Berlin. SPD, Grüne und FDP sondieren miteinander. Dabei geht es auch um eine mögliche Hartz-IV-Reform. Was könnte sich ändern? Eine Analyse.

  • Die SPD hatte das Ende von Hartz IV groß im Wahlprogramm versprochen
  • Doch was bedeutet dieses Versprechen in einer möglichen Ampel-Koalition
  • So könnten die drei Parteien ein Übereinkommen finden

Die Sondierungen für eine Ampel-Koalition im Bund laufen. Grüne und FDP beraten derzeit mit der SPD darüber, welche politischen Standpunkte sie bereits teilen und welche Differenzen in den Wahlprogrammen überbrückbar sind. Das gilt auch für das Thema Hartz IV. Einig sind sich die drei Parteien zwar darin, dass eine grundlegende Reform der Grundsicherung notwendig ist. Konkret verfolgen Sozialdemokraten, Grüne und Liberale hier aber unterschiedliche Ansätze.

SPD und Grüne treten für eine Abkehr vom bisherigen Hartz-IV-System ein, die FDP verfolgt mit dem „liberalen Bürgergeld“ eine völlig andere Idee. Bisherige Sozialleistungen sollen dadurch zu einer zusammengefasst werden. Zwar spricht auch die SPD von einem „Bürgergeld“ – dahinter steckt jedoch etwas Anderes. Inwiefern man sich in diesem Punkt auf einen Kompromiss einigen kann, ist noch unklar.

Doch was sind die konkreten Forderungen von SPD, Grüne und FDP in puncto Hartz IV? Ein Blick in die Wahlprogramme verrät, was die Parteien an Vorhaben geplant haben – und was bei den aktuell laufenden Sondierungen für Diskussionen sorgen dürfte.

Hartz-IV-Reform: Das will die SPD

Die SPD will nicht nur den Zugang zum Arbeitslosengeld I erleichtern, sondern das System an die Realität anpassen: Insbesondere „neue Beschäftigungsformen und unterbrochene Erwerbsbiographien“ sollen stärker in Blick genommen werden. „Wer länger eingezahlt hat, soll zukünftig auch länger Arbeitslosengeld I beziehen können“, heißt es im Wahlprogramm der Partei, die wahrscheinlich den nächsten Kanzler stellen könnte. Die SPD will mit einer Reform verhindern, dass Menschen, die über Jahrzehnte erwerbstätig waren, bereits nach einem Jahr in Hartz IV fallen – wo sie genauso viel Geld erhalten wie jemand, der nie in seinem Leben gearbeitet hat.

Außerdem plädieren die Sozialdemokraten für einen neuen Namen der Grundsicherung: Hartz IV soll künftig „Bürgergeld“ heißen, die Beantragung und der Bezug verständlicher und unkomplizierter werden – und digital möglich sein. Auch an einer anderen Schraube im System soll gedreht werden: Sanktionen müssten abgeschafft werden, wenn sie „sinnwidrig“ oder „unwürdig“ seien, fordert die SPD.

Auch die Frage, wie hoch die Regelsätze in Zukunft sein sollen, will die SPD im Zuge der Sondierungen und spätere Koalitionsverhandlungen diskutieren. Erst einmal heißt es im Wahlprogramm dazu: „Die Regelsätze im neuen Bürgergeld müssen zu einem Leben in Würde ausreichen und zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen. Das Bürgergeld muss absichern, dass eine kaputte Waschmaschine oder eine neue Winterjacke nicht zur untragbaren Last werden.“

Die Partei tritt außerdem dafür ein, dass das sogenannte Schonvermögen erhöht wird. Jemand, der Hartz IV beziehen muss, soll nicht den Großteil seines Ersparten aufbrauchen müssen, bevor er überhaupt Hartz IV erhalten kann.

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Was planen die Grünen beim Thema Hartz IV?

Die Grünen wollen Hartz IV „überwinden“ und durch eine „Garantiesicherung“ ersetzen. „Das soziokulturelle Existenzminimum werden wir neu berechnen und dabei die jetzigen Kürzungstricks beenden“, so heißt es im Wahlprogramm der Partei. Direkt sollen die Regelsätze aber pauschal um 50 Euro pro Monat angehoben werden.

Sanktionen, die derzeit greifen, wenn Hartz-IV-Bezieher nicht zu Terminen beim Jobcenter erscheinen oder zumutbare Arbeit ablehnen, sollen vollständig abgeschafft werden. Laut Grünen sind diese „bürokratisch“ und „entwürdigend“ seien. Das soll auch den Jobcentern helfen: So bleibe nämlich mehr „Raum und Zeit für wirkliche Arbeitsvermittlung und Begleitung“.

Außerdem sollen, geht es nach den Grünen, mehr Menschen Arbeitslosengeld I beziehen können. So sollen bereits Arbeitslose, die vier Monate beschäftigt waren, die Leistung erhalten und nicht sofort in Hartz IV fallen. Auch die Grünen wollen, ähnlich wie die SPD, das Schonvermögen erhöhen.

„Liberales Bürgergeld“: Das will die FDP an Hartz IV ändern

Die FDP will die Grundsicherung massiv vereinfachen und ihr ebenfalls einen neuen Namen verpassen: Was einst Hartz IV war, soll bald „liberales Bürgergeld“ heißen.

Die Entschlackung soll vor allem in einem Punkt greifen: „Wir Freie Demokraten wollen beim Arbeitslosengeld II einen einheitlichen Satz für alle erwachsenen Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher – unabhängig vom Beziehungsstatus.“ Aktuell gibt es unterschiedliche Regelsätze für Singles, Partner oder Alleinerziehende. Aus FDP-Sicht ist das antiquiert.

Mit dem Bürgergeld sollen steuerfinanzierte Sozialleistungen wie Hartz IV, „die Grundsicherung im Alter, die Hilfe zum Lebensunterhalt oder das Wohngeld in einer Leistung und an einer staatlichen Stelle“ zusammengefasst werden. Dies soll auch die Antrags- und Bearbeitungswege deutlich vereinfachen. Außerdem soll es „bessere Hinzuverdienstregelnbeim Arbeitslosengeld II geben, und „bei Rückforderungen durch die Jobcenter führen wir eine Bagatellgrenze für Kleinstbeträge ein“, so die FDP in ihrem Wahlprogramm.

Einig sind sich die Liberalen mit SPD und Grüne schon jetzt in einem Punkt. Auch sie fordern eine Erhöhung des Schonvermögens. Hier sollen insbesondere Werte für die Altersvorsorge, selbst genutzte Immobilien und ein eigenes Auto rasugerechnet werden.

Ampel-Koalition: Wie könnte die Hartz-IV-Reform aussehen?

Einen kompletten Systemwechsel fordern nur die Grünen, nur sie wollen, dass das Prinzip des Förderns und Forderns komplett Geschichte ist. Die SPD dürfte sich hier zumindest auf eine teilweise Überarbeitung des Systems einlassen. Allerdings dürfte dies nicht mit der FDP zu machen sein. Diese will an den Sanktionen festhalten.

Am wahrscheinlichsten ist daher, dass die Arbeitslosenversicherung zwar reformiert wird, der Kern des Systems aber erhalten bleibt. Unter neuem Namen dürften vor allem die Regelsätze überarbeitet und die Beantragung und Zugänglichkeit verändert werden. Einigkeit besteht in der Erhöhung der Schonvermögen. Wer sich etwas aufgebaut hat und dann in Not gerät, soll nicht alles verlieren müssen, um Anspruch auf Sozialleistungen zu haben.

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