Berlin. Die Bundesregierung will jüdisches Leben in Deutschland fördern und Judenhass stärker bekämpfen. Mit einer bundesweiten Strategie.

Bereits Anfang des Monats hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eine bundesweite Strategie gegen Antisemitismus angekündigt – nun hat das Ministerium das dazugehörige Papier vorgelegt. Die erste „Nationale Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben in Deutschland“ soll Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland stärken und ihre Lebensrealitäten sichtbarer machen.

„Jüdinnen und Juden sollen sich des Rückhalts der Bundesregierung und der Bevölkerung sicher sein“, heißt es in dem Papier, dass dieser Redaktion vorliegt. Antisemitismus bedrohe die Demokratie als Ganzes, deshalb sei es eine gesamtgesellschaftliche Daueraufgabe, diesen zu bekämpfen, so die Bundesregierung.

Das Papier enthält insgesamt fünf zentrale Handlungsfelder, die auf alle politischen und sozialen Ebenen übertragen werden können. Dazu gehören Datenerhebung und Forschung, Bildung als Antisemitismusprävention, Erinnerungskultur und Geschichtsbewusstsein, repressive Antisemitismusbekämpfung und Sicherheit sowie jüdische Gegenwart und Geschichte. Zudem werden die drei sogenannten „Querschnittsdimensionen“ Betroffenenperspektive, Strukturbildung und Digitalität herausgestellt, die bei der Bearbeitung der einzelnen Handlungsfelder Beachtung finden sollen.

Erhebung und Austausch von Daten zu Antisemitismus soll verbessert werden

Das erste Handlungsfeld „Datenerhebung, Forschung und Lagebild“ habe dabei vor allem zum Ziel, „das Wissen über Antisemitismus zu erweitern, um seine Formen und seine Verbreitung besser zu verstehen“, wie es in dem Strategiepapier heißt. Erreicht werden soll das durch verschiedene Maßnahmen: So soll etwa die Erhebung und der Austausch von Daten optimiert und die Vernetzung auf europäischer Ebene gestärkt werden, aber auch Melde- und Informationsstellen bekannter gemacht und Schnittstellen zwischen Forschung, Behörden und Organisationen geschaffen werden.

Im zweiten Feld „Bildung“ gehe es laut Bundesregierung vor allem darum, Wissen über das Judentum und seine Geschichte zu vermitteln und damit eine Sensibilisierung für die Perspektive von Betroffenen zu schaffen. Ein Ziel sei es dabei, Informationen und Bildungsprogramme möglichst niederschwellig anzubieten. Gleichzeitig will die Bundesregierung mehr Wissen über Israel und die Geschichte des Landes vermitteln. Dafür sei im Koalitionsvertrag bereits die Schaffung eines deutsch-israelischen Jugendwerkes vereinbart worden, heißt es in dem Papier. Zudem soll antisemitismuskritische Kunst- und Kulturarbeit gefördert werden.

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Bundesregierung will Geschichtsbewusstsein in Deutschland stärken

Neben den ersten beiden Handlungsfeldern soll in einem dritten Punkt die Erinnerungskultur und das Geschichtsbewusstsein gestärkt werden. „Eine gemeinsame Zukunft braucht gemeinsames Erinnern“, schreibt die Bundesregierung in dem Strategiepapier. Dafür sollen die Menschen dazu ermutigt werden, die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus wachzuhalten – etwa durch die Förderung von Gedenkstätten. Außerdem soll Geschichtsbewusstsein in möglichst vielen beruflichen Feldern integriert werden. Als eine Maßnahme soll etwa das Medizinstudium erweitert und die Zeit des Nationalsozialismus besonders berücksichtigt werden.

Die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen erinnert an die Jüdinnen und Juden die hier während des Nationalsozialismus ermordet wurden.
Die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen erinnert an die Jüdinnen und Juden die hier während des Nationalsozialismus ermordet wurden. © epd | Stephan Krems

Mit dem vierten Handlungsfeld „Repressive Antisemitismusbekämpfung“ soll auf antisemitische Taten reagiert und potenzielle Gefahren abgewehrt werden. Eine Maßnahme ist dabei etwa die bereits im Koalitionsvertrag vereinbarte Verbesserung des Diskriminierungsschutzes des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG). Zudem will die Bundesregierung etwa den Opferschutz verstärken und hier unter anderem mehr Informationen über Unterstützungsangebote bereitstellen.

Das letzte Feld „Jüdische Gegenwart und Geschichte“ thematisiert die Stärkung der jüdischen Gemeinschaft. Dieser Punkt ergebe sich aus der „besonderen geschichtlichen Verantwortung Deutschlands“, heißt es in dem Papier. Demnach sollen etwa jüdische Einrichtungen, Organisationen und Initiativen unterstützt werden, aber auch jüngere jüdische Geschichte und Gegenwart stärker in Schulen thematisiert werden. Am Mittwoch soll die Strategie gegen Antisemitismus im Kabinett beschlossen werden.

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Dieser Artikel ist zuerst auf morgenpost.de erschienen.