Berlin. Ausländische Staatsangehörige sollen einfacher Deutsche werden können. Warum die Pläne von Innenministerin Faeser so umstritten sind.

Als Borhan Akid von seinen Erfahrungen mit der Einbürgerung in Deutschland berichtet, sitzt Bundeskanzler Olaf Scholz daneben und muss ihm zuhören. Irgendwann, sagt Akid mit einem Lachen, habe das Amt einfach nicht mehr auf seine Nachrichten reagiert. Monatelang. Akid hört nichts, fragt nach, hört wieder nichts.

Geschafft hat der Journalist, der 2015 aus Syrien kam, es am Ende doch, nach sieben Jahren ist er nun deutscher Staatsbürger. Künftig soll das schneller gehen: Die Bundesregierung will das Staatsbürgerschaftsrecht reformieren und Einbürgerungen beschleunigen. Bundeskanzler Scholz und Innenministerin Nancy Faeser stellten die Pläne am Montag in Berlin vor.

Eine Demokratie lebe von der Möglichkeit, mitzubestimmen, sagte Scholz bei der Veranstaltung „Deutschland. Einwanderungsland. Dialog für Teilhabe und Respekt“. „Wer auf Dauer hier lebt und arbeitet, der solle auch wählen und gewählt werden können, der soll Teil unseres Landes sein, mit allen Rechten und Pflichten, die dazugehören – und zwar völlig unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder religiösem Bekenntnis.“

Unter welchen Bedingungen können Ausländer sich derzeit einbürgern lassen?

Wer seit acht Jahre in Deutschland lebt und ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht hat, dass unbefristet oder „auf Dauer angelegt“ ist, kann eine Einbürgerung beantragen. Bewerberinnen und Bewerber müssen sich zum Grundgesetz bekennen, nachweisen, dass sie mindestens auf dem Niveau B1 Deutsch sprechen und schreiben können und einen „Einbürgerungstest“ bestehen, bei dem in 33 Fragen grundlegendes Wissen über Staat und Gesellschaft in Deutschland geprüft wird.

Voraussetzung ist bislang außerdem, dass man seinen eigenen Lebensunterhalt sichern kann, nicht wegen einer Straftat verurteilt worden ist und sich in die „deutschen Lebensverhältnisse“ einordnet, was das Bundesinnenministerium in erster Linie darauf bezieht, dass Mehrfachehen nicht möglich sind. Wer sich einbürgern lässt, muss in der Regel seine bisherige Staatsbürgerschaft aufgeben.

Bewerberinnen und Bewerber, die erfolgreich einen Integrationskurs besucht haben, können den Antrag schon nach sieben Jahren stellen, bei „besonderen Integrationsleistungen“ auch schon nach sechs. Die Einbürgerung kostet für Erwachsene 255 Euro.

Einbürgerung: Was soll sich jetzt ändern?

Der Gesetzentwurf von Innenministerin Faeser, der dieser Redaktion vorliegt, soll Menschen schon nach fünf Jahren eine Einbürgerung möglich machen. In Ausnahmen könnte ein Migrant schon nach drei Jahren Deutscher werden, wenn er „besonders gut integriert ist“, etwa gutes Deutsch spricht, „herausragende Leistungen in Schule oder Beruf“ erzielt, sich ehrenamtlich engagiert. „Leistung soll sich lohnen“, sagt Faeser.

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Kinder von ausländischen Eltern, die in Deutschland geboren sind, erhalten „vorbehaltlos“ die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn mindestens ein Elternteil seit mehr als fünf Jahren mit einem Aufenthaltstitel in Deutschland lebt. Faeser will „Integration von Anfang an“. Auch Mehrstaatigkeit ist künftig möglich. Bisher ist das nur in Ausnahmen möglich, etwa innerhalb der EU.

Gerade aus der Generation der „ersten Gastarbeiter“ leben viele seit Jahrzehnten in Deutschland, arbeiten hier, haben Familie – aber noch immer nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Auch hier will die Innenministerin den Zugang erleichtern – und auf den bisher verpflichtenden schriftlichen Sprachnachweis verzichten. Es reicht, wenn die Menschen sich verständigen können. Auch der Einbürgerungstest fällt in diesem Fall weg.

Bei Sicherheitsüberprüfungen verschärft der Entwurf aus dem Innenministerium die Rechtslage dagegen. Nicht mehr nur der Verfassungsschutz soll Personen vor der Einbürgerung überprüfen, sondern auch der Bundesnachrichtendienst, die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt. Der Fokus hier: Hat ein Migrant möglicherweise an radikalen politischen Gruppen im Ausland teilgenommen?

Zudem sollen die Behörden künftig auch „Mehrehen“ in den Blick nehmen und als Ausschlussgrund werten. Als Mann gleichzeitig mit mehreren Frauen verheiratet zu sein, ist in Deutschland verboten. Die im „Grundgesetz festgelegte Gleichberechtigung von Mann und Frau“ werde damit nicht akzeptiert, heißt es in dem Gesetzentwurf. Somit gibt es auch keinen deutschen Pass.

Die Innenministerin will Tempo bei der Umsetzung: Man sei derzeit in der Abstimmung mit allen Ressorts, sagte Faeser. „Wenn dann alles gut läuft, könnte das Gesetz nächstes Jahr im Sommer verabschiedet sein.“

Bundesregierung: Wie begründet die Ampel ihre Pläne?

Schon im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP angekündigt, ein „modernes Staatsangehörigkeitsrecht“ zu schaffen. „Dazu gehört, dass wir schneller, besser und mehr einbürgern“, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, dieser Redaktion.

Hintergrund ist auch, dass die Bundesrepublik angesichts des Fachkräftemangels in zahlreichen Branchen und der demografischen Entwicklung dringend Zuwanderung braucht: Es gehe auch „um die Stärke unseres Landes, denn wir brauchen Fach- und Arbeitskräfte, die gerne zu uns kommen und bleiben“, sagte die SPD-Politikerin. Längst ist ein globaler Wettbewerb um Zuwanderung gewachsen, Staaten buhlen um Migranten, die sie als Arbeitskräfte brauchen.

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So richtig einig steht die Koalition aber offenbar nicht hinter dem Vorhaben. Denn während Die Grünen Faesers Pläne befürworten, gibt es in Teilen der FDP Zweifel. Bijan Djir-Sarai, Generalsekretär der Liberalen, hatte der „Rheinischen Post“ gesagt, jetzt sei nicht der Zeitpunkt für eine Vereinfachung des Staatsbürgerschaftsrechts. „Es gibt bisher keinerlei Fortschritte bei der Rückführung und Bekämpfung der illegalen Migration.“ FDP-Fraktionschef Christian Dürr dagegen sagte dieser Redaktion, Migration müsse in den Arbeitsmarkt gelenkt werden. Daran müsse sich das Staatsangehörigkeitsrecht orientieren. „Wer hart arbeitet und gut integriert ist, soll die Möglichkeit bekommen, Deutscher zu werden“, sagte Dürr.

Grünen-Chef Omid Nouripour sagte, es sei „gut so“, dass das Innenministerium einen Gesetzentwurf vorgelegt habe – und erinnerte die liberalen Koalitionspartner, „dass im FDP-Programm steht, dass die Einbürgerung nach vier Jahren erfolgen soll.“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). © dpa | Kay Nietfeld

Pläne zur Einbürgerung: Was sagen Opposition und Zivilgesellschaft?

Die Union hält von den Plänen der Regierung gar nichts und kritisiert sie lautstark. „Die Ampel begeht einen schweren Fehler, wenn sie die Kriterien für den Erhalt der Staatsbürgerschaft aufweicht“, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja. „Die Staatsangehörigkeit ist kein Artikel, den es bei Black Friday im Sonderangebot gibt.“ CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warf der Ampel-Koalition sogar vor, die deutsche Staatsbürgerschaft zu „verramschen“.

Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats Wirtschaft, lobt die Pläne dagegen: Eine erleichterte Einbürgerung stärke die Integration, sagte Schnitzer dieser Redaktion. Angesichts des demografischen Wandels und des steigenden Fachkräfte- und Arbeitskräftemangels sei das „unbedingt zu begrüßen“.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.