Brasilia. Scholz lobt Brasiliens Präsidenten Lula als Hoffnungsträger. Beim Thema Ukraine muss sich der Kanzler um Schadensbegrenzung bemühen.

Olaf Scholz und Lula umarmen sich. Gerade hat der Kanzler dem brasilianischen Präsidenten noch einmal gesagt, wie froh er über dessen Wiederwahl ist: "Wir freuen uns alle, dass Brasilien zurück auf der Weltbühne ist.“

Für ihn ist Luiz Inacio Lula da Silva ein Hoffnungsträger. Lula klopft dem Deutschen erfreut auf den Rücken. Einige Minuten später spricht der Präsident über den Krieg in der Ukraine – und es wird deutlich, dass der brasilianische Staatschef nicht alle Erwartungen des Bundeskanzlers erfüllen wird.

Klimaschutz: Der Amazonas ist unverzichtbar fürs Weltklima

Brasilien ist die letzte Station der Südamerika-Reise des Kanzlers. Scholz betont die "Schlüsselrolle“ des Landes für das Weltklima. Ohne den Erhalt des brasilianischen Regenwaldes könnten die Lebensgrundlagen der Menschheit nicht gesichert werden. Lulas Bekenntnis zum Schutz der Waldflächen sei eine "sehr gute Nachricht für unseren Planeten“, lobt der Kanzler das Versprechen des Präsidenten, die Abholzung des Amazonas bis 2030 zu stoppen.

Viehwirtschaft und Bodenspekulation fressen immer größere Lücken in den brasilianischen Urwald. Unter Lulas rechtsradikalem Vorgänger Jair Bolsonaro hatte die Entwaldung im Amazonasgebiet massiv zugenommen. Umweltschützer, Klimaaktivisten und auch die Bundesregierung atmeten erleichtert auf, als sich der Linkspolitiker vergangenes Jahr gegen Bolsonaro durchsetzte, wenn auch mit einem äußerst knappen Wahlergebnis.

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"Von seinem Erfolg hängt viel ab – für uns alle“, sagt die zeitgleich mit Scholz nach Brasilien gereiste Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze. Die SPD-Politikerin kündigt in Brasilia weitere Gelder an, um den Regenwald und die Artenvielfalt in Brasilien zu schützen. Auf 200 Millionen Euro summieren sich damit die Mittel eines deutschen Sofortprogramms zu Lulas Unterstützung. Das sei erst der Anfang, verspricht Scholz. "Wir werden da weitermachen.“

In dem Gespräch hinter verschlossenen Türen soll Lula sich allerdings gegen eine EU-Richtlinie ausgesprochen haben, die künftig in Europa Waren verbietet, für die Gebiete entwaldet wurden. Das betrifft etwa Soja, Rindfleisch, Palmöl und Holz sowie daraus hergestellte Produkte. Wie denn das dazu passe, dass Lula sich als der große Retter des Regenwaldes feiern lasse, wird kritisch aus der deutschen Delegation gefragt.

Lula regierte schon einmal von 2003 bis 2011. Am 1. Januar trat der 77-Jährige erneut das Amt als Präsident des fünftgrößten Landes der Welt an. Die Ausgangslage ist denkbar schwierig. Nur wenige Tage nach Lulas Amtsantritt stürmten tausende Bolsonaro-Anhänger den Präsidentenpalast sowie den Kongress und das Oberste Gericht. Ihr Ziel: der Sturz des Präsidenten. Es gab hunderte Festnahmen. Offenbar wurden die Bolsonaro-Anhänger von Sicherheitskräften unterstützt.

Ukraine-Krieg: Tiefe Differenzen zwischen Lula und Scholz

Die Wunde dieses Angriffs auf die brasilianische Demokratie klafft weit offen, die Spuren der Verwüstung bekommt auch Scholz zu sehen. Als der Kanzler im Präsidentenpalast mit militärischen Ehren empfangen wird, geht er an ausgeschlagenen Fenstern vorbei, die mit Holzplatten abgedeckt sind. Scholz äußert sich "tief betroffen“, er sieht darin eine Mahnung, "dass wir alles tun müssen, um die Demokratie zu verteidigen“.

Für seinen Südamerika-Besuch wählte Scholz mit Argentinien, Chile und Brasilien drei demokratische Staaten aus, mit denen er enger zusammenarbeiten will: beim Klimaschutz, dem Ausbau umweltfreundlicher Energien, beim Handel mit Rohstoffen. Auf allen Stationen spricht Scholz zudem den russischen Angriff auf die Ukraine an. Er will damit das Zeichen an Russlands Staatschef Wladimir Putin senden, dass er sich mit seinem Krieg isoliert. Demokratien müssten weltweit zusammenstehen, um eine Rückkehr des Rechts des Stärkeren zu verhindern, sagt Scholz in Brasilia.

Lula schlägt China als Vermittler zwischen Ukraine und Russland vor

Ab hier verläuft die Pressekonferenz jedoch deutlich anders als vom Kanzler erhofft. Es war noch damit zu rechnen, dass Lula die Lieferung von knapper Panzer-Munition an die Ukraine ablehnt. Ob er immer noch – wie noch im Mai – den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj für ebenso verantwortlich für den Krieg halte wie Putin, wird Lula gefragt. "Wenn einer nicht will, streiten sich zwei nicht“, antwortet der Linkspolitiker mit einem brasilianischen Ausspruch. Man wisse zudem nicht, warum der Krieg angefangen habe.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Wohl aus Höflichkeit fährt Scholz dem vorher von ihm hochgelobten Gastgeber nicht direkt in die Parade. Für den Kanzler ist die Ursache des Kriegsbeginns eindeutig – Putins Überfall auf das Nachbarland. Auf Nachfrage redet Scholz darüber hinweg, was er von Lulas Idee für einen Frieden hält:

Der Präsident schlägt eine Verhandlungsgruppe von Staaten vor, die beide Seiten akzeptieren. Lula erklärt sich zur Teilnahme an Friedensgesprächen bereit und nennt Indien, Indonesien und mehrfach Russlands engen Verbündeten China als mögliche Vermittler. Es sei ein Fehler von Russland gewesen, beim Angriff nicht zu wissen, wie der Krieg enden solle, fügt er noch hinzu.

Ukraine-Krieg: Klare Meinungsverschiedenheiten

Scholz hatte erwartet, dass Lula nicht in allen Punkten seine Einschätzung zum Krieg teilt. Aber solche Meinungsverschiedenheiten? Der Kanzler bemüht sich, den Auftritt zu retten. "Es gibt eine klare gemeinsame Haltung, dass wir den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilen“, schiebt der Kanzler den Ausführungen Lulas hinterher. Einen Frieden dürfe es nicht über die Köpfe der Ukrainer hinweg geben, der erste Schritt dazu sei ein Rückzug der russischen Truppen. Lula stimmt nicht zu, er widerspricht aber auch nicht. Immerhin.