Berlin. Im Rennen um Gas für die Versorgungssicherheit riskiert die Bundesregierung die Klimaziele. Das darf nicht passieren. Ein Kommentar.

Es ist kalt in Deutschland, und die Geschwindigkeit, mit der bei diesen Temperaturen die Gasvorräte schwinden, lässt einen noch zusätzlich frösteln. Die befürchtete Gasmangellage ist immer noch weit weg – aber doch ein Stückchen näher als noch vor einigen Tagen.

Gute Nachrichten in Sachen Energieversorgung kann das Land also gut gebrauchen. Und dass schon kommende Woche die erste Lieferung Flüssigerdgas umgewandelt und ins deutsche Netz eingespeist werden soll, ist ohne Frage eine gute Nachricht. Mehr zum Thema: Erster LNG-Anleger fertig – Wann hat Deutschland genug Gas?

Auch das Tempo, mit dem das schwimmende Terminal in Wilhelmshaven auf die Beine gestellt wurde, ist bemerkenswert. Die Öffentlichkeit, die einschlägige Flughafen- oder Bahnhofsprojekte in Erinnerung hat, reibt sich erstaunt die Augen, was auf einmal möglich ist, wenn ausreichend Druck da ist.

Bau von LNG-Terminals: „Schweinswal-Fan“ Habeck macht Abstriche beim Umweltschutz

Ja, es gibt Abstriche beim Umweltschutz, die schwer wiegenAbstriche beim Umweltschutz, die schwer wiegen. Wie gravierend die Folgen des LNG-Terminal-Baus für das Leben unter Wasser sein werden, zum Beispiel für die Schweinswale in der Nordsee, lässt sich noch nicht absehen – auch nicht für Robert Habeck, den selbsterklärten „vermutlich größten Schweinswal-Fan in der Bundesregierung“. Doch selbst mit dieser Einschränkung bleibt es unter dem Strich eine gute Sache, dass Deutschland eine weitere Möglichkeit geschaffen hat, Gas ins Land zu bekommen.

Genauso wichtig wie die kurzfristige Versorgungssicherheit ist aber die langfristige Perspektive hin zu einer klimaneutralen Energieversorgung. Und da löst das eifrige LNG-Engagement der Ampel-Koalition kein so wohliges Gefühl aus.

Es ist ein bisschen, als wäre die Bundesregierung hungrig in den Supermarkt gegangen: Eingekauft wurde offenbar praktisch alles, was man kriegen konnte. Die Frage, wie viel eigentlich nötig ist, um den Hunger zu stillen, stand hinten an. Aktuell ist die Bundesrepublik auf dem Weg, Kapazität für mehr LNG-Importe zu schaffen als je Gas aus Russland geliefert wurde – und das in einer Situation, in der die Verbrauchskurve eigentlich dringend nach unten gehen muss. Lesen Sie auch: Gas-Deal – Katar gibt Abkommen mit Deutschland bekannt

Klimaschutz: Darauf zu hoffen, dass es schon gut gehen wird, ist kein Plan

Nicht alles, was jetzt geplant wird, muss am Ende tatsächlich entstehen. Und dass jedes Terminal seine Kapazität voll ausschöpft, ist auch nicht zwingend nötig. Bestenfalls gibt die Bundesregierung jetzt also viele Milliarden aus, um Infrastruktur zu schaffen, die am Ende nicht genutzt wird. Schlimmstenfalls wird diese, wenn sie einmal da ist, aber eben doch vollständig genutzt – und vernichtet dann jede Chance, die deutschen Klimaziele doch noch zu erreichen. Dass man die Terminals ohne größere Umbauten auch für Wasserstoff oder seine Derivate einsetzen könne, ist dabei eher ein frommer Wunsch als ein belastbarer Plan.

Darauf zu hoffen, dass es schon gut gehen wird, reicht nicht aus. Diese Erfahrung haben Klimaschützerinnen und -schützer oft genug gemacht – und auch in Habecks Haus sitzen einige Fachleute, die das sehr genau wissen müssten. Der Bundeswirtschaftsminister und sein Team müssen deshalb jetzt beweisen, dass sie vor lauter Bemühen um die Versorgungssicherheit nicht den Klimaschutz aus den Augen verloren haben.

Der Ausbau der Erneuerbaren und der dafür nötigen Infrastruktur muss jetzt mit mindestens ebenso viel Geschwindigkeit kommen wie bei den LNG-Terminals, damit die klimafreundlichen Alternativen das Gas so schnell wie möglich überflüssig machen. Ob Robert Habeck (Grüne) am Ende seiner Amtszeit nicht nur als Wirtschafts-, sondern auch als Klimaschutzminister gute Nachrichten haben wird, wird sich messen lassen: In Tonnen Treibhausgasen, die eingespart wurden oder eben auch nicht.