Berlin. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni besucht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Wie soll man mit der Rechtspopulistin umgehen?

Als Giorgia Meloni im Oktober zur neuen Premierministerin Italiens gewählt wurde, schlugen die Wellen in Europa hoch. Die Chefin der rechtsextremen Partei Fratelli d’Italia hatte früher ihre Bewunderung für den Diktator Benito Mussolini nie verhehlt. Sie galt als Postfaschistin, die mit der EU auf Kriegsfuß steht. An diesem Freitag besucht sie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin. Ist Meloni eine Wölfin im Schafspelz, ein Polit-Chamäleon oder eine knallharte Pragmatikerin? Was hat sie bisher zustande gebracht – und wie soll man mit ihr umgehen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Welche Befürchtungen löste Melonis Wahl in Europa aus?

Zwischen Paris, Brüssel und Berlin war die Sorge groß, dass die EU-Skeptiker mit Meloni weiter Auftrieb bekommen. Mit dem Slogan „Italien zuerst“ punktete sie im Wahlkampf. Viele unkten: Ungarn und Polen, die als unsichere Kantonisten bei der Rechtsstaatlichkeit gelten, bekommen nun in Rom eine Bundesgenossin.

Welchen Kurs fährt Italien gegenüber Russland?

Die Ängste in Europa vor einem Ausscheren aus der Sanktionsfront bewahrheiteten sich nicht. Melonis rechtspopulistische Koalitionspartner – Silvio Berlusconi von der Forza Italia und Matteo Salvini von der Lega – stellen sich gern als Putin-Freunde dar. Berlusconi bekam zum 86. Geburtstag sogar 20 Flaschen Wodka vom Kremlchef geschenkt.

Doch die frischgebackene Ministerpräsidentin sandte kurz nach ihrem Wahlsieg eine Solidaritätsadresse an den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj: „Sie wissen, dass Sie auf unsere loyale Unterstützung für die Sache der Freiheit des ukrainischen Volkes zählen können. Bleiben Sie stark und halten Sie am Glauben fest.“

Italien beteiligt sich nicht nur an den wirtschaftlichen Strafmaßnahmen der EU gegen Russland. Die Regierung liefert auch Waffen an die Ukraine – darunter schwere Artilleriegeschütze, Stinger-Raketen und leicht gepanzerte Truppentransporter.

Wie ist das Verhältnis von Meloni zur EU?

Immer mehr zeigt sich die einstige Euroskeptikerin als pragmatische Staatsfrau. Meloni hat alles ihrem großen strategischen Ziel untergeordnet: Sie will die Vorgaben Brüssels erfüllen, um die gigantische europäische Corona-Wiederaufbauhilfe in Höhe von 192 Milliarden Euro zu erhalten. Deshalb ist sie bemüht, die Vereinbarungen des Vorgänger-Kabinetts unter Mario Draghi einzuhalten.

Befürchtungen einer exzessiven Ausgabenpolitik bewahrheiteten sich bisher nicht. Italien sitzt mit einem Staatsdefizit von rund 150 Prozent der Wirtschaftsleistung nach Griechenland auf dem zweithöchsten Schuldenberg Europas. In der Eurokrise galt das Land immer wieder als Risikofaktor, der die Gemeinschaft in den finanzpolitischen Abgrund ziehen könnte.

Doch Meloni gab bislang keinen Anlass für Horror-Szenarien. Die Rechtsparteien hatten im Wahlkampf viel versprochen – darunter eine Flat-Tax von 15 Prozent für alle Selbstständigen, eine umfangreiche Steueramnestie und die Erhöhung der Mindestrenten. Diese Zusagen hat Meloni im Budgetplan für 2023 teilweise eingehalten, ohne jedoch den Finanzrahmen zu sprengen.

Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, fand lobende Worte über die italienische Spitzenpolitikerin. „Meloni ist bei Europa konstruktiv, steht an der Seite der Ukraine, und beim Rechtsstaat gibt es in Italien keine Probleme“, sagte der CSU-Vizevorsitzende unserer Redaktion. Für ein europäisches Bündnis mit der rechtsextremen Partei Fratelli d’Italia zeigte er sich offen.

Italien: Welche Linie fährt Meloni beim Thema Migration?

Meloni verfolgt zwar einen harten Kurs, setzt aber gleichzeitig auf den Dialog mit Brüssel. Die Regierung verabschiedete ein Gesetz, das die Einsätze von zivilen Seenotrettern im Mittelmeer deutlich erschwert. Hilfsorganisationen werden beschuldigt, mit ihren Rettungseinsätzen Schlepper zu unterstützen. Außerdem fordert Italien, dass Europa Abkommen mit den Herkunftsländern der Migranten abschließt. So will Italien künftig Libyens Küstenwache stärker im Kampf gegen illegale Migration unterstützen. Dennoch: De facto landen nach wie vor Rettungsschiffe in italienischen Häfen – anders als beim Blockadekurs unter Innenminister Salvini 2018 und 2019.

Meloni sucht beim Gespräch mit Scholz Deutschlands Rückendeckung mit Blick auf den EU-Sondergipfel am 9. und 10. Februar. Ihr geht es dabei auch um Asylverfahren in Drittstaaten. Melonis Linie: Abgelehnte Asylwerber sollten verstärkt in ihre Heimat abgeschoben werden.

Wie will Scholz mit Meloni umgehen?

Bisher hat Scholz keine Probleme mit Meloni, die Zusammenarbeit läuft professionell. Ende Januar telefonierte der Kanzler mit der Italienerin sowie mit den Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien und den USA. Alle seien sich einig gewesen, „die militärische Unterstützung der Ukraine in enger euro-atlantischer Abstimmung fortzusetzen“, teilte die Bundesregierung mit. Im Konflikt mit Russland steht Italien an der Seite der Ukraine – für Scholz die wichtigste Erkenntnis in der bisherigen Zusammenarbeit mit der Ministerpräsidentin.

Wie denkt man in den Parteien über Meloni?

Auch in der SPD ist man um Verständigung bemüht. „Bisher haben wir keinen Bruch in der italienischen Außenpolitik erlebt. Italien ist Mitglied von EU und Nato und wird das auch unter Meloni bleiben“, sagte der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid unserer Redaktion. Aber: „Wir müssen wachsam bleiben“, so Schmid. „Wir beobachten eine sehr ungute Annäherung der konservativen Europäischen Volkspartei an Meloni und ihre rechtsradikale Partei Fratelli d’Italia.“

Kritischer äußern sich die Grünen. „Angesichts der großen europapolitischen Herausforderungen, vor denen wir stehen, ist Italien ein wichtiger europäischer Partner. Wir dürfen uns allerdings nicht vom zuletzt zurückhaltenden Auftreten von Ministerpräsidentin Meloni täuschen lassen. Meloni ist noch immer die Vertreterin einer postfaschistischen Partei, die extrem rechte Positionen vertritt“, sagte der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter, unserer Redaktion. Es sei „höchst bedenklich“, dass sich CSU-Mann Manfred Weber europaweit für eine Kooperation von Christdemokraten mit ihrer Partei einsetze.

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Jürgen Hardt, sagte unserer Redaktion: „Die Regierung von Ministerpräsidentin Meloni sollte an den drei wichtigsten Themen gemessen werden: ihrer EU-Politik, der Einhaltung rechtsstaatlicher Regeln und ihrer Unterstützung für die Ukraine. Bei allen drei Punkten muss man festhalten, dass die Regierung die Erwartungen ihrer Partner erfüllt hat.“