Berlin. Milliardär Elon Musk hat eine Abstimmung über seinen Chefposten bei Twitter gestartet - und sie nun verloren. Was steckt dahinter?

Die Mehrheit der Twitter-Nutzer will, dass Elon Musk als Chef des Kurznachrichtendienstes zurücktritt. Aber wird der Tech-Milliardär wirklich seinen Hut nehmen? Und wer würde seine Nachfolge antreten?

Nach zwei Monaten an der Konzernspitze überraschte Musk mit der Ankündigung einer Umfrage: "Soll ich als Chef von Twitter zurücktreten? Ich werde mich an die Ergebnisse dieser Umfrage halten", versprach er in einem Tweet in der Nacht zu Montag.

Twitter: Musk lässt Nutzer über Chefposten abstimmen

Schon nach einer guten Stunde wurde klar, in welche Richtung der Trend geht: Deutlich mehr als die Hälfte vertrat die Auffassung, dass das Social Media Netzwerk ohne Musk besser dran wäre, woraufhin er twitterte: "Seid vorsichtig mit dem, was Ihr Euch wünscht, denn manchmal kann das auch in Erfüllung gehen".

Am Montagmorgen sprach das Endergebnis eine klare Sprache: Mehr als 17,5 Millionen Personen mit Twitter-Konten hatten ihr Votum abgegeben. 57,5 Prozent meinten, dass Musk nach zwei chaotischen Monaten am Ruder das Handtuch werfen solle. Nur 42,5 Prozent sprachen ihm das Vertrauen aus und wollen, dass einer der reichsten Erdenbürger auch künftig die Geschäfte führt.

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Seitdem Musk das Unternehmen übernommen hatte, geht es bei der Plattform chaotisch zu. Der Milliardär musste viel Kritik einstecken – zuletzt, weil er die Konten von Journalisten sperren ließ, die kritisch über ihn berichtet hatten.

Musk versprach in einem Tweet, größere Änderungen der Richtlinien für die Plattform künftig ebenfalls zur Abstimmung zu stellen. "Ich bitte um Entschuldigung. Wird nicht wieder vorkommen."

Abstimmung bei Twitter: Elon Musk stellte seinen Posten als Twitter-Chef zur Disposition.
Abstimmung bei Twitter: Elon Musk stellte seinen Posten als Twitter-Chef zur Disposition. © Screenshot Twitter / Funke Mediengruppe

Indes gibt es Kritik an der Abstimmung. Ein Investor unter dem Namen @iamraisini wies darauf hin, dass es sich um Augenwischerei Musks handeln könnte, um mögliche Investoren aus Katar und Saudi-Arabien zufriedenzustellen. Im Oktober hatte Musk den Kurznachrichtendienst für 44 Milliarden Dollar übernommen. Branchenexperten meinen, dass sein chaotischer Führungsstil das Unternehmen in eine tiefe Krise gestürzt hat und zu dem Verlust von Werbeeinnahmen in Milliardenhöhe geführt hat.

Twitter: Resonanzboden für Extremisten im Namen der Meinungsfreiheit

Schließlich hatte er den Job mit der Begründung angenommen, ein Vorkämpfer für Meinungsfreiheit zu sein. Daher erwäge er, viele der unter Twitter-Gründer Jack Dorsey gesperrten Konten wieder freigeben zu wollen, unter anderem das des ehemaligen Präsidenten Donald Trump. Dessen Account war nach dem Aufstand im Kapitol im Januar vergangenen Jahres gesperrt worden.

Zwischenzeitlich steht es nicht nur Trump frei, wieder zu twittern, der es bislang allerdings - schon aus vertraglichen und finanziellen Gründen - vorzieht, bei seiner eigenen Plattform "Truth Social" zu bleiben. Auch sind aber die Konten vieler Neonazis und rechtsgerichteter Extremisten wieder aktiv. Kritiker meinen, dass es allein an Musk liege, dass unkontrollierte, manchmal rassistisch motivierte Hasstiraden auf der Plattform wieder zur Tagesordnung gehören.

Twitter: Musk irritierte Investoren und Sponsoren

Kritik musste der Milliardär auch an seinem Führungsstil einstecken. So entließ er 7.500 Mitarbeiter und mutete allen, die an Bord blieben, unmögliche Arbeitszeiten zu. Der Exodus an leitenden Mitarbeiter mündete in einer Führungskrise. Musk selbst, verzweifelt über den Aderlass und die sich häufenden Verluste, übernachtete sogar in der Konzernzentrale und verärgerte damit wiederum Mitarbeiter sowie Aktionäre seiner zwei anderen Flaggschiffe, nämlich des Autoherstellers Tesla und Raumfahrt-Unternehmens SpaceX.

Diese mussten tatenlos zusehen, wie ihre Anteile an Wert verloren hatten, während der Unternehmer seine Zeit fast ausschließlich seinem neuen "Spielzeug" zu widmen schien. Unterdessen gingen die Verluste in die Milliarden.

Wie die Organisation "Media Matters for America" berichtete, hat Twitter mittlerweile mehr als die Hälfte seiner Top-Sponsoren verloren. Dazu zählten Branchengiganten wie die Autokonzerne Ford, Chevrolet und Jeep, die Pharma-Multis Merck und Novartis sowie andere prominente Adressen. Wie der Medien-Analyst Dai Ives von dem Wertpapierhaus Wedbush Securities glaubt, wird der Massenexodus an Sponsoren zu Verlusten von vier Milliarden Dollar pro Jahr führen.

Twitter: Macht Trumps Schwiegersohn das Rennen?

Wer aber wird die Konzernspitze übernehmen, sollte Musk tatsächlich das Handtuch werfen? Seine Umfrage inspirierte sogar Nachahmer, die mit dem Job liebäugeln. So startete der berühmte Rapper Snoop Dog seine eigene Befragung. Demzufolge will eine klare Mehrheit seiner Follower den Entertainer an der Unternehmensspitze sehen. Zu den ernstzunehmenden Kandidaten zählen hingegen einige der Großinvestoren, die zusammen mit Musk einstiegen.

Unter ihnen sind weniger bekannte Namen, etwa Jason Calacanis, David Sacks, Sriram Krishnan und Andreessen Horowitz. Zudem hat sich Lex Fridman ins Gespräch gebracht, ein prominenter Forscher auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz. Derweil gilt auch der Immobilienunternehmer und Ehemann von Ivanka Trump, Jahred Kushner, zu den möglichen Favoriten.

Er hatte bei dem WM-Finale in Katar neben Musk gesessen und soll sein Interesse an dem Spitzenjob bei dem Kurznachrichtendienst bekundet haben. Sollte es dazu kommen, könnte die Präsidentschaftskampagne seines Schwiegervaters. die seit den US-Zwischenwahlen im November bedenklich ins Wanken geraten ist, eine völlig neue Dimension bekommen.