Washington. Bei der Oscar-Verleihung 2022 schlug Will Smith dem Comedian Chris Rock live im TV. Jetzt könnte er dennoch einen Oscar gewinnen.

Tom Hanks und Spencer Tracy. Das war’s. Mehr Hollywood-Giganten haben es in der Geschichte der Oscars nicht geschafft, in zwei aufeinander folgenden Jahren den Goldjungen für die beste Hauptrolle mit nach Hause zu nehmen.

Wer die manchen Magen umdrehenden und permanent unter die Haut gehenden zweieinviertel Stunden von „Emancipation” im Kino hinter sich gebracht hat (Streamer weltweit müssen sich noch bis zum 9. Dezember gedulden), könnte auf die Idee kommen, dass Will Smith am 12. März nächsten Jahres bei der 95. Verleihung gute Chancen hat, der Dritte im Bunde zu werden. Von „Oscar-Köder” ist bereits die Rede; wohlmeinend. Und von einem der intensivsten Filme des Jahres.

Wie der 54-Jährige die Geschichte des historisch verbrieften „Whipped Peter” (Ausgepeitschter Peter) spielt, der um die Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges in den 1860er- Jahren als schwer misshandelter Sklave von einer Plantage im Südstaat Louisiana flieht, übersteigt in Intensität und existenziellen Urgewalt sogar die Kraft von „King Richard”. Und dafür bekam Smith schließlich im Frühjahr den Hauptpreis; unter den bizarrsten Umständen in der Geschichte Hollywoods.

Will Smith: Ohrfeige bei Oscar-Verleihung 2022

Man erinnert sich daran wie an das Weihnachtsfest 1973, als Onkel W. beim Lametta-Schmücken mit zu viel Mariacron intus von der Leiter in den Christbaum fiel: Chris Rock, der schwarze Comedian mit der frechen Schnüss, hatte als Moderator des Abends einen verklausulierten Witz über den kahl geschorenen Kopf von Jada Pinkett Smith gemacht, der an kreisrundem Haarausfall leidenden Gattin von Will Smith.

Der meckerte erst lautstark Obzönes, stand dann auf, ging in aller Seelenruhe zu Rock und verpasste ihm auf offener Bühne live vor einem Millionen-Publikum am Fernseher eine krachende Ohrfeige. Nach einigen Schrecksekunden im Saal war allen klar: Das war kein Stunt, das war Gewalt. Ein Novum.

Will Smith verpasste dem Moderator Chris Rock auf der Bühne bei der 94. Verleihung des Oscars eine Ohrfeige.
Will Smith verpasste dem Moderator Chris Rock auf der Bühne bei der 94. Verleihung des Oscars eine Ohrfeige. © Chris Pizzello/Invision/AP/dpa

Dennoch: 30 Minuten später bekam der in Philadelphia geborene Smith die Trophäe als bester Hauptdarsteller in dem Film über den Tenniswunderkinder-Vater Richard Williams überreicht. In einer höchst ambivalenten, tränendrüsigen Dankesrede bat Smith die Filmakademie und das Publikum um Verzeihung. Nicht aber Chris Rock.

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Verbannung von Oscar-Zeremo­nien bis 2023

In diesem Moment schien die Karriere des aus Filmen wie „I am Legend” oder „Men in Black” bekannten Mimen am ganz dünnen Faden zu hängen. Die Film-Akademie verbannte ihn bis 2032 aus allen Oscar-Zeremo­nien. Smith selber legte seine ­Akademie-Mitgliedschaft nieder. Was aber nicht heißt, dass er nie mehr für einen Oscar nominiert werden darf.

Genau dazu, orakeln die Fach-Magazine der Film-Industrie, kann es kommen, wenn mit dem breiten Film-Start von „Emancipation” via Apple TV+ ein der historischen Wirklichkeit entlehntes Foto Verbreitung findet.

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Es zeigt Smith alias „Whipped Peter” mit einem grausam von Peitschenhieben zerschundenen Rücken. Das Original-Foto aus 1863 ging um die Welt und brachte die später unter Abraham Lincoln offiziell abgeschaffte Sklaverei international in Verruf.

Weil die Oscar-Jury eine Ader für Historien-Schinken hat, die unbeugsame Underdog-Willenskraft feiern, ist eine Auszeichnung Smiths (die er in Abwesenheit zugesprochen bekäme) „nicht ausgeschlossen”, heißt es Los Angeles.

Will Smith: Entschuldigungen und Schuldbekenntniss

Woraus sich die Frage ableitet: Hat Will Smith eine zweite Chance verdient? Bereits im Sommer professionalisierte er seine Reue filmisch. In einem sechsminütigen Video entschuldigte er sich mit festem Blick in die Kamera auch bei Chris Rock. „Mein Verhalten war inakzeptabel“, sagte Smith ohne jede Relativierung.

Rock dagegen hat bis auf kleine Anspielungen während seiner Live-Auftritte bisher öffentlich nie zu dem Zwischenfall Stellung genommen. Auch ein persönliches Gespräch, zu dem Smith jederzeit bereit wäre, hat noch nicht stattgefunden.

Stattdessen gab Smith vor wenigen Tagen in einem erstaunlichen Interview mit Late-Night-Star Trevor Noah zu Protokoll, die ganze Sache habe viele „Nuancen und Verwicklungen”. Am Ende aber habe er einfach „den Verstand verloren”, was ihm leid tue. Die Wut, die da aus ihm herausbrach, habe sich „über lange Zeit aufgestaut”. Smith sprach davon, wie er als kleiner Junge mitansah, wie sein Vater seine Mutter schlug.

Seine Hoffnung sei nun, dass sein Ausraster nicht die „herausragende Arbeit” des „Emancipation”-Teams um Regisseur Antoine Fuqua bestrafe, sagte Smith am Rande der Europa-Premiere in London. Da bittet einer um Vergebung auch an der Kinokasse.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.