Berlin. Kostenfalle Indexmiete: Nach Jahren mit geringer Inflation kommt auf Mieter neben höheren Energiekosten eine deutliche Mieterhöhung zu.

Die Autorin Martina W. wartet mit gemischten Gefühlen auf den nächsten Brief ihres Bürovermieters. „In den letzten zehn Jahren gab es keine Mieterhöhung“, erzählt sie. Aber mit dem Indexmietvertrag könne sich das jetzt schnell ändern. Noch hofft sie, dass ihr Vermieter die stets pünktlichen Zahlungen während der Corona-Pandemie honoriert und den Zins nur mäßig anhebt. Denn sonst wird es teuer.

Diese Sorgen teilen viele Mieter, die einen Indexmietvertrag abgeschlossen haben. Denn die Entwicklung der Wohnkosten orientiert sich bei diesen Verträgen an der Inflation. Das hat sich für viele Mieter jahrelang gelohnt, weil die Lebenshaltungskosten kaum gestiegen sind. Jetzt hat sich die Lage aber umgekehrt. Die Preise steigen rasant und damit könnten Vermieter auch die Mieten entsprechend anheben.

Noch ist der Anteil der Indexmieten gering. „Nur knapp 10 Prozent der aktuell bestehenden Wohnraummietverträge enthalten Indexvereinbarungen“, berichtet Katrin Hartwig vom Freiburger Mieterverein, „einen Trend zum Abschluss von Indexvereinbarungen bei neuen Mietverträgen können wir in unserer Beratungspraxis durchaus erkennen“.

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Indexmiete: Höhe soll Entwicklung des Lebenshaltungskosten widerspiegeln

Üblicherweise orientieren sich die Mieten bei einem neuen Vertragsabschluss am jeweiligen Mietspiegel vor Ort. Bei Indexmieten wird dagegen vereinbart, dass sich die Höhe der künftigen Miete die Entwicklung des Lebenshaltungskosten widerspiegelt. Maßgeblich dafür sind die Berechnungen des Statistischen Bundesamts. „Ein anderer Index ist nicht zulässig“, stellt der Deutsche Mieterbund (DMB) fest.

Im August 2022 lag die Inflationsrate bei geschätzten 7,9 Prozent. Für das gesamte vergangenen Jahr ermittelte das Amt eine Teuerung um 3,1 Prozent. Im Vergleich zu den Jahren davor schnellen die Verbraucherpreise also in die Höhe.

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Im Jahrzehnt davor pendelten sie zwischen einem und knapp zwei Prozent. Mit der Inflationsentwicklung drohen happige Mietaufschläge. „Wir fürchten, dass viele Mieterinnen und Mieter in finanzielle Nöte geraten werden“, sagt Hartwig.

Zumindest darf die Miete nicht nach Gutdünken erhöht werden, nur weil gerade die Preise für Lebensmittel oder Benzin steigen. Zunächst müssen die Eigentümer Mieter schriftlich, zum Beispiel per Mail, über eine Erhöhung informieren. Darin müssen sie die Änderung im Preisindex erläutern und die neue Miete in Euro und Cent angeben. Rückwirkende Erhöhungen sind nicht zulässig. Außerdem muss die letzte Anpassung wenigstens ein Jahr zurückliegen. Fällig wird der neue Mietzins vom Zeitpunkt der Erklärung an im übernächsten Monat.

Vorteil eines Indexmietvertrags ist, dass Modernisierungen wie der Anbau eines Balkons nicht auf die Mieten umgelegt werden dürfen. Lediglich bei staatlich angeordneten Baumaßnahmen darf der Vermieter die Kosten dafür weitergeben. Auch wird die Mietpreisbremse durch Indexverträge nicht ausgehebelt. Beim Vertragsabschluss muss die Ausgangsmiete den Vorgaben der Bremse entsprechen.

Eigentümer-Verband keinen Grund für eine gesetzliche Kappungsgrenze

Sollten die hohen Teuerungsraten dieser Monate nicht sinken, wird das Wohnen für die Mieter womöglich nach und nach sehr viel teurer. „Eine Grenze für die Indexerhöhung sieht das Mietecht derzeit nicht vor“, warnt der DMB. Das könnte sich bald ändern. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) denkt über Rechtsänderungen nach. „Das Ministerium wird sich dafür einsetzen, dass Indexmieten fairer gestalten werden“, sagt eine Sprecherin.

Möglich sei eine Kappungsgrenze für diese Verträge oder ein Bezug des Index auf die Nettokaltmiete. Letztes würde die Abhängigkeit der Wohnkosten von schwankenden Energiepreisen verringern. Auch der Hamburger Senat denkt an eine Obergrenze für Mieterhöhungen bei Indexverträgen. Über eine Bundesratsinitiative könnte daraus eine bundesweit geltende Obergrenze werden.

Der Verband Haus & Grund, der die Eigentümer repräsentiert, sieht keinen Grund für eine gesetzliche Kappungsgrenze. Die Gefahr finanzieller Not entstehe weniger durch Indexmietverträge. „Eine viel größere Gefahr sind steigende Energiepreise“, sagt Alexander Wiech von der Bundesgeschäftsführung des Verbands.

Hier sollten Mieter und Vermieter rechtzeitig höhere Vorauszahlungen vereinbaren. Auch sollte das Wohngeld erhöht werden. Sollten Mieter aufgrund einer anhaltenden Inflation mit darauf folgenden Mietsteigerungen in vorübergehende finanzielle Engpässe geraten, rät Wiech zum Gespräch mit den Vermietern.

So stark darf die Miete bei normalen Mietverträgen erhöht werden

Der Präsident des Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, hält eine Kappungsgrenze dagegen für sinnvoll. Er befürchtet erhebliche Mehrbelastungen für die Mieter, weil sie neben der durch die Inflation steigenden Mieten auch höhere Energiekosten und höhere Vorauszahlungen schultern müssten. Daher plädiert der Mieterbund für eine Kappungsgrenze, die für alle anderen Mietverträge ja schon gilt.

Bei den üblichen Verträgen darf die Miete innerhalb von drei Jahren um maximal 20 Prozent steigen, mit Städten mit Wohnungsmangel nur um 15 Prozent.

Eine Übernahme dieser Regeln auf Indexmieten würde die jährliche Mehrbelastung auf fünf bis sieben Prozent begrenzen und zumindest aktuell damit unter die Inflationsrate senken. Ob es tatsächlich zu einer gesetzlichen Regelung kommt, ist offen. Die FDP lehnt eine Kappung der Indexmieten ab. Lediglich bei einer Erhöhung des Wohngelds sind sich die Berliner Koalitionäre einig.

Auch im Einzelhandel sind Indexmietverträge zumindest in den Städten weit verbreitet. Die „Lebensmittel-Zeitung“ berichtet von großen Filialketten, die durch steigende Mieten unter Druck geraten. Der Textil-Discounter Kik äußert sich auf Anfrage zurückhaltend. „Mit unseren Vermietern findet ein ständiger Austausch zu den Regelungen zur Indexierung von Mieten und den Anpassungen von Mietzahlungen statt“, sagt ein Sprecher, „wir beobachten die Situation sehr genau.“ Zu finanziellen Details will sich das Unternehmen jedoch nicht äußern. Das halten auch andere Händler so.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.