Washington. Bei den Zwischenwahlen könnten Republikanern gewinnen – und Biden zum Kurswechsel bei der milliardenschweren Ukraine-Hilfe zwingen.

Das Langzeit-Versprechen von US-Präsident Joe Biden, die Ukraine im Krieg gegen Russland militärisch „solange zu unterstützen, wie es nötig ist”, steht auf wackeligem Grund. Erringen die Republikaner bei den Wahlen zum Kongress in drei Wochen die Mehrheit, könnte es mit den milliardenschweren Hilfspaketen aus Washington – bisher an die 70 Milliarden US-Dollar – ab Januar ein abruptes Ende haben.

Der Grund: In der „Grand Old Party” bekommen zunehmend jene Oberwasser, denen das US-Engagement viele tausend Kilometer fern der Heimat suspekt und zu teuer ist.

Ukraine-Krieg: Hilfslieferungen der USA in der Kritik

„Wir haben so viele Probleme hier bei uns zuhause. Ich denke gar nicht daran, unser Geld für einen Proxy-Krieg mit Russland zu schicken”, sagt stellvertretend für Dutzende die extrem rechte Abgeordnete Marjorie Taylor-Greene aus Georgia und schlussfolgert: „Das amerikanische Volk interessiert sich nicht für den Krieg da drüben.”

Bereits mehrfach haben Republikaner in nennenswerter Zahl den von Biden auf den Weg gebrachten Hilfslieferungen bei der nötigen Abstimmung im Parlament die Zustimmung verweigert. Zuletzt erreichte die Zahl der Nein-Sager im Repräsentantenhaus die 200er-Grenze.

Republikaner: Rufe nach Lockerungen der Russlandssanktionen

Die Motive sind bunt gestreut: Jim Banks, Republikaner aus Indiana hat Zweifel ob das Geld in die richtigen Kanäle gerät. Er verlangt mehr Kontrollaufsicht und „fiskalische Rechenschaftspflicht”. Sein Kollege Roger Williams aus Texas steht auf dem Standpunkt, die permanente Verschickung von Militärgütern schwäche die US-Armee schwäche. Die Mittel seien besser an der Süd-Grenze zu Mexiko eingesetzt, um den Zustrom von Flüchtlingen unter Kontrolle zu bringen. Senator Rand Paul hält die Militärhilfe für deplatziert, solange etwa in seinem Bundesstaat Kentucky nicht genug Geld da ist, um die Folgen von Flutwellen und Tornados zu bekämpfen.

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Gehäuft wird die Forderung, das militärische Engagement für Kiew herunterzufahren, mit diesem Dreischlag begründet: Da ist zunächst die hohe Inflation in den USA samt wieder steigender Spritpreise und akuter Rezessionsangst. Isolationistisch gestimmte „Reps” führen dies auch auf die Wirtschafts-Sanktionen gegen Russland zurück und rufen nach Lockerung.

Ex-General Michael Flynn nennt Putin „stolzen Staatsmann“

Dass der Löwenanteil von schweren Militärgütern aus Amerika kommt, während Europa eher zurückhaltend agiert, stößt ebenfalls sauer auf. Und dann geht es noch um Grundsätzliches: Der Ukraine so massiv zu helfen, und damit der Sicherheit Europas, nehme erhebliche Ressourcen weg aus dem Wettstreit mit dem eigentlichen Gegner Amerikas: China.

Aber es gibt auch einen ideologischen Zungenschlag. Exponierte Figuren wie Senator Josh Hawley (Missouri) und der Senatskandidat J.D. Vance in Ohio spiegeln regelmäßig Propaganda-Linien von Fox News-Moderator Tucker Carlson wider, der allabendlich offen für Russlands Präsidenten Wladimir Putin Partei ergreift. Er sieht die Ukraine wie der republikanische Abgeordnete Madison Cawthorn von „Gaunern” regiert.

Ex-General Michael Flynn, früher der Nationale Sicherheitsberater von Ex-Präsident Donald Trump, nennt Putin einen „stolzen Staatsmann”, der alles tun werde, um Russland zu schützen.

Republikanische Wähler klagen über zu hohe Ukraine-Hilfen

Alte Hasen in der internationalen Politik wie Senator Mitch McConnell oder James Inhofe, die das republikanische Establishment verkörpern, schütteln darüber den Kopf. Sie betonen, dass die Hilfslieferungen uneingeschränkt richtig seien, ja sogar erhöht werden müssten: „Wenn Russland siegt, werden sie nicht in der Ukraine aufhören. Und das erhöht die Möglichkeit eines direkten Konflikts mit uns und der Nato.” McConnell bezeichnete das Zurückschlagen der Putin-Truppen in der Ukraine als ein Ziel von „hoher Priorität”.

Volkes Meinung sieht das etwas anders. Republikanische Wähler sind seit Beginn des Krieges immer weniger davon überzeugt, dass Amerika zentrale Verantwortung für die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine trägt. Schon im Spätsommer lag der Anteil derer, die über zu viel Militärhilfe klagten, bei über 30 Prozent. Tendenz steigend. 49 Prozent der konservativen Wähler geben an, die USA hätten keine Verantwortung für das Nicht-Nato-Mitgliedsland.

Vitali Klitschko: Kiews Bürgermeister ist entsetzt

Analysten erkennen darin das Werk von Stichwort-Gebern wie der erzkonservativen „Heritage Stiftung”, die nationalistische, isolationistische Politikansätze bei den Republikanern vorantreibt; auch unter Zuhilfenahme russisch-gefärbter Desinformation-Kampagnen.

Darum zeigte sich Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko unlängst entsetzt und besorgt, als die „Conservative Political Action Conference” (CPAC), ein mächtiges Sammelbecken der extremen Rechten in der republikanischen Partei, mit Blick auf die von Russland annektierten Provinzen im Donbass in einem inzwischen gelöschten Twitter-Beitrag von Gebieten sprach, „die von der Ukraine besetzt sind”.

LandUkraine
KontinentEuropa
HauptstadtKiew
Fläche603.700 Quadratkilometer (inklusive Ostukraine und Krim)
Einwohnerca. 41 Millionen
StaatsoberhauptPräsident Wolodymyr Selenskyj
RegierungschefMinisterpräsident Denys Schmyhal
Unabhängigkeit24. August 1991 (von der Sowjetunion)
SpracheUkrainisch
WährungHrywnja

Trump: Ex-Präsident hat seine Rhetorik gegen die Ukraine-Politik Bidens zugespitzt

Für eine Konferenz in Dallas luden die CPAC-Strategen Victor Orban ans Rednerpult. Ungarns Premierminister, in Europa Putins bester Freund, fordert die US-Regierung ultimativ auf, die militärische Unterstützung für Kiew einzustellen und mit Moskau in Verhandlungen einzutreten.

An dieser Stelle kommt die graue Eminenz der republikanischen Partei ins Spiel: Donald Trump. Der ehemalige Präsident und potenzielle Wiederbewerber für die Kandidatur 2024 hat seine Rhetorik gegen die Ukraine-Politik Joe Bidens deutlich zugespitzt.

Der frühere US-Präsident Donald Trump verlangt Verhandlungen mit Russland.
Der frühere US-Präsident Donald Trump verlangt Verhandlungen mit Russland. © AFP | Mario Tama

Trump verlangt Verhandlungen mit Russland

Neben der pauschalen wie unverifizierbaren Behauptung, dass Putin „niemals” in der Ukraine einmarschiert wäre, hieße Amerikas Commander-in-Chief noch Donald Trump, verlangt der 76-Jährige „sofortige Verhandlungen”.

Andernfalls, so schwadronierte Donald Trump vor Anhängern im Bundesstaat Arizona, „werden wir den Dritten Weltkrieg haben und nichts wird übrig sein von unserem Planeten, nur weil dumme Menschen keinen Schimmer haben”.

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Sorgen im Biden-Lager: Gegen die Interessen der Ukraine

In Washington wird kolportiert, dass Trump gedanklich nicht weit weg sei vom umstrittenen „Friedensplan”, den Tesla-Milliardär Elon Musk jüngst zirkulieren ließ. Dass die Ukraine dabei auf die 2014 von Russland annektierte Halbinsel Krim verzichten und Volkabstimmungen in den russisch besetzten Gebieten im Donbass akzeptieren müsste, was Kiew kategorisch ausschließt, lässt den reichsten Mann der Welt offenbar ungerührt.

Im Biden-Lager herrscht die Sorge, dass nach einem etwaigen Sieg der Republikaner bei den Kongresswahlen vor allem im Repräsentantenhaus ein Stimmungsumschwung die außenpolitischen Falken in der Partei an den Rand drängt. Trump hat Hunderte Kandidaten handverlesen persönlich auf die Rampe geschoben. Sitzen sie im Parlament, könnte der Ex-Präsident den Druck auf sie erhöhen, ihm nach dem Mund zu reden und entsprechend abzustimmen. Gegen die Interessen der Ukraine.

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.