Berlin. Wissenschaftler beobachten immer mehr Plastiglomerate. Die Verschmelzung von Plastik und Gestein prägt das Zeitalter des Menschen.

Wisschenschaftler haben eine alarmierende Entdeckung auf einer einsamen Insel im Atlantischen Ozean gemacht. Auf der brasilianischen Vulkaninsel Trinidade wurde Gestein gefunden, das mit Kunststoffmüll verschmolzen ist. Plastiglomerate, wie das schmutzige Gemisch im Fachjargon heißt, könnten in Zukunft ein wachsendes Problem für die Umwelt werden.

Plastiglomerate: Geschmolzenes Plastik im Gestein

Nie hat eine Spezies ihre Spuren so tief ins Angesicht der Erde gebrannt wie die Menschheit. Weil sich Minen kilometertief in die Erdkruste fressen, Schneisen meilenweit durch Wälder ziehen und Arten massenhaft durch menschlichen Einfluss aussterben, sprechen Wissenschaftler vom Anthropozän, dem Zeitalter des Menschen. Zeugnis für die Nachwelt hinterließen Arten bisher in der Regel ausschließlich durch ihre eigenen fossilen Überreste. Der Mensch ist gerade dabei, sein Vermächtnis in Stein zu meißeln – in Form von Plastik.

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Die Plastiglomerate, ein Kofferwort aus Plastik und Konglomerat, entdeckten Forscher während einer Exkursion auf die Atlantikinsel Trinidade. Aufgrund der isolierten Position, etwa 1100 Kilometer vom brasilianischen Festland entfernt, und der vulkanischen Aktivitäten, ist die Inselgruppe Trinidade und Martim Vaz für Geologen wie Biologen von Interesse. Mit dem Fund verschmolzenen Plastikgesteins hat die Forschergruppe der Universität Paraná ein beunruhigendes Kapitel der Umweltverschmutzung aufgeschlagen.

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An vielen Stränden sind Fischernetze verantwortlich

Forschungsleiterin Fernanda Avelar Santos sagte CNN: "Das ist neu und zugleich beängstigend, denn die Verschmutzung hat die Geologie erreicht." Größtenteils angeschwemmte Plastiknetze wurden als Verschmutzungsquelle ausgemacht. "Diese werden von Meeresströmungen angeschwemmt und sammeln sich am Strand. Durch steigende Temperaturen schmilzt der Kunststoff und verfestigt sich im natürlichen Marterial", erklärte die Geologin.

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ARCHIV - 12.03.2008, Bayern, München: Eine grüne Meeresschildkröte schwimmt in ihrem Becken im Sea Life im Olympiapark. (Zu dpa
ARCHIV - 12.03.2008, Bayern, München: Eine grüne Meeresschildkröte schwimmt in ihrem Becken im Sea Life im Olympiapark. (Zu dpa "Grüne Meeresschildkröte in Thailand an Plastikmüll im Bauch verendet") Foto: Frank Leonhardt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ © dpa | Frank Leonhardt

Besorgniserregend ist das besonders im Hinblick auf die Grünen Meeresschildkröten. Die gefährdete Art leidet unter der Hochseefischerei, Überfischung und der Zerstörung ihrer Nistplätze. Das Archipel um Trinidade gehört zu den letzten Rückzugsorten der bedrohten Spezies. Die Verschmutzung kann zur tödlichen Gefahr für die Tiere werden, etwa wenn sich Schildkröten verheddern und ersticken. Im Gestein verschmolzenes Plastik kann darüberhinaus zur Weiterverbreitung von Mikroplastik führen.

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Plastik als Marker fürs Anthropozän

Laut einer Studie, die von Patricia Corcoran im Fachmagazin "GSA today" veröffentlicht wurde, sind die Plastiglomerate die geologische Manifestierung des Anthropozäns. Mit ihrem Team aus Geologen von der University of Western Ontario fand Corcoran an einem Strand in Hawaii Plastik-Stein-Verschmelzungen in einer Tiefe von bis zum 15 Zentimetern. Unter den Kunststoffmaterialien identifizierten sie Rückstände von Autoreifen, Rohren, Flaschendeckeln und Fischernetzen. In der Konsequenz geraten Mikropartikel aus krebserregenden Kunststoffen immer tiefer ins Ökosystem. Zwar sei die Ursache für die Plastiglomerate auf Hawaii direkt auf menschlichen Einfluss zurückzuführen. Angesichts der globalen Erwärmung, sei mit einem Fortschreiten des Phänomens durch Waldbrände, Lavaströme und Extremwetter zu rechnen.

Erstmals akademisch dokumentiert wurden Plastiglomerate 2006 vom US-Ozeanografen Charles Moore. An einem hawaiianischen Strand entdeckte er Plastikmüll, der durch Lagerfeuer mit Sand, Gestein und Korallenresten verschmolzen war. Seither wurde das Phänomen auf Madeira, an der koreanischen Küste sowie an den Stränden der Toskana entdeckt. Immer öfter treten Plastiglomerate auf, ohne dass der Mensch direkt an der Verschmelzung beteiligt ist. In extremster Form könnten ganze Strandabschnitte von einer Plastikkruste bedeckt werden. Einen Vorgeschmack drauf bietet die italienische Insel Giglio, wo sich Polyethlyn-Schmelzen über Teile des Kiesstrandes ausbreiten. Auf Madeira ist ein Strand bereits zu zehn Prozent davon bedeckt, wie "Spektrum" berichtet.