Berlin. Ob Solarzellen, E-Auto-Batterien oder Glasfaserkabel: Ohne die richtigen Rohstoffe geht es nicht voran. Was das für Europa bedeutet.

Die Ziele sind ehrgeizig: Bis 2030 sollen 80 Prozent des Bruttostroms grün sein, also aus erneuerbaren Energien wie Wind oder Solar stammen. Um den Emissionsausstoß im Verkehr zu reduzieren, will die Ampel-Koalition, dass bis 2030 15 Millionen Elektro-Autos über die Straßen surren. Und sechs Millionen Wärmepumpen sollen die einen wichtigen Teil der deutschen Wohnhäuser beheizen.

Der Fahrplan der Bundesregierung steht. Das verschärfte Klimaschutzgesetz lässt auch kaum Spielraum. Bis 2030 muss Deutschland seinen CO2-Ausstoß um 65 Prozent gegenüber 1990 gesenkt haben, 2045 soll das Land klimaneutral sein.

Klima: Europa hat nur begrenzte Rohstoff-Vorkommen

Doch ob nun E-Auto-Batterie, Windkraftturbine oder Glasfaserkabel: Ohne die dafür nötigen Rohstoffe wird es nichts mit der Klimawende. Und nicht zuletzt die Corona-Krise hat offenbart, wie fragil die Lieferketten sind. Halbleiter etwa, ohne die kein modernes Auto mehr fährt, kein Flugzeug abhebt und auch kein Handy funktioniert, waren eineinhalb Jahre lang absolute Mangelware.

In Europa allerdings lagern nur verhältnismäßige geringe Mengen der Rohstoffe, die für die Klimawende nötig sind. Deshalb will die Kommission der Europäischen Union (EU) am Dienstag einen Gesetzesentwurf zu kritischen Rohstoffen vorlegen. Darin soll aufgezeigt werden, wie Europa seine Abhängigkeiten verringern kann.

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E-Autos, autonomes Fahren, Windkraft: Rohstoffe werden gebraucht

Das wird kein leichtes Unterfangen, wie eine Analyse der Freiburger Denkfabrik Centrum für Europäische Politik (cep) zeigt, die unserer Redaktion vorliegt. Ökonom André Wolf, Leiter des Fachbereichs Technologische Innovation, Infrastruktur und industrielle Entwicklung, hat für die Analyse verschiedene Zukunftstechnologien und die dafür nötigen Rohstoffe unter die Lupe genommen.

Dass ohne Lithium gegenwärtig bei Elektro-Autos nichts geht, ist den meisten noch bekannt – auch wenn es bereits Forschungen gibt, wie die Lithium-Ionen-Batterie in Zukunft ersetzt werden könnte. Anders sieht das schon bei weiteren Zukunftstechnologien aus. Superschnelles Internet mittels 5G oder 6G lässt sich gegenwärtig nur ausbauen, wenn man neben Lithium etwa über Gallium, Indium und Tantal verfügt. Soll Kohlenstoffdioxid perspektivisch unterirdisch mittels der sogenannten CCS-Methode gelagert werden, wird Kobald und Vanadium benötigt. Und ohne seltene Erden sieht es sowohl beim Elektromotor als auch bei Sensoren für autonomes Fahren und Windkraft-Generatoren schlecht aus.

Seltene Erden stammen vor allem aus China

Nur: „Europa spielt als Lieferant auf den globalen Rohstoffmärkten bei den allermeisten der von uns betrachteten Mineralrohstoffe gegenwärtig entweder überhaupt keine oder eine nur sehr untergeordnete Rolle“, heißt es in der Analyse. Eine Ausnahme bildet lediglich Indium. Das silbrig-weiße Metall, das sowohl wichtig für Dünnschicht-Solarzellen als auch für Bildschirm-Displays ist, wird unter anderem in Frankreich gewonnen – allerdings als Nebenprodukt der Zinkschmelze. Das Zink wiederum stammt aus anderen Ländern. Die größten Vorkommen haben Australien und China, aber auch aus US-Minen landet viel in Europa an.

Ansonsten sieht es rar aus. So gibt es laut cep-Analyse in der EU beispielsweise nur zwei große Vanadium-Vorkommen. Das silbrigglänzende Metall wäre für die Kohlenstoffdioxid-Einlagerung wichtig. Produziert werde es in der EU ebenso wenig wie etwa Germanium. Und auch seltene Erden werden vor allem aus China eingefahren.

Partnerschaften mit Ländern wie Chile sollen helfen

Umso aufgeregter reagierte Europa, als im Januar das schwedische Bergbauunternehmen LKAB den größten Fund seltener Erden in Europa verkündete. Doch selbst wenn das Vorkommen, das eine Masse von einer Million Tonnen haben soll, erschlossen werden kann, so wird es wohl mindestens 15 Jahre dauern, bis die ersten seltenen Erden aus Kiruna in andere Länder verschifft werden.

Entsprechend abhängig wird Europa vorerst bleiben. Umso bedeutender werden strategische Partnerschaften. Ende Januar etwa reiste Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Brasilien, machte aber auch Station in Argentinien und Chile. Chile ist aufgrund seiner klimatischen Bedingungen für erneuerbare Energien wichtig, Ende des vergangenen Jahres nahm der Sportwagenbauer Porsche dort eine Pilotanlage zur Produktion von eFuels in Betrieb.

EU will stärker in Infrastrukturprojekte in Drittländer investieren

Aber auch andere Partnerschaften gewinnen an Relevanz. Deutschland und Australien etwa vereinbarten unlängst eine Wasserstoffpartnerschaft. Deutlich schwieriger ist die Lage im Kongo. Die zentralafrikanische Republik besitzt eines der üppigsten Rohstoffvorkommen der Welt. China hat das früh erkannt und sich wichtige Vorkommen mittels Partnerschaften erschlossen. Allerdings herrschen im Kongo Korruption und Gewalt, viele europäische Firmen zögern.

Die EU-Kommission hat in einem ersten Schritt bereits einen neuen Lösungsansatz versucht. Ende 2021 kündigte sie die „Global Gateway Initiative“ an, ein Gegenentwurf zu Chinas „neuer Seidenstraße“. Bis zu 300 Milliarden Euro sollen bis 2027 in Infrastrukturprojekte mit Drittländern fließen. Die Idee: Man wolle den Ländern eine Chance geben, vom eigenen Rohstoffreichtum mittels einer heimischen Infrastruktur im Land zu profitieren – und so eine Alternative zu China bieten.

Eine solche Idee könne funktionieren, glaubt Ökonom Henning Vöpel, langjähriger Leiter des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts und nun cep-Direktor. Mittels strategischer Partnerschaften könne die EU „das Verhältnis zu Ländern des globalen Südens verbessern und gegenüber China strategische Zugänge zu wichtigen Rohstoffen sichern“, sagte Vöpel. Auch Studienautor Wolf hält das Modell für geeignet. Nur muss es sich auch durchsetzen. Denn: „Fakt ist allerdings auch: Niemand wartet auf Europa“, schreibt Wolf.