Washington. Trump hat für die Midterms mit eigenen Kandidaten eine rote Welle beschworen – und dabei oft daneben gelegen. Was bedeutet das für ihn?

Rot ist die Farbe der Republikaner. Darum hatte Donald Trump, der 45. US-Präsident, ein "rote Welle" herbeigeredet. Falsch. Es wurde, jedenfalls nach bisherigem Stand (Mittwoch 9.30 Uhr MEZ) allenfalls ein Bächlein. Der Es-geht-so-Ausgang der Midterms, der vorausgesagte fulminante republikanische Erfolge in Reihe nicht vorzeigen kann, kann dem Ex-Präsidenten nicht gefallen.

Trump, der am 15. November in Mar-a-Lago mutmaßlich seine dritte Kandidatur für das Weiße Haus (nach 2016 und 2020 nun 2024) bekanntgeben will, hatte sich von den Halbzeitwahlen düsentriebartigen Rückenwind für seine innerparteilich umstrittenen Ambitionen erhofft. Trump hatte Dutzende Kandidaten/-innen persönlich gesponsert, die künftig im Repräsentantenhaus wie im Senat "Make America Great Again"-Politik machen, seine Lüge vom Wahlbetrug am Leben halten und ihm den Weg für 2024 bereiten sollten.

VolkswahlMidterms 2022 (Halbzeitwahlen)
DatumDienstag, 8. November 2022
OrtUSA
Gewählt werdenRepräsentantenhaus, 35 der 100 US-Senatoren und in 36 Staaten die Gouverneure
Gewählt wirdalle zwei Jahre

Nicht jeder Trumpist war ein Treffer

Allein, bei der Personalauswahl gab es Licht und Schatten. In Ohio boxte sich J.D. Vance auf dem Trump-Ticket in den US-Senat durch. In Pennsylvania dagegen hatte der von Trump ausgesuchte Ex-TV-Arzt Dr. Mehmet Oz gegen das demokratische Urgestein John Fetterman das Nachsehen. Auch in New Hampshire (Dan Bolduc), Pennsylvania (Gouverneurs-Kandidat Doug Mastriano), Wisconsin (Gouverneurs-Kandidat Tim Michels) und Michigan (Gouverneurs-Kandidatin Tudor Dixon) griff Trump letztlich ins Klo.

Ob der Ex-Football-Profi Herschel Walker in Georgia gegen seine demokratischen Senator-Gegner Raphael Warnock bestehen kann, wird sich voraussichtlich erst bei einer Nachwahl am 6. Dezember entscheiden.

Dazu kommt eine besondere Note: Ausgerechnet in seinem Wahlheimat-Bundesstaat Florida ist dem 76-Jährigen in Gestalt von Ron DeSantis quasi über Nacht ein veritabler Gegenspieler erwachsen. Der haushohe Wiederwahl-Sieg am Dienstag katapultiert den Gouverneur, der 2018 noch auf Trumps aktive Fürsprache angewiesen war, in die erster Reihe potenzieller Präsidentschaftsanwärter für die nächste Wahl.

Weil Trump dort nur Platz für sich sieht, tut er, der Meister der mobilen Demütigung, das, was er immer mit der internen Konkurrenz tat: Er versucht sie frühzeitig wegzubeißen. "Wenn er antreten sollte, werde ich euch Dinge erzählen, die nicht sehr vorteilhaft sind. Ich weiß mehr über DeSantis als jeder andere. Mit Ausnahme seiner Frau, die in Wahrheit seine Wahlkampagne führt", sagte Trump laut Wall Street Journal am Wahltag in Florida und fügte hinzu: "Ich denke, er könnte sich schwer schaden, falls er antritt. Ich denke, er würde einen Fehler machen. Die Basis würde es nicht gut finden." Die Basis - damit meint Trump selbstredend seine ihn kultisch verehrenden Anhänger.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

In der Partei gärt es

Im republikanischen Establishment dämmert vielen, dass das beim Urnengang 2024 nicht reichen könnte. Hinter vorgehaltener Hand reichte man sich dort wie zum Beweis gestern Zahlen aus Nachwahlbefragungen weiter. Sie haben besonders Ernüchterndes zutage gefördert. Sechs von zehn Wählerinnen und Wählern in den USA lehnen Ex-Präsident Trump ab. Das können in der "Grand Old Party" viele nachempfinden, auch wenn sie sich nicht trauen, es offen zu sagen.

Denn obwohl Donald Trump seit seiner skandalumwitterten Abwahl vor zwei Jahren offiziell aus dem Geschäft ist, fährt er eine beispiellose Schatten-Präsidentschaft, in der für andere kaum Sauerstoff bleibt. Ungeachtet etlicher strafrechtlicher Ermittlungen, die seine Privat-Unternehmen, ihn als Person wie auch seine Amtsführung von 2017 bis 2021 betreffen, tingelt er wie ein rachsüchtiger Privatier durchs Land, lockt in unregelmäßigen Abständen Zehntausende zu Kundgebungen an, sammelt Spenden in dreistelliger Millionenhöhe und grätscht tagtäglich mit der Standard-Bemerkung in die Tagespolitik, die USA stünden am Abgrund und könnten nur unter seiner Führung genesen.

Dass er sich dabei zum inoffiziellen Personal-Vorstand der republikanischen Partei aufschwingt und einen fragwürdig qualifizierten Seiteneinsteiger nach dem anderen platziert, hat Mitch McConnell ihm nicht verziehen. Der Senator aus Kentucky, Macht-Magier und Schaltstelle über viele Jahre, hasst Trump, was auf Gegenseitigkeit beruht. Trump hat offen anklingen lassen, dass aus seiner Sicht McConnell abgesetzt gehöre.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Trump in der republikanischen Partei angreifbar

Ein Trump allerdings, der sich nicht berechtigterweise als Königsmacher präsentieren kann, der bei seiner Personalauswahl offenbar etliche Nieten gezogen hat, ist "angreifbar", sagten noch in der Nacht TV-Analysten. Wenn dann noch demnächst in einem der vielen Justiz-Verfahren gegen Trump der Hammer fiele und Anklage erhoben würde, könnten sich Leute wie DeSantis als eine Art unbeschädigter Mini-Trump andienen. Als Mann, der "Trumpismus" kann aber dazu kein eitles Drama-Queen-Gehabe an den Tag legen muss.

DeSantis wäre nicht allein. Auch Kristi Noem, Gouverneurin von South Dakota mit Drang nach Höherem, würde dann mit einer Kandidatur liebäugeln. Ähnliche Motive darf man Senator Ted Cruz, Ex-Vizepräsident Mike Pence, Ex-UN-Botschafterin Nikki Haley und Ex-Außenminister Mike Pompeo unterstellen.

Über die tatsächlichen Chancen Trumps bei der Wahl in zwei Jahren sagt das, vorausgesetzt, er träte tatsächlich an, natürlich noch nichts. 24 Monaten sind in der amerikanischen Politik zwei Ewigkeiten. Aber Donald Trump weiß seit diesem Wahl-Dienstag, dass die Konkurrenz nicht schläft und es auf ihn abgesehen hat. "Ohne die vielen katastrophalen, kaum vorzeigbaren Kandidaten, die Trump uns da eingebrockt hat, stünden wir heute besser da", schreibt ein republikanischer Funktionär aus Pennsylvania auf Anfrage, "Dave McCormick wäre die klar bessere Alternative zu Mehmet Oz gewesen. Aber den wollte Trump ja nicht."

Der Artikel ist zuerst bei morgenpost.de erschienen.