Berlin. Die Elektromobilität ist auf dem Durchmarsch. Doch auch andere Kraftstoffe stehen in den Startlöchern. Welcher kann sich durchsetzen?

Vor einem Jahr schien der Durchbruch geschafft: Im September 2021 wurden erstmals in einem Monat mehr vollelektrische Pkw als Diesel-Autos in Deutschland zugelassen. Im Dezember surrten die Stromer endgültig davon, ihr Anteil bei den Neuzulassungen lag bei 21 Prozent – fünf Prozent über den Diesel-Autos.

Seitdem aber wurde die Entwicklung ausgebremst. Zunächst sorgten der Chipmangel und die langen Lieferzeiten für Frust. Auch für die Batterien notwendige Rohstoffe wie Lithium, Nickel, Kobalt oder Eisenphosphat verteuerten sich massiv. Zwar werden E-Autos noch üppig subventioniert, doch ab dem kommenden Jahr sinkt der Fördersatz. Nun kommt ein weiteres Hemmnis hinzu: Elektro-Autos sind vor allem aufgrund der Ersparnis beim Tanken attraktiv. Doch mit der Energiekrise und den steigenden Strompreisen schmilzt dieser Vorsprung dahin. Schlägt nun doch noch die Stunde anderer Kraftstoffe? Ein Überblick.

Elektro-Batterie

Während in den USA und China derzeit richtig Schwung nehme, droht sie in Deutschland ausgebremst zu werden, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research, im Gespräch mit unserer Redaktion. Aufgrund der teuren Material- und Strompreise bei gleichzeitig sinkender Förderung sei das Elektro-Auto im kommenden Jahr deutlich im Nachteil zum Verbrenner. Ein schlechtes Omen – insbesondere für das Ziel der Ampel-Koalition, die bis 2030 insgesamt 15 Millionen Stromer auf die deutschen Straßen bringen will.

Doch der Schwierigkeiten zum Trotz – „am batterieelektrischen Auto führt kein Weg vorbei“, glaubt Dudenhöffer. Nicht nur die Autobauer machen Tempo beim Aufbau ihrer Produktpalette. Auch die Infrastruktur entsteht – auch wenn es immer wieder Kritik am Tempo des Ausbaus gibt.

Elektro-Autos sind auf dem Vormarsch.
Elektro-Autos sind auf dem Vormarsch. © dpa | Hendrik Schmidt

Nicht nur E-Autos halten Einzug auf der Straße. Die Unternehmensberatung PwC kam jüngst in einer Studie zu dem Schluss, dass der Anteil der Neuzulassungen von Elektro-Lastwagen in Europa, Nordamerika und China im Jahr 2035 bei 70 Prozent liegen dürfte. Ab 2030 sollten E-Lastwagen demnach in den Gesamtkosten rund 30 Prozent günstiger als Diesel-Lkw sein.

„Wir leben im Jahrzehnt der Batterietechnik“, ist Alexander Vlaskamp überzeugt. Der gebürtige Niederländer steht seit 2021 an der Spitze des Münchener Lkw-Bauers MAN und trimmt die Volkswagen-Tochter voll auf die Elektromobilität. An dieser Strategie ändern auch die derzeit hohen Strompreise nichts. „Wir können und sollten solche Entscheidungen nicht an der „Angst der Woche“ ausrichten. Erst recht nicht, wenn sie bis in die 2040er-Jahre und darüber hinaus wirken“, sagte Vlaskamp im Gespräch mit unserer Redaktion. Um die Elektromobilität auf Dauer preiswert und tatsächlich grün werden zu lassen, muss der Ausbau der erneuerbaren Energien allerdings deutlich Fahrt aufnehmen. Im vergangenen Jahr lag der Anteil der erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung lediglich bei 42,4 Prozent.

Wasserstoff

Wasserstoff oder Elektro-Batterie – was setzt sich durch? Gerade im Bereich der Nutzfahrzeuge wird diese Frage intensiv diskutiert. Der große Vorteil der Wasserstoffbrennzelle liegt in der Reichweite. Der weltgrößte Lkw-Bauer Daimler Truck will bereits 2025 Lkws mit rund 1000 Kilometer Reichweite ausliefern. Der bayerische Hersteller Quantron verspricht sogar eine Sattelzugmaschine mit bis zu 1.500 Kilometern Reichweite. „Für besonders lange Strecken mit besonders schwerer Last hat der Wasserstoff-Lkw Vorteile“, sagte die Chefin der Mercedes-Benz-Lkw-Marke von Daimler Truck, Karin Rådström, jüngst im Gespräch mit unserer Redaktion. PwC kommt zu dem Schluss, dass Lastwagen mit Brennstoffzelle ab 2030 wettbewerbsfähig werden.

Fünf Jahre später dürfte ihr Anteil in Europa und China bei den Neuzulassungen bei 15 Prozent liegen. Das allerdings setze die passende Infrastruktur voraus – und genau daran mangelt es gerade. Aber: „Im Gegensatz zu Ladesäulen für die Elektrobatterie reichen beim Wasserstoff aufgrund der hohen Reichweite eine geringe Anzahl an Tankstellen“, meint Autoexperte Dudenhöffer. Zumindest bei den Nutzfahrzeugen. Bei den Pkw sei der Zug dagegen abgefahren.

97 Wasserstoff-Tankstellen für Pkw gibt es in Deutschland.
97 Wasserstoff-Tankstellen für Pkw gibt es in Deutschland. © PR | Pierre Adenis/CEP

Zwar sind Wasserstoffautos auf dem Markt erhältlich. Die Stückzahlen sind aber gering, die Preise hoch. Der Hyundai Nexo kostet in der Basisausstattung 77.290 Euro, der Toyota Mirai ist ab 63.900 Euro zu haben. Bundesweit gibt es aber lediglich 97 Wasserstoff-Tankstellen für Pkw. Ein weiterer Knackpunkt: Bisher wird Wasserstoff fast ausschließlich aus fossilen Energien hergestellt. Um die Klimaziele zu erfüllen, wird für die Herstellung aber sogenannter grüner Wasserstoff benötigt, also Wasserstoff, der beispielsweise aus Wind- oder Solarenergie gewonnen wird.

Alexander Vlaskamp rechnet damit, dass Wasserstoff eher eine Nischenanwendung bleiben wird. „Um beim Wasserstoff eine Kosten-Parität zur Batterie zu erreichen, würden wir einen Preis von drei bis vier Euro pro Kilogramm benötigen. Heute kostet fossiler Wasserstoff noch um die 14 Euro pro Kilo. Bei grünem Wasserstoff sind es 30 Euro“, rechnet der MAN-Chef vor.

eFuels

Die Zukunft der synthetischen Kraftstoffe, der sogenannten eFuels, entzweien sowohl Politik als auch Autobauer. Vor der Entscheidung zum möglichen Verbrenneraus im EU-Ministerrat rangen Grüne und FDP lange – am Ende blieb die Tür für den Verbrennungsmotor ein Stück weit offen: Sofern kein CO2 ausgestoßen wird, bleiben Verbrennungsmotoren erlaubt, beschloss der EU-Ministerrat. Damit ergibt sich für die eFuels eine Chance. Hergestellt aus Wasser und Kohlendioxid können eFuels vor allem für Diesel und Benziner im Bestand eine Alternative zum klimafreundlichen Verkehr bieten, argumentieren Befürworter. Umweltschützer halten dagegen: Zu stromintensiv und ineffizient sei der Treibstoff. Und: Das genutzte CO2 werde beim Verbrennen wieder emittiert.

Rückenwind bekommen eFuels durch den neuen VW-Chef Oliver Blume. „Synthetische Kraftstoffe haben den Vorteil, dass sie sich wie traditionelle Kraftstoffe transportieren lassen. Zudem kann die heutige Infrastruktur genutzt werden“, sagte der Nachfolger von Herbert Diess im Antrittsinterview mit unserer Redaktion. Ein Problem: Bisher entstehen eFuels in Pilot- und Forschungsanlagen. Porsche etwa baut derzeit mit Partnern eine eFuel-Anlage in Chile. In großen Mengen sind die Kraftstoffe noch nicht verfügbar – und daher teuer. „Es ist schwer vorstellbar, dass eFuels auf ein Kostenniveau kommen werden, bei dem sie wirklich wirtschaftlich sind“, sagte Daimler-Truck-Vorständin Radström.

In Hamburg wurde jüngst eine Pilotanlage in Betrieb genommen, die E-Fuels herstellen soll.
In Hamburg wurde jüngst eine Pilotanlage in Betrieb genommen, die E-Fuels herstellen soll. © dpa | Marcus Brandt

Erneuerbarer Diesel

Biodiesel sollte Anfang der 2000er Jahre den Verkehr klimafreundlicher machen. Daraus wurde nur bedingt etwas. Zwar können Diesel-Fahrzeuge mit bis zu sieben Prozent Biodiesel betankt werden. Doch die Diskussion darüber, ob die für den Anbau der ölhaltigen Pflanzen wie etwa Raps nicht eher zur Ernährungssicherheit als für den Verkehr – Tank oder Teller – genutzt werden sollen, hat den Biodiesel ausgebremst. Einen anderen Weg wählt das finnische Unternehmen Neste. Der Mineralölkonzern hat einen erneuerbaren Dieselkraftstoff entwickelt, der zu 92 Prozent aus Abfall- und Reststoffen gewonnen wird. Palmöl soll ab Ende des kommenden Jahres gar nicht mehr genutzt werden. In Belgien, den Niederlanden, Finnland, Schweden und dem Baltikum kann der Diesel bereits an der Zapfsäule getankt werden.

In Deutschland hingegen setzt die Regulatorik Schranken. Dort könne erneuerbarer Diesel nur beim öffentlichen Personennahverkehr oder Off-Road-Anwendungen wie Baustellenfahrzeugen oder landwirtschaftlichen Maschinen zum Einsatz kommen, klagt Jörg Hübeler, Marktverantwortlicher für den Straßenverkehr für Europa und den asiatisch-pazifischen Raum bei Neste.

In Deutschland kooperiert Neste mit dem Maschinenbauer Liebherr und Bosch. In den Niederlanden ist man schon weiter. Dort hat Neste eine Kooperation mit McDonald’s geschlossen: Alt-Speisefett der Fast-Food-Kette wird für die Herstellung des Diesels genutzt, im Gegenzug wird der Kraftstoff für die Lastwagen verwendet, die McDonald’s beliefern. Der Vorteil des Kraftstoffs: „Anpassungen an den Motoren müssen nicht vorgenommen werden“, sagt Hübeler im Gespräch mit unserer Redaktion. Fahrzeughersteller wie VW, Audi oder BMW hätten bereits einen Großteil ihrer Flotten für den Einsatz freigegeben.

Doch es gibt auch Nachteile. So wird beim Verbrennen des Kraftstoffs nach wie vor CO2 ausgestoßen. Klimaneutral ist der Kraftstoff somit nicht. Autoprofessor Dudenhöffer ist skeptisch: „Umrüstaktionen haben noch nie den großen Durchbruch gebracht“, sagt er und verweist auf Erdgas-betriebene Autos oder Nachrüstungen mit einem Diesel-Rußfilter. Sein Fazit: „Alternative Dieselkraftstoffe können in einer Zwischenphase helfen – werden danach aber eher etwas für Nischenanwendungen sein.“