Berlin. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) tritt zurück. Mehrere Kandidaten kommen als Nachfolger infrage. Wir stellen sie vor.

  • Christine Lambrecht (SPD) hat ihr Amt als Verteidigungsministerin niedergelegt
  • Jetzt muss die SPD um Kanzler Scholz einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin finden
  • Mehrere Kandidaten kommen als Verteidigungsminister infrage – wir stellen Sie euch vor

Der Rücktritt von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht stellt Kanzler Olaf Scholz und die SPD-Spitze vor der Frage, wer die 57-Jährige an der Spitze des schwierigen Ministeriums ersetzen soll. Nachdem Lambrecht über ein Jahr lang erkennbar Probleme hatte, sich im Verteidigungsressort zurechtzufinden, wird vom Koalitionspartner FDP ein Nachfolger mit Fachkenntnissen gefordert.

Zu beachten ist aber auch, dass Scholz ein zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen besetztes Kabinett versprochen hat. Damit müsste erneut eine Frau das Ministerium besetzen – es sei denn, der Kanzler nimmt Lambrechts Rückzug zum Anlass für eine größere Kabinettsumbildung. Ein Überblick über die möglichen Nachfolger. Auch interessant: Großer Zapfenstreich – Wie und wann wird Christine Lambrecht verabschiedet?

Verteidigungsministerin Lambrecht tritt zurück: Diese Frau könnte sie jetzt beerben

Die 54-jährige Sozialdemokratin Eva Högl ist derzeit die Wehrbeauftragte des Bundestags und in dieser Rolle die Anwältin und der „Kummerkasten“ der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Diesen Posten übt die gelernte Juristin seit knapp drei Jahren aus, seitdem hat sich Högl tiefe Kenntnisse über den Zustand der Truppe verschafft. In einem aktuellen Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ fordert Högl, dass zur Modernisierung der Bundeswehr bereitgestellte Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zu verdreifachen.

Als Wehrbeauftragte gilt Högl als „Anwältin“ der Bundeswehrsoldaten.
Als Wehrbeauftragte gilt Högl als „Anwältin“ der Bundeswehrsoldaten. © dpa | Wolfgang Kumm

In der Bundeswehr werden solche Forderungen gerne gehört. Bei einem Wechsel ins Amt der Verteidigungsministerin müsste sich Högl allerdings an ihren Aussagen als Wehrbeauftragte messen lassen. Ein solcher Rollenwechsel von der Anwältin zur Chefin der Soldatinnen und Soldaten wäre nicht ganz einfach, ließe sich aber bewerkstelligen. Lesen Sie auch: So viel Geld steht Lambrecht nach ihrem Rücktritt zu

Erfahrung in der Leitung eines großen Apparats hat Högl nicht, vor ihrer Wahl zur Wehrbeauftragten war sie Bundestagsabgeordnete der SPD mit den Fachgebieten Innen- und Justizpolitik sowie stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Ein Vorteil einer Berufung Högls wäre für Scholz neben ihrer Fachkenntnis, dass er sein Paritätsversprechen bei der Besetzung des Kabinetts einhalten würde.

Verteidigungsministerium sucht neuen Chef: Dieser Spitzenpolitiker gilt als fachlich versiert

Das wäre nicht der Fall, wenn SPD-Chef Lars Klingbeil das Verteidigungsministerium übernehmen würde. Der 44-Jährige galt schon nach der Bundestagswahl als möglicher Kandidat für die Besetzung des Ressorts. Klingbeil und seine Mitvorsitzende Saskia Esken entschieden sich allerdings, nicht ins Kabinett zu gehen und die Führung der Partei und die Regierungsverantwortung zu trennen. Bisher sind alle Beteiligten gut damit gefahren. Das Verhältnis zwischen Scholz und der SPD-Spitze ist konfliktfrei, Klingbeil und Esken können freier agieren als es ihnen als Mitglieder des Kabinetts möglich wäre.

Er kommt aus einer Soldatenfamilie: SPD-Chef Lars Klingbeil.
Er kommt aus einer Soldatenfamilie: SPD-Chef Lars Klingbeil. © dpa | Kay Nietfeld

Klingbeil gilt als fachlich versiert: Der Niedersachse ist der Sohn eines Berufssoldaten und wuchs am Bundeswehrstandort Munster auf. Dort hat Klingbeil seinen Wahlkreis – sein Kontakt zu der Truppe vor Ort gilt als eng. Als Bundestagsabgeordneter war Klingbeil mehrfach Mitglied im Verteidigungsausschuss, derzeit ist er stellvertretendes Mitglied.

Zuletzt versuchte Klingbeil, die außenpolitische Haltung der SPD infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine neu auszurichten. „Deutschland muss den Anspruch einer Führungsmacht haben“, forderte er und rief zu einer realistischen Einschätzung auf: „Friedenspolitik bedeutet für mich, auch militärische Gewalt als ein legitimes Mittel der Politik zu sehen.“ Das kam nicht bei allen in der SPD gut an.

Wolfgang Schmidt gilt als enger Scholz-Vertrauter

Der 52-Jährige Kanzleramtsminister ist einer der engsten Vertrauten von Scholz. Der gebürtige Hamburger war ab 2002 für den damaligen SPD-Generalsekretär erst persönlicher Referent, dann Büroleiter. 2010 bis 2011 arbeitete er für die Internationale Arbeitsorganisation (ILO). Danach war er wieder an Scholz' Seite, als dieser Erster Bürgermeister von Hamburg wurde, und wechselte 2018 auch mit ihm ins Finanzministerium. Dort war Schmidt Staatssekretär für Grundsatzfragen sowie internationale Themen. Ob Schmidt für Scholz im Kanzleramt verzichtbar ist, gilt als fraglich.

Wolfgang Schmidt (SPD), Chef des Bundeskanzleramtes, spricht auf der
Wolfgang Schmidt (SPD), Chef des Bundeskanzleramtes, spricht auf der "Digital Life Design" (DLD) Konferenz. © Lennart Preiss/dpa

Christine Lambrecht tritt zurück: Auch Siemtje Möller könnte sie beerben – wer ist Sie?

Außenseiterchancen auf die Nachfolge Lambrechts hat Siemtje Möller. Die 39-jährige Sozialdemokratin ist seit Beginn der Legislaturperiode parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium und dort unter anderem zuständig für die Bereiche Cyber- und Informationstechnik, Führung der Streitkräfte, Strategie und Einsatz sowie Personal. In der vorherigen Wahlperiode machte sich Möller im Verteidigungsausschuss einen Namen. Nach der Fehlbesetzung mit Lambrecht dürfte Scholz aber geneigt sein, das Verteidigungsministerium mit einer erfahrenen Persönlichkeit zu besetzen.

Siemtje Möller ist parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium.
Siemtje Möller ist parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium. © AFP | Fabian Bimmer

Neuer Verteidigungsminister ein alter Bekannter? Auch dieser SPD-Mann wird als Nachfolger gehandelt

Das führt die Suche nach einem Lambrecht-Nachfolger zu dem Arbeitsminister, der als mit allen Wassern gewaschenes Schlachtross gilt. Der 50-Jährige ist seit Jahren ein verlässlicher Leistungsträger in der SPD, seinen derzeitigen Job übt er mit Leidenschaft aus: In Kürze will Heil eine Rentenreform vorlegen. Dass Scholz nun „Hubi“, wie Heil von Parteigenossen auch genannt wird, bitten könnte, den Schleudersitz Verteidigungsressort zu übernehmen, wird in SPD-Kreisen als mögliche Option diskutiert.

Wenn der Kanzler das Arbeitsministerium dann mit einer Frau nachbesetzt, wäre auch das Versprechen eingehalten, dass sich das Verhältnis von Ministerinnen und Ministern im Kabinett die Wage hält. Für eine größere Kabinettsumbildung spricht, dass weiterhin ein Fragezeichen hinter der Zukunft von Bundesinnenministerin Nancy Faeser steht. Die 52-Jährige ist Vorsitzende der Hessen-SPD und gilt als wahrscheinlichste Kandidatin für die Spitzenkandidatur ihrer Partei für die Landtagswahl im Herbst.

Hubertus Heil gilt als „Allzweckwaffe“ in der SPD.
Hubertus Heil gilt als „Allzweckwaffe“ in der SPD. © dpa | Fabian Sommer

Eine Entscheidung darüber sollte bisher im Februar fallen. Offen ist noch, ob Faeser ihren Job als Ministerin dann auch umgehend abgeben würde, um den Eindruck zu vermeiden, dass sie ein „Rückfahrticket“ nach Berlin behalten will, falls es mit einem Wahlsieg in Hessen nichts wird. Kommt es zu einem größeren Stühlerücken im Kabinett, dürfte das auf die SPD-Minister beschränkt bleiben. FDP und Grüne haben derzeit kein Interesse daran, an ihrem Personal etwas zu ändern.