Berlin. Wie geht es nach den Ferien an den Schulen weiter? Über die Rückkehr zum Präsenzunterricht könnte auch die Delta-Variante entscheiden.

  • Die Delta-Variante des Coronavirus hat sich in Großbritannien vor allem an Schulen ausgebreitet
  • Auch in Deutschland ist die Mutante mittlerweile der dominierende Typus des Coronavirus
  • Nun beginnen aber nach und nach die Sommerferien – wie müssen sich die Schulen vorbereiten?

Seit über einem Jahr ist das Leben in Deutschland von der Corona-Pandemie geprägt. Nun macht sich vorsichtig Hoffnung breit: Die Impfkampagne schreitet voran, der Sommerurlaub ist möglich. Doch durch die Delta-Variante steigen die bisher niedrigen Sieben-Tage-Inzidenzen in ganz Europa wieder an. Auch in Deutschland nehmen die Corona-Infektionen wieder zu.

Die Mutante gilt als ansteckender als der ursprüngliche Wildtyp des Coronavirus. In Großbritannien breitete sie sich vor allem über Schulen und Kindergärten aus. Was bedeutet das für den Unterricht nach den Sommerferien?

Die Bundesregierung unterstreicht bisher die angestrebte Rückkehr zum vollen Schulbetrieb, verweist aber auch auf Risiken wegen der Delta-Variante. "Geöffnete Schulen haben eine ganz hohe Priorität", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Präsenzunterricht sei nach allem, was Kinder in der Pandemie durchmachen mussten, überall wünschenswert.

Delta und Schulöffnungen: Bildungsministerin setzt auf Präsenzpflicht

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) setzt daher darauf, dass an den Schulen nach den Ferien wieder eine generelle Präsenzpflicht für Schülerinnen und Schüler bestehen wird. „Die Präsenzpflicht sollte aus meiner Sicht wieder in der Regel gelten“, sagte Karliczek der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom Samstag. Ausnahmen bei vorerkrankten und besonders gefährdeten Kindern und Jugendlichen müssten aber möglich sein.

Es werde Rahmenbedingungen geben, unter denen sicherer Unterricht gewährleistet werden kann. In die Schule zu gehen, sei für Kinder ein wichtiger Faktor in ihrem Alltag. „Sie brauchen die sozialen Kontakte, und sie müssen lernen“, sagte die Bildungsministerin.

Trotz Corona soll nach den Ferien in den Schulen grundsätzlich die Präsenzpflicht gelten.
Trotz Corona soll nach den Ferien in den Schulen grundsätzlich die Präsenzpflicht gelten. © Frank Rumpenhorst/dpa

Karliczek sprach sich aber für Corona-Tests nach den Ferien aus. Es müsse Regeltestungen geben, in der Frequenz abhängig vom Infektionsgeschehen. „Das sollten wir uns als erste und wichtigste Maßnahme bei steigenden Inzidenzen leisten“, sagte die CDU-Politikerin.

Ganz ausschließen will die Bildungsministerin erneute Schulschließungen nicht komplett ausschließen: „Man kann in einer Situation wie einer Pandemie niemals etwas garantieren oder etwas ausschließen. Wir wissen nicht, welche Varianten noch kommen.“ Sie sei aber „zuversichtlich, dass diesen Herbst die Schulen grundsätzlich offen gehalten werden können“.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, hatte noch Ende Juni mit Blick auf das kommende Schuljahr „durchaus Anlass für Optimismus“ gesehen. Doch der Bildungsvertreter mahnte auch, dass „in den Ferien alles getan werden müsse, um im Herbst auch auf eine vierte Welle an Schulen vorbereitet zu sein“.

Ein Großteil der Kinder wird nach den Sommerferien wahrscheinlich noch nicht geimpft sein. Immerhin ist ein großer Teil der Lehrkräfte bereits immunisiert. Trotzdem werden nach den Sommerferien wohl weiter Schutzmaßnahmen erforderlich sein: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte zuletzt, dass im Herbst und Winter trotz der aktuell niedrigen Infektionszahlen voraussichtlich nach wie vor Maßnahmen wie Maskenpflicht greifen müssten. Doch der Minister betonte zugleich: „Es ist unser Ziel, dass Schule nach den Ferien so normal wie möglich wieder starten kann. Das sind wir den Kindern und Jugendlichen schuldig.“

Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, hofft im kommenden Schuljahr auf „Präsenzunterricht für alle“. Auch sie sieht aber eine Notwendigkeit für „Hygienekonzepte sowie eine effektive Teststrategie und Masken in geschlossenen Räumen wie Klassenzimmern“, sagte Finnern unserer Redaktion.

Corona: Wie hoch ist das Risiko einer Delta-Ansteckung an den Schulen?

Laut Experten gibt es keinen Zweifel daran, dass die Variante sich vor allem über Bildungseinrichtungen ausbreitet. "In England ging es in den Schulen los", erklärte Charité-Virologe Christian Drosten auf einem Online-Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin, als er über die Ausbreitung der Delta-Variante in Großbritannien sprach.

Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI), mahnte gegenüber der "Augsburger Allgemeinen" zur Vorsicht: "Wenn man die Infektion nicht einfach unter den Schulkindern durchlaufen lassen will, muss man sich spätestens jetzt an Konzepte wie Luftfilter machen, um nicht im Herbst wieder die Schulen zumachen zu müssen", betonte er. "Wenn sehr viele Kinder nicht geimpft sind und die Delta-Variante im Herbst kommt, droht in den Schulen wieder ein stärkeres Ausbruchsgeschehen."

Lernlücken nach Distanzunterricht: Studie zeigt Probleme auf

Eine aktuelle Studie zeigt, weshalb die Rückkehr für in die Klassenräume trotz aller Probleme höchste Priorität hat: Forscherinnen und Forscher der Frankfurter Goethe-Universität haben dafür Daten aus aller Welt ausgewertet - mit ernüchterndem Ergebnis. "Die durchschnittliche Kompetenzentwicklung während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 ist als Stagnation mit Tendenz zu Kompetenzeinbußen zu bezeichnen und liegt damit im Bereich der Effekte von Sommerferien", erklärte Prof. Andreas Frey, der an der Goethe-Universität Pädagogische Psychologie lehrt und einer der Autoren der Studie ist.

Für die Studie wurden in einem systematischen Review mit wissenschaftlichen Datenbanken weltweit jene Studien identifiziert, die über die Effekte der pandemiebedingten Schulschließungen auf die Leistungen und Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern berichteten.

Die Kompetenzeinbußen seien besonders bei Kindern und Jugendlichen aus sozial schwachen Elternhäusern deutlich. "Hiermit sind die bisherigen Vermutungen durch empirische Evidenz belegt: Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich während der ersten coronabedingten Schulschließungen noch weiter geöffnet", lautet Freys Schlussfolgerung.

Eine neue Umfrage scheint diese Feststellungen zu untermauern: Demnach hat mehr als ein Viertel der deutschen Schüler zwischen zehn und 16 Jahren bei sich selbst größere Lernlücken durch die Folgen der Corona-Pandemie beobachtet. Das geht aus einer Allensbach-Umfrage für die Deutsche Telekom Stiftung hervor. Eine Mehrheit der Schülerinnen und Schüler kam demnach mit dem Lernen zu Hause aber gut zurecht. So empfanden 58 Prozent von ihnen das Homeschooling nach eigener Aussage als positiv oder sehr positiv.

(bml/raer/dpa)