Besuchsverbote in den Kliniken

Das dürfte vor allem auch Frauen beruhigen, die Angst vor einer Infektion im Krankenhaus haben – gerade jetzt, wo die Infektionszahlen hoch sind und wieder mehr Corona-Patienten in den Kliniken behandelt werden. Beruhigen könnte in dieser Hinsicht auch das Besucherverbot, das es in fast allen Krankenhäusern in der Region gibt. Ausnahmen sind das Städtische Klinikum in Braunschweig und das in Wolfenbüttel. In beiden ist es den frischgebackenen Müttern erlaubt, eine Person für kurze Zeit am Tag zu empfangen. Auch das Klinikum Wolfsburg und das Helios-Klinikum Helmstedt erlauben im Rahmen ihrer Besucherverbote Ausnahmen auf der Mutter-Kind-Station. Seit Kurzem erlaubt auch das Krankenhaus Marienstift in Braunschweig Besuche nach der Geburt, sofern diese mit der Station abgesprochen sind.

Die hohen Hygienestandards könnten mich beruhigen: Doch je näher der Geburtstermin rückt, desto nervöser werde ich. Die Vorstellung, dass mein Mann mich in der Geburtsklinik abliefert, draußen warten muss und nach der Geburt wieder gehen muss, nachdem er seine neugeborene Tochter zum ersten Mal in den Händen gehalten hat: Sie ist schmerzhaft. Zumal, wenn der Aufenthalt im Krankenhaus länger dauern sollte. Ich informiere mich deshalb in den Wochen vor der Geburt über die Möglichkeiten einer ambulanten Geburt. Das bedeutet, wenige Stunden nach der Entbindung nach Hause entlassen zu werden.

Besuchsverbote haben auch Vorteile

Sie habe durchaus das Gefühl, dass die Nachfrage nach einer ambulanten Geburt gestiegen sei, sagt Hebamme Patricia Könneker. Tatsächlich berichten das Klinikum Wolfsburg und das Klinikum Wolfenbüttel, dass es nicht mehr ambulante Geburten gebe als sonst, auch sei die Verweildauer von Mutter und Kind nach der Geburt auf der Station nicht verkürzt. Andere Erfahrungen haben die verantwortlichen Mediziner im Braunschweiger Klinikum und Marienstift sowie in den Helios-Kliniken in Gifhorn, Helmstedt und Salzgitter gemacht: Hier sei durchaus festzustellen, dass sich in der Corona-Pandemie mehr Eltern für eine frühe Entlassung entscheiden.

Zum Besucherverbot, das viele Familien zu einer ambulanten Geburt bewegt, ist es Pflegedirektorin Aline Prasse vom Helmstedter Helios-Klinikum wichtig, zu betonen, dass es auch positive Effekte mit sich bringt: Die Neugeborenen seien viel entspannter und ausgeglichener, seit es keinen Besucherverkehr mehr gebe. Auch für die Mütter sei die Ruhe erholsam, stimmt Hebamme Patricia Könneker zu.

Ambulante Geburten sind beliebt

Grundsätzlich spreche gegen eine ambulante Geburt nichts, sind sich die Experten einig. „Die ambulante Geburt in einer Klinik bietet Schwangeren einerseits die gleiche Sicherheit wie eine stationäre Geburt,“, sagt etwa Sprecherin Marina Dorsch vom Helios-Klinikum Salzgitter, „das betreuende Fachpersonal und die technische Ausstattung des Kreißsaals gewährleisten eine schnelle medizinische Versorgung bei möglichen Komplikationen.“ Besonders wichtig ist in diesem Fall aber die Betreuung durch eine Nachsorgehebamme zuhause, und ein rechtzeitiger Termin beim Kinderarzt für die U2, das Neugeborenen-Screening und den Hörtest.

Diese Infos gibt mir meine Hebamme am Telefon, nachdem ich meinen kleinen Sohn in die Kita gebracht habe. Auch er, gerade mal eineinhalb Jahre alt, wird mich möglicherweise mehrere Tage nicht sehen, wenn seine Schwester zur Welt kommt. Die Erzieherinnen in der Kita empfehlen, ihn für mindestens zwei Wochen zuhause zu lassen, damit er sich an die neue Situation gewöhnt. So minimieren wir gleichzeitig auch das Infektionsrisiko über den Weg der Kita – aber was ist eigentlich mit den Hebammen, die jeden Tag von junger Familie zu junger Familie fahren?

Hebammen sind besonders gefragt

Natürlich gehört auch hier ein Hygienekonzept zur Arbeit dazu, sagt Patricia Könneker. Die persönlichen Besuche kosteten sie und ihre Kollegen deutlich mehr Zeit als sonst: Zum Einen, weil die Familien mehr Fürsorge bräuchten, zum Anderen, weil der hygienische Aufwand so hoch sei. Könneker wünscht sich mehr Unterstützung vom Gesundheitsamt: Denn die Schutzausrüstung ist sowohl knapp als auch teuer, wenn man sie nach jedem Besuch wechseln muss. Dazu komme die Sorge, die viele ihrer Kolleginnen umtreibe: „Die Angst vor eigener Ansteckung, aber vor allem vor unwissentlicher Verbreitung an die begleiteten Familien sind alltägliche Begleiter. Diese Verantwortung belastet manche Kolleginnen sehr.“

Viele Monate sind vergangen, seit mein Mann und ich uns für den Familienzuwachs entschieden haben. Monate, die geprägt waren von Unsicherheiten, Unwägbarkeiten, Ängsten, Sorgen: Nicht nur für uns, sondern für alle Menschen im Corona-Jahr. Schwierige Voraussetzungen, um sich an das Abenteuer einer Schwangerschaft zu wagen? Nun ja, dem würde ich entgegnen, dass es dafür niemals absolute Sicherheit geben kann, Überraschungen und emotionale Achterbahnfahrten gehören zum Kinderkriegen dazu. Eins weiß ich aber mit Sicherheit: Hätte ich noch einmal die Wahl, würde ich mich wieder genauso entscheiden, Zeitpunkt hin oder her. Einer der schönsten Momente in diesem Jahr war für mich der, als sich mein Töchterchen ankündigte. Und mein Gefühl sagt mir, dass der wahre Höhepunkt meiner Familie kurz bevor steht.

So läuft die Geburt in den Krankenhäusern der Region ab

Vor der Geburt: Zwischen der Aufnahme der Mutter im Krankenhaus und dem Beginn der Geburt muss die Begleitperson außerhalb der Klinik warten. Das bestätigen die Kliniken in Wolfsburg, Wolfenbüttel, das Marienstift in Braunschweig sowie die Helios-Kliniken in Gifhorn und Salzgitter. Mit Beginn der Geburt darf die Begleitperson in den Kreißsaal. Corona-Tests für die Mütter gibt es überall, die Begleitperson wird im Braunschweiger Marienstift sowie im Wolfenbütteler Klinikum getestet, im Wolfsburger Klinikum nur auf Nachfrage und eigene Rechnung.

Während der Geburt : Die Begleitpersonen tragen in allen Kliniken eine Maske und müssen sich an die Hygienevorgaben halten. Bei Erkältungssymptomen darf die Person der Geburt nicht begleiten: Außer, es liegt ein negativer Test vor. Bei positiv getesteten Müttern gelten besondere Hygienevorgaben, das Personal trägt in der Regel Vollschutz. Für die Mütter gilt unter der Geburt keine Maskenpflicht.

Nach der Geburt: Außer in den Städtischen Kliniken in Braunschweig und Wolfenbüttel gibt es überall ein Besuchsverbot. In Wolfsburg, Helmstedt und am Marienstift Braunschweig gibt es Ausnahmen für die Mutter-Kind-Station. Für den Aufenthalt in den Kliniken bestehen die bekannten Regeln: Darunter die Maskenpflicht, auch für die Patienten. In einigen Kliniken werden weiterhin Familienzimmer für Mutter, Kind und Partner angeboten. Positiv getestete Mütter werden auf einer Quarantäne-Station untergebracht.

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