Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund dafür, warum Benzin und Diesel über Nacht derart teurer geworden sind, meint unser Autor.

Wer so richtig schlechte Laune bekommen will, muss derzeit nur mit seinem Auto an die nächste Tankstelle fahren. Seit dem Auslaufen der „Spritpreisbremse“ zu Ende August ist der Preis für Benzin und Diesel regelrecht explodiert. Um bis zu 48 Cent – so findige Branchenexperten – verteuerte sich der Liter Sprit über Nacht. Macht bei einem Familienauto mit 70-Liter-Tank mal eben über 33 Euro Mehrkosten aus.

Diese brutale Verteuerung ist besonders ärgerlich, weil zeitgleich mit dem Preisaufschlag auch das beliebte 9-Euro-Ticket ausgelaufen ist. Wer aus Wut wegen der Spritpreistreiberei auf Bus und Bahn umsteigt, muss auch hier mehr, seit dem 1. September viel mehr zahlen.

Die Regierung und Aufsichtsbehörden wie das Bundeskartellamt dürfen bei dieser Preistreiberei nicht einfach wegsehen. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund dafür, in einem so kurzen Zeitraum derart zuzuschlagen. Selbst dann nicht, wenn man wohlwollend Sonderfaktoren wie Transportschwierigkeiten durch Niedrigwasser einberechnet. Dazu kommt, dass der Preis für den Barrel Öl seit drei Tagen kontinuierlich sinkt.

Treibstoff, der jetzt vertankt wird, wurde oft noch zum gesenkten Steuersatz eingekauft

Als die Spritpreisbremse zum 1. Juni auf Betreiben der FDP eingeführt wurde, dauerte es Tage bis die Spritpreise an den Zapfsäulen langsam nachgaben. Jetzt, im umgekehrten Fall, knallen sie binnen Stunden nach oben. Weiterlesen: Hohe Inflation: So stark schränken sich die Deutschen ein

Das macht die Verbraucherinnen und Verbraucher zu Recht misstrauisch und schürt den bösen Verdacht, dass sich jemand im Windschatten der Steuerumstellung ziemlich dreist die Taschen füllt. Schließlich wurde der Treibstoff, der jetzt vertankt wird, von den Mineralölkonzernen oft noch zum gesenkten Steuersatz eingekauft.

Jörg Quoos, Chefredakteur der Zentralredaktion
Jörg Quoos, Chefredakteur der Zentralredaktion © Dirk Bruniecki

Der ADAC berichtet von Tankstellen, die einzelne Zapfsäulen vor dem Auslaufen der Spritpreisbremse stilllegten, um dann pünktlich zum 1.9. mit dem gebunkerten Treibstoff abzukassieren. Wenn das stimmt, sollten die Wettbewerbshüter hart dazwischengehen. Vor einem solchen Gebaren müssen die Tankstellenkunden dringend geschützt werden. Lesen Sie auch: ADAC gegen weiteren Tankrabatt – aber für 9-Euro-Ticket

Autofahrerinnen und Autofahrer haben sich ja schon lange daran gewöhnt, vom perfekten Algorithmus der Benzinpreis-Optimierer in den Konzernzentralen abgekocht zu werden. Mit künstlicher Intelligenz werden sie maximal effizient in ihrem Tankverhalten ausspioniert, um die höchsten Preise nehmen zu können. Man kann gar nicht so schnell hinschauen, wie sich die Digitalziffern an den Preisaushängen über unseren Köpfen nach oben bewegen.

Preispolitik der Tankstellen: Kundenunfreundlicher geht es nicht

Früher mal um ein, zwei Cent – heute geht es gleich zweistellig rauf und runter. Kundenunfreundlicher geht es nicht. Kein Wirt, der seine Stammgäste pflegen und halten will, würde auf diese Art seine Preise kalkulieren.

Sogar den Tankstellenpächtern ist dieses Verhalten der Multis mittlerweile ein Dorn im Auge und sie machen über ihren Verband jetzt Druck. Das ist richtig, denn diese Art der Preisgestaltung bringt eine ganze Branche in Verruf. Auch interessant: Energiepreispauschale: Wer die 300 Euro im September bekommt

Die Autofahrer sollten sich spätestens jetzt schlau wehren und taktisch zu den günstigsten Zeiten tanken. Die schlimmsten Preistreiber sollten sie konsequent meiden – auch wenn es am Ende vielleicht nur um ein paar Cent auf der Tankrechnung geht.

Aber es ist immer noch die Nachfrage, die die Preise bestimmt. Und wenn sich 42 Millionen Autofahrerinnen und Autofahrer allein in Deutschland nicht alles gefallen lassen, sind sie am Ende eine gewaltige Macht.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.