Berlin. Eine Arbeit bedeutet für viele Hartz-IV-Beziehende Unabhängigkeit vom Jobcenter. Doch zunächst riskieren sie finanzielle Probleme.

  • Wer Hartz 4 hinter sich lässt und einen Job antritt, kann finanzielle Probleme bekommen
  • Grund dafür ist eine Finanzierungslücke
  • Unter Umständen kann das Rückzahlungen zur Folge haben

Für viele Arbeitslose bedeutet ein neuer Job das Ende von Arbeitslosengeld II, dem sogenannten Hartz IV. Doch zwischen dem eigenen Gehalt und der endgültigen Unabhängigkeit vom Jobcenter entsteht oft eine Finanzierungslücke, in der die einstigen Sozialhilfeempfangenden wochenlang ohne Geld dastehen könnten.

Die Lücke ergibt sich aus der Auszahlungsverschiebung: Während Hartz IV immer schon zu Beginn des Monats auf dem Konto landet, damit die Beziehenden überleben und Rechnungen zahlen können, geht das Gehalt erst nach getaner Arbeit ein. Meistens ist das gegen Ende des Monats.

Hartz IV: So riskieren Beziehende eine Finanzierungslücke

Das wird vor allem dann zum Problem, wenn das Jobcenter im Voraus über die neue Arbeit Bescheid weiß. Weil die Leistungsempfangenden dazu verpflichtet sind, ein neues Arbeitsverhältnis unverzüglich bei dem oder der Sachbearbeiterin im Jobcenter zu melden, dürfte die Lücke viele Hartz-IV-Beziehende treffen.

Ein Beispiel: Marina Mustermann bezieht Hartz IV, ihre Leistungen gehen zum 1. Juli auf ihrem Konto ein. Am 15. Juli beginnt Mustermann einen neuen Vollzeit-Job, das Monatsgehalt ist am 26. Juli auf dem Konto. Weil das Gehalt im selben Monat wie die Sozialleistungen eingehen, ist Mustermann im Juli nicht mehr hilfsbedürftig und muss die Leistungen zurückzahlen.

Hartz-IV-Beziehende müssen das Jobcenter rechtzeitig über ihre neue Arbeit informieren
Hartz-IV-Beziehende müssen das Jobcenter rechtzeitig über ihre neue Arbeit informieren © Oliver Berg/dpa

Ginge das Gehalt erst im August ein, sähe das anders aus: Dann wäre Marina Mustermann im Juli noch hilfsbedürftig gewesen und dürfte die Sozialleistungen vom Monatsanfang behalten. Besonders unangenehm wäre es aber, wenn das Jobcenter von Mustermann schon Anfang Juni von dem neuen Job gewusst und die Leistungen vom Juli gar nicht erst gezahlt hätte: Dann stünde Mustermann im Juli schlimmstenfalls ohne Geld da.

Hartz IV und Arbeitsanfang: Zuflussprinzip macht Schwierigkeiten

Der Grund für die Finanzierungslücke ist das Zuflussprinzip. Die Regelung aus dem Sozialgesetzbuch II soll dafür sorgen, dass Leistungsempfangende in einem Monat nicht zu viel Geld erhalten, wenn sie im selben Monat weitere Einnahmen haben. Damit mindern jegliche zusätzliche Einnahmen in einem Monat die Leistungen und es kommt zur Rückzahlung.

Allerdings: Das Zuflussprinzip beim ALG II oder Hartz IV sollte in der Theorie erst dann greifen, wenn das Gehalt auch tatsächlich bei den Beziehenden eingegangen ist. Viele Jobcenter umgehen es aber und stellen die Leistungen schon ein, bevor die Beziehenden ihren ersten Lohn verdient haben.

So geschah es kürzlich etwa einem Mann aus Paderborn, der seine Geschichte in der "Neuen Westfälischen" schilderte: Er trat im März eine neue Arbeitsstelle an, das Jobcenter aber stellte die Leistungsbeiträge bereits nach der Zahlung im Februar ein. Ohne Rücklagen konnte er seine Fixkosten nicht zahlen.

Hartz IV eingestellt: So schützen Sie sich

Missachtet das Jobcenter das Zuflussprinzip, können Beziehende innerhalb der einmonatigen Frist schriftlich Widerspruch einlegen. Muster für die Schreiben stehen im Internet zur Verfügung, die Beziehenden können den Brief persönlich im Jobcenter abgeben oder per Einschreiben verschicken.

Allerdings schützt auch der Weg der Rückzahlung am Ende des Leistungsmonats nicht unbedingt vor einer Finanzierungslücke: Müssen die Beziehenden von ihrem ersten Gehalt neben den Fix- und Lebenskosten vom Folgemonat auch noch die Sozialleistungen vom Vormonat zurückzahlen, könnte auch die Zeit vom ersten bis zum zweiten Gehalt finanziell eng werden.

Streichungen von Sanktionen bei Hartz IV

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    Finanzierungslücke nach Hartz IV: Darlehen kann helfen

    Für ehemalige Hartz-IV-Beziehende ist es schwer, die Finanzierungslücke komplett zu umgehen. Auf keinen Fall aber sollten sie dem Jobcenter den neuen Job verheimlichen: Wer das tut oder absichtlich zu spät Bescheid sagt, begeht Sozialbetrug und riskiert ein Bußgeld.

    Eine bessere Option sind Überbrückungsdarlehen, die die Jobcenter zinslos zur Verfügung stellen. Die Beziehenden können das Darlehen in Raten zurückzahlen, sie müssen bei der Beantragung vor dem Leistungsteam ihren Arbeitsvertrag vorlegen.

    Schwierig wird es dann, wenn die Darlehensbeziehenden bereits Schulden haben: Dann gesellen sich zu den zukünftigen Rückzahlungen auch noch jene des Darlehens. Die ehemaligen Arbeitlosen sind dann trotz ihres neuen Jobs immer noch nicht wirklich unabhängig.

    Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.