Washington. Elon Musk ist Chef des Elektroautokonzerns Tesla. Er will die Welt revolutionieren. Doch nun wachsen die Zweifel an seiner Genialität.

Die Welt mit spektakulären Twitter-Beiträgen durchzurütteln, ist nicht das alleinige Privileg des anstrengenden Mannes im Weißen Haus. Elon Musk kann das auch. Und mit mehr Bumms.

Seit das auf gefühlt 50 Hochzeiten gleichzeitig tanzende Stehaufmännchen des globalen Tech-Kapitalismus öffentlich darüber nachdenkt, seinen auf rund 60 Milliarden Dollar taxierten Elektroautokonzern Tesla den Launen des Aktienmarktes zu entziehen („Erwäge Tesla von der Börse zu nehmen bei 420 Dollar. Finanzierung gesichert“), hat eine alte Frage neuen Auftrieb bekommen: Ist der 47-jährige Multi-Milliardär wirklich das leicht größenwahnsinnige Genie, das wie ein Magier in der Zirkus-Arena in letzter Minute das Karnickel aus dem Hut zaubert, wenn es eng wird?

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Oder handelt es sich bei dem narzisstisch veranlagten Südafrikaner um einen jungenhaft grinsenden Schaumschläger, der sich verzockt hat, in Panik geraten ist und nun in Aktionismus flüchtet?

In Stein gemeißelt, das hat Musk am Mittwoch selbst gesagt, ist der Börsenabgang noch nicht, auch wenn er ihn für den „besten Weg“ hält. Aber alle reden über Musk und sein tollkühnes Kunststück. Und das ist dem fünffachen Vater noch immer das Wichtigste.

Tesla war seit Gründung 2013 nicht ein einziges Mal profitabel

Der studierte Physiker und Volkswirt war einst Liebling der Börsianer, die wenig so sehr lieben wie XXL-Wetten auf die Zukunft. Obwohl Tesla seit der Gründung 2003 noch nicht ein einziges Mal profitabel gewesen ist, ging die Kurskurve trotz gelegentlicher Achterbahn-Episoden bis vor Kurzem meist nach oben. Zuletzt aber verloren Analysten und Fondsmanager an der Wall Street latent den Spaß an Musk und begannen, gegen ihn zu wetten.

Weil die Berichte über Produktionsstaus beim ambitionierten Massenmodell Model 3 nicht abreißen wollten, gingen die Werte bergab. Musk konnte erst mit über einem halben Jahr Verzögerung vermelden, dass wöchentlich endlich mehr als 5000 Fahrzeuge des um die 35.000 Dollar teuren Einstiegsmodells in der Großfabrik in Fremont (Kalifornien) vom Band rollen.

Ein Tesla-Elektro-Cabriolet wird für einen Raketenstart ins All vorbereitet. Mit PR-Gags wie diesem will Musk die Raumfahrt zum Massenereignis machen.
Ein Tesla-Elektro-Cabriolet wird für einen Raketenstart ins All vorbereitet. Mit PR-Gags wie diesem will Musk die Raumfahrt zum Massenereignis machen. © dpa | Uncredited

Ein Verlust von rund 745 Millionen Dollar im zweiten Quartal 2018 war die Folge. Tesla versucht, mit Notmaßnahmen und Gimmicks den Brand zu löschen. Von Zulieferern wurden Rückerstattungen eingefordert. Zudem gab Musk einem Zehntel der Belegschaft den Laufpass.

Einziges Ziel war es, das unaufhörliche Verbrennen von Bargeld zu stoppen, das den Konzern in Schieflage bringt und Handlungsspielräume einengt. Die Investmentbank Goldman Sachs, die Musk auf dem Kieker hat, kalkuliert, dass der Vielversprecher bis 2020 rund zehn Milliarden Dollar zusätzlich an Liquidität benötigt. Vor allem dann, wenn zwei neue Produktionsstätten außerhalb Amerikas entstehen sollen. Eine davon vielleicht in Deutschland. Eine andere in China.

Musk sucht Trumps Unterstützung

Für dieses Geschäft sucht Musk die Unterstützung von US-Präsident Donald Trump, der China unfaire Handelspraktiken vorwirft und mit Strafzöllen überzieht. Dieser Annäherungsversuch verwundert, weil der Tesla-Chef noch im Sommer 2017 unter Protest das Beratergremium des US-Präsidenten wegen dessen umstrittener Klimapolitik verließ.

Dass Elon Musk bei seinen Geschäften nun eine Radikallösung erwägt, die ihn aus der Geiselhaft der an der Börse üblichen Vierteljahresberichte befreien würde, erscheint daher nachvollziehbar. Als Privat-Unternehmer, vorausgesetzt große Anleger und Miteigentümer wie Saudi-Arabien, das just fünf Prozent erworben haben soll, bliebe dem leicht entflammbaren Entrepreneur das Ritual der nervigen Telefonkonferenzen erspart. Hier sorgte Musk im Mai für Augenrollen, als er Fragen eines Analysten nach der Beschaffenheit seines Liquiditätspolsters als langweilig abtat und arrogant anfügte: „Dumme Fragen sind nicht cool. Der Nächste, bitte!“

Ob ihm gelingen kann, was Michael Dell vor 2013 exerzierte (er holte seine Computerfirma von der Börse), ist noch nicht ausgemacht. Auch wenn er 20 Prozent an Tesla hält, ist Musk auf das Nicken großer Investoren angewiesen, die bei ihren Entscheidungen auf Transparenz, Berechenbarkeit und Solidität pochen.

Mit dem Hyperloop plant Musk, den Personentransport zu revolutionieren: In einer Art Rohrpost sollen Passagiere durch Tunnel große Distanzen in Windeseile zurücklege.
Mit dem Hyperloop plant Musk, den Personentransport zu revolutionieren: In einer Art Rohrpost sollen Passagiere durch Tunnel große Distanzen in Windeseile zurücklege. © picture alliance / AP Photo | dpa Picture-Alliance / Uncredited

Da fängt es schon an. Allein mit seinem Tweet hat Musk eine enorme Kursbewegung nach oben ausgelöst (plus sieben Milliarden Dollar zeitweise), deren Legalität voraussichtlich bald im Mittelpunkt von Untersuchungen der Börsenaufsicht SEC stehen wird. Die Technologie-Börse Nasdaq musste den Handel mit dem Tesla-Papier jedenfalls vorübergehend einstellen.

Wie Musk zudem die Finanzierung für die gigantische Re-Privatisierung leisten will – verkaufswillige Aktionäre sollen 420 Dollar pro Anteilsschein bekommen können (Wert heute: etwa 375 Dollar) –, erscheint noch schleierhaft. Dabei wird in der Automobil-Szene offen darauf hingewiesen, dass Tesla seinen Innovationsvorsprung bald aufgebraucht haben könnte und nicht mehr „die Tochter mit den schönsten Augen sein wird“, wie ein Experte der Autoverbände in Detroit dieser Redaktion sagte.

Hilfsangebot für Jungen in Thailand wurde als PR-Aktion kritisiert

Spätestens 2019 würden Großkonzerne wie General Motors und Google/Waymo im Segment der selbstfahrenden E-Autos große Fortschritte zeigen. Auch BMW, VW und Daimler hätten bis 2020 Modelle im Ärmel, die Erfolg und Marktanteile versprächen. Teslas Alleinvertretungsanspruch beim benzinlosen Automobilverkehr der gehobenen Klasse neige sich „dem Ende zu“.

Wer Elon Musk darauf anspricht, wird angelächelt. Aber letztlich ignoriert. Der bis zu 16 Stunden am Tag wirbelnde Workaholic hat es bei der Inszenierung von Manövern, die den Medienscheinwerfer von den Problemen bei Tesla weglotsen und trotzdem Schlagzeilen produzieren, zur Meisterschaft gebracht.

Noch gut in Erinnerung sind die niedlichen Flammenwerfer, die er im Auftrag seiner Tunnelbau-Firma The Boring Company verkaufen ließ – „Boring“ wie „bohrend“ oder „langweilig“. Ein riesiger PR-Erfolg. Auch der hollywoodreife Tesla-Roadster, der durchs All schwebt, und der Verkauf einer limitierten Serie von Surfbrettern mehrten seinen Ruhm als merkantil geschickten Performance-Künstler.

Gar nicht trittsicher agierte Musk bei der in einer Höhle gefangenen thailändischen Jugend-Fußballmannschaft. Sein Angebot, ein Mini-U-Boot zur Rettung zu schicken, ging als eitle Eigen-PR-Maßnahme unter. Anstatt sich aber bedeckt zu halten, wütete Musk mit Twitter-Kommentaren dann auch noch gegen Helfer und Kritiker vor Ort.

Musk steht im Ruf, gern den Diktator zu geben

Wer seinen Biografen Ashlee Vane richtig deutet, kann in diesem Charakterzug einen Grund dafür erkennen, warum Tesla nicht da ist, wo Musk die Firma 2010 kurz vor dem Börsengang übereifrig verortete. Der Mann, der nach den Worten seiner Ex-Frau Justine „Eier aus Stahl“ besitzt, übertreibt es mit einer Politik des maximalen Drucks. Dutzende Manager haben das Weite gesucht. Musk steht im Ruf, gern den Diktator zu geben, der frech und beratungsresistent anordnet, was zu geschehen hat.

Als stilbildend gelten zwei Episoden, die zuletzt bei Gesprächen mit Auto-Managern in der deutschen Botschaft in Washington Stirnrunzeln erzeugten. Im ersten Fall ging es um einen überarbeiteten Manager, der zur Geburt seines Kindes um Auslandsurlaub bat. „Wollen Sie die Welt retten“, soll Musk zurückgepoltert haben, „oder Ihrer Frau die Hand halten?“ Der Urlaub wurde gestrichen.

In der anderen Szene wurde Musks frühere Chef-Assistentin nach zehn Jahren wegen einer Gehaltsaufbesserung vorstellig. Musk schickte die Dame in den Urlaub. Nach der Rückkehr erklärte er sie für überzählig.

Das soll die Verdienste nicht schmälern, die sich Elon Musk erworben hat. Sein Unternehmen SpaceX hat eine wiederverwendbare Rakete gebaut, was Raumfahrt bezahlbarer macht und der um neue Dominanz im All bemühten US-Agentur Nasa hilft. Musks Werben für die Eroberung des Planeten Mars habe einen neuen Entdeckergeist geweckt, so US-Zeitungen. Und dass der über den Verkauf des Online-Bezahldienstes Paypal zum Milliardär gewordene Multi-Unternehmer trotz vieler Rückschläge nicht müde wird, Ballungsräume unterirdisch mit superschnellen Transportsystemen zu vernetzen (Hyperloop), rechnen gerade Verkehrsexperten Musk hoch an.

Aber nun geht es ans Eingemachte. Musk muss beweisen, heißt es in Washington, dass er mehr ist als eine „rasende Marketingmaschine“.