Wolfsburg. Bislang fährt Deutschland hinterher. Das könnte sich schon 2019 ändern.

Deutschland fährt zwar bei der Entwicklung der Elektro-Mobilität Ländern wie China, den USA und Norwegen hinterher. Im nächsten beziehungsweise im übernächsten Jahr dürften aber hierzulande die Zulassungszahlen von Autos mit E-Antrieb deutlich nach oben schnellen. Das ist das Ergebnis zweier Studien von Professor Stefan Bratzel, der das Auto-Instituts in Bergisch Gladbach leitet, und von Professor Ferdinand Dudenhöffer, Chef des Car-Centers der Universität Duisburg-Essen.

Dudenhöffer erwartet einen „Riesensprung“ bei den Neuzulassungen von E-Autos in Deutschland bereits im nächsten Jahr. Dafür sorge das Model 3 des US-E-Auto-Spezialisten Tesla. Dieses Fahrzeug werde vom ersten Halbjahr 2019 an in Europa und damit auch in Deutschland verkauft. Werde der Tesla ebenso erfolgreich wie in den USA, könnten zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen bis zu 20.000 Model 3 verkauft werden, erwartet Dudenhöffer. Zum Vergleich: In diesem Jahr werden nach Angaben Bratzels in Deutschland etwa 68.000 E-Autos neu zugelassen. Eingerechnet sind dabei die Plug-in-Hybride.

Doch auch andere Hersteller, darunter VW, Skoda, Seat, Audi und Porsche, bringen im nächsten Jahr neue E-Modelle auf den Markt, die meisten davon jedoch als Hybrid-Varianten, wie aus einer Tabelle Dudenhöffers hervorgeht. Er geht davon aus, dass sich Tesla in Deutschland mit dem Model 3 im Segment der reinen E-Fahrzeuge an die Spitze der Neuzulassungen setzt.

Ab 2021 werde der US-Autobauer dann von Volkswagen abgelöst. Ende 2019 will VW mit der Produktion seiner ID.-Modelle zunächst in Zwickau starten. Diese Autos sind die ersten im Konzern, die als reine Stromer entwickelt wurden. Von 2020 an sollen sie schrittweise eingeführt werden. Aus der Prognose Dudenhöffers ist abzulesen, dass er den ID.-Modellen einen Start-Ziel-Sieg zutraut.

Bratzel dagegen erwartet den großen Schub beim Ausrollen der E-Mobilität in Deutschland erst von 2020 an. Dafür sorgten nicht neue E-Modelle an sich, sondern die regulatorischen Vorgaben der Politik. So gelten ab 2020 in der EU strengere CO2-Grenzwerte. Damit die Hersteller diese Grenzwerte mit ihren Flotten einhalten können und somit Strafzahlungen entgehen, bringen sie neue E-Modelle auf den Markt. Vor diesem Hintergrund ist auch die Einführung der ID.-Familie von VW zu sehen.

Wie Bratzel weiter ausführt, gibt es mit Blick auf die Innovationsstärke deutscher Hersteller bei den E-Fahrzeugen Licht und Schatten. Bei den reinen Stromern sind nach seiner Einschätzung Tesla sowie die chinesischen Hersteller BYD und BAIC führend, gefolgt vom koreanischen Autobauer Hyundai und Renault aus Frankreich. In diesem Segment führen die deutschen Autobauer nur im Mittelfeld. Bratzel spricht von einem „erheblichen Aufholbedarf“. Schwachpunkte seien die nicht konkurrenzfähigen Preise und Reichweiten. Allerdings ist dies nur eine Momentaufnahme. Die Einführung neuer Modelle, zum Beispiel aus der VW-ID.-Familie, dürfte zu einer Verschiebung führen, bei der die deutschen Unternehmen aufholen.

Dagegen seien die deutschen Hersteller im Segment der Plug-in-Hybride bereits führend, schreibt Bratzel. Seine Rangfolge sieht VW auf Platz 1, gefolgt von Daimler und BMW. Die drei Autobauer böten ihre Plug-in-Hybrid-Modelle vor allem im gehobenen Preissegment an. „Für den breiten Massenmarkt scheint die Technologie mit den zwei Antrieben in einem Fahrzeug meist zu aufwendig und damit zu teuer“, schreibt der Auto-Experte.

Leitmarkt für die Entwicklung der Elektro-Mobilität ist und bleibt vorerst China. Nach den Ausführungen Bratzels werden in diesem Jahr im Reich der Mitte etwa 1,27 Millionen E-Autos verkauft. Das entspreche einem Zuwachs von 64 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Davon seien 980.000 reine E-Modelle, was einem Zuwachs von 77 Prozent entspreche. Der Marktanteil von E-Fahrzeugen sei im Reich der Mitte von 2,7 auf 4,6 Prozent gestiegen. 95 Prozent der Marktanteile würden von chinesischen Herstellern gehalten.

Der zweitgrößte Markt für die E-Mobilität sind demnach die USA. Dort haben sich die Verkaufszahlen in diesem Jahr laut Bratzel um 84 Prozent auf 356.000 Autos erhöht. Dafür habe das Model 3 von Tesla gesorgt. „Auf das Model 3 entfallen bereits 37 Prozent aller E-Fahrzeug-Zulassungen in den USA, auf alle Tesla-Modelle insgesamt über 50 Prozent“, schreibt Bratzel. Der Marktanteil von E-Autos in den USA sei in diesem Jahr von 1,1 auf 2,1 Prozent gestiegen.

Dank der staatlichen Förderung ist Norwegen der wichtigste Markt für die E-Mobilität in Europa. Wie Bratzel ausführt, wurden in dem skandinavischen Land in diesem Jahr 73.000 E-Autos verkauft, nach 62.000 im Vorjahr. Der Marktanteile der elektrisch angetriebenen Fahrzeuge sei von 39,3 auf 47,9 Prozent gestiegen.

Dagegen ist die Entwicklung der E-Mobilität in Deutschland bescheiden. Zwar seien die Zulassungen von E-Fahrzeugen hierzulande um 26 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, schreibt Bratzel. In Summe wurden aber nur 68.000 E-Autos neu zugelassen. Der Marktanteil erhöhte sich demnach um 0,4 Punkte auf 2 Prozent.

Dudenhöffer sieht jedoch die Chance, dass Deutschland Norwegen im nächsten Jahr als größten Markt für die E-Mobilität ablöst. Dafür könnte das Zusammenspiel aus neuen Modellen sowie die steuerliche Begünstigung für E-Autos als Dienstwagen sorgen. Müssen Arbeitnehmer, die ihren Dienstwagen auch privat nutzen, bisher monatlich ein Prozent des Listenpreises als geldwerten Vorteil versteuern, seien es ab 2019 bei E-Autos nur noch 0,5 Prozent – also die Hälfte, schreibt Dudenhöffer.