Berlin. Verbraucher sollen beim Gaspreis entlastet werden – das ist dringend notwendig. Doch das vorgeschlagene Modell hat viele Schwächen.

Das soll er nun also gewesen sein – der große Wurf, den die Ampel-Koalition erhofft hat? Die 21-köpfige Expertenkommission hat ein Modell vorgeschlagen, wie die von der Bundesregierung geplante Gaspreisbremse aussehen könnte. Der Bund soll Verbraucherinnen und Verbrauchern die Dezember-Gasrechnung begleichen. Die versprochene Gaspreisbremse kommt dann frühestens im März – wenn sich die Heizsaison bei einem milden Frühling schon ihrem Ende zuneigen könnte.

Die Kommission hatte drei Aufgaben bekommen: Sie sollte ein Modell entwickeln, das schnell umsetzbar ist, fair entlastet und zugleich einen Anreiz zum Energiesparen gibt. Sie sollte also quasi ein Perpetuum mobile bauen. Und ist darin in nahezu allen Punkten gescheitert.

Gas: Ein zielgerichteter Deckel ist kurzfristig kaum umsetzbar

Das aber hat nicht allein das 21-köpfige Expertengremium zu verantworten. Die Vertreter aus Wissenschaft, Industrie, Vermieter- und Mietervereinigungen sowie Sozialverbänden und Versorgern haben klargemacht, was in der Kürze der Zeit geht und was nicht.

Das Ergebnis: Kurzfristig geht recht wenig. Die Versorger beispielsweise wissen nicht, ob am Ende ihrer Gasleitung ein Mehrparteienhaus mit Sozialwohnungen oder eine Villa mit Pool hängt. Sie kennen nur den Verbrauch. Das macht einen zielgerichteten Deckel schwierig.

Tobias Kisling, Wirtschaftskorrespondent
Tobias Kisling, Wirtschaftskorrespondent © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Gas: Selbst die Kommission scheint von den Vorschlägen nicht überzeugt

Nun gibt es ein Modell, bei dem Gutverdiener deutlich stärker als Geringverdiener profitieren werden. Angesprochen auf diese Ungerechtigkeit gestand der Vorsitzende der Kommission, Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis, ein: „Es gibt keinen Ausweg, das zerreißt mir das Herz.“ Industriepräsident Siegfried Russwurm, ebenfalls Kommissionsvorsitzender, fragte rhetorisch: „Ist es perfekt? Sicher nicht.“

Verdi-Chef Frank Werneke legte sogar ein Sondervotum ein: „Durch das Modell wird eine Zwei-Zimmer-Wohnung genauso behandelt wie eine Villa mit Pool“, stellte er fest. Wirklich überzeugt scheint selbst innerhalb der Kommission niemand zu sein. Es ist eine Notlösung, mehr nicht. Der kleinste gemeinsame Nenner bei dem, was technisch und abrechnungsmäßig überhaupt umsetzbar ist.

Für die Ampel ist es der nächste Schuss vor den Bug

Für die Ampel-Koalition wird die Empfehlung damit zum nächsten Schuss vor den Bug: Nach dem Fiasko bei der Gasumlage sollte die viel zu spät eingesetzte Kommission in einem unmöglichen Zeitraum erarbeiten, wozu man selbst nicht in der Lage gewesen ist.

Wenn das der versprochene „Doppel-Wumms“ sein soll, mit dem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in dieser Krise niemanden alleine lassen will, dann ist zwar das Floskel-Konto gut gefüllt, an realer Entlastung ist es aber mehr als dürftig. Noch handelt es sich wohlgemerkt nur um Vorschläge. Die Ampel-Koalition muss sie nicht umsetzen. Sie hat nur keinen Plan B.

Eine Bonuszahlung für all jene, die es nicht nötig haben

Um zumindest noch in diesem Jahr eine Entlastung auf den Weg zu bringen, schlägt die Kommission vor, dass der Staat die Dezember-Gasrechnung übernehmen soll. Hier ist die Gießkanne nicht nur ungerecht, sie kann auch eine fatale Lenkungswirkung entfalten. Wer wenig Geld oder auch ein mittleres Einkommen hat, wird derzeit ohnehin schon Energie einsparen, weil man nicht weiß, wie man über den Winter kommen soll.

Nun erhalten aber auch all jene eine staatliche Bonuszahlung, die es nicht nötig haben – ob sie damit zum Energiesparen angehalten werden, ist zweifelhaft.