Berlin. Forscher entdecken nach mehr als 100 Jahren das „Endurance“-Wrack des Abenteurers Ernest Shackleton. Es erzählt von einem Eis-Drama.

Die Reling scheint großteils unbeschädigt, ebenso das Steuerrad. Sogar der Name des berühmten Segelschiffs prangt noch auf dem hölzernen Wrack – nach mehr als 100 Jahren auf dem Grund des antarktischen Eismeers.

Der Unterwasserarchäologe Mensun Bound (69) ist überwältigt: „Das ist bei Weitem das beste hölzerne Wrack, das ich je gesehen habe“, staunt der von den Falklandinseln stammende Brite. „Es steht aufrecht, es erhebt sich über dem Meeresboden, es ist gut erhalten und in brillantem Zustand.“

Bound ist als Forschungsdirektor mitverantwortlich für eine weitreichende Entdeckung: Mehr als ein Jahrhundert nach dem Untergang der „Endurance“ („Ausdauer“) hat er das Schiff des britischen Polarforschers und Abenteurers Ernest Shackleton († 1922) gefunden. Es liegt in 3008 Metern Tiefe, wie das aus mehr als 60 Wissenschaftlern bestehende Expeditionsteam am Mittwoch mitteilte.

28 Männer auf strapaziöser Reise in die kalte Finsternis

Die Forscher waren am 5. Februar von Kapstadt aus mit dem südafrikanischen Eisbrecher „Agulhas II“ in See gestochen und spürten die Trümmer rund siebeneinhalb Kilometer von der Stelle entfernt auf, an der das Schiff 1915 langsam vom Packeis zerquetscht worden war.

Für Bound ist es die Entdeckung seines Lebens. Der von einem TV-Sender einst als „Indiana Jones der Tiefe“ titulierte Wracksucher hat nach eigenen Angaben seit Jahren davon geträumt, Shackletons Schiff zu finden. „Wir sind überwältigt von unserem Glück“, sagt Bound nun.

Meeresarchäologe Mensun Bound (l.) und Kollege John Shears entdeckten Ernest Shackletons „Endurance“.
Meeresarchäologe Mensun Bound (l.) und Kollege John Shears entdeckten Ernest Shackletons „Endurance“. © AFP | Esther Horvath

Der irische Medizinersohn Ernest Shackleton war Anfang des 20. Jahrhunderts neben dem Norweger Roald Amundsen († 1928) und dem Briten Robert Falcon Scott († 1912) einer der großen polaren Entdecker. Er wollte den Südpol erobern.

1913 annoncierte er in der „London Times“: „Suche Freiwillige für gefährliche Reise. Niedriger Lohn, bittere Kälte, lange Stunden in vollständiger Finsternis garantiert. Rückkehr ungewiss.“ Aus 5000 Bewerbern wählte Shackleton 27 Männer aus.

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Shackleton rettete seine Männer

Nur wenige Tage, bevor der Erste Weltkrieg ausbrach, stach die Expedition 1914 auf der etwa 44 Meter langen „Endurance“ in See. Das Ziel: den antarktischen Kontinent mit Hundeschlitten zu durchqueren. Doch bald schon steckte das Schiff zwischen Eisschollen im Weddellmeer fest, zerbarst und versank.

Monatelang trieb die Besatzung auf einer Eisscholle umher, halb verhungert und erfroren, bei nicht selten minus 36 Grad. Doch Shackleton schaffte es, Moral und Psyche der Mannschaft aufrechtzuerhalten, etwa indem er sie Eisfußball spielen ließ.

Von einem Tauchroboter fotografiert: das Wrack der „Endurance“ am Grund des Weddellmeers.
Von einem Tauchroboter fotografiert: das Wrack der „Endurance“ am Grund des Weddellmeers. © dpa

Schließlich entkamen sie der lebensfeindlichen Antarktis nach einer mehr als anderthalb Jahre dauernden Tortur – alle Besatzungsmitglieder retteten sich. Die Expedition gilt seither als außergewöhnlichstes Überlebensdrama der Polargeschichte. Und Shackleton als Legende.

Sein Wrack bleibt, wo es ist. Die Forscher werden es lediglich mit Fotos dokumentieren. Mensun Bound will die Geschichte der „Endurance“ so kommenden Generationen vermitteln. Und bald in Pension gehen. Er hat Shackletons Schiff gefunden. Was, fragt er, könne danach noch kommen?