Wolfsburg. Auf der Braunschweiger Straße musste die nächste Überführung gesperrt werden. Droht wie bei Detmerode der Brücken-Abriss auf der Hauptverkehrsachse?

Diese Sperrung kam für die Öffentlichkeit völlig ohne Vorwarnung: Am Donnerstag gab die Stadt überraschend bekannt, dass die Fußgängerbrücke über die Braunschweiger Straße nahe der Röntgenstraße kurzfristig gesperrt wurde. Damit hat Wolfsburg nur ein Jahr nach dem Neubau der Überführung zwischen Detmerode und Westhagen die nächste Problem-Brücke. Was ist da los?

Schöne Bescherung: Auf der Braunschweiger Straße macht die nächste Überführung für Fußgänger und Radfahrer schlapp. Das Beton-Bauwerk ist gesperrt; wie es weitergeht, ließ die Stadt in ihrer knappen Mitteilung in der vorigen Woche offen. Von statischen Problemen und erheblichen Mängeln war die Rede. Droht der Abriss?

Stadt Wolfsburg sieht keine akute Einsturzgefahr

„Eine akute Einsturzgefahr besteht aktuell nicht“, versicherte die Verwaltung. Aber was heißt das? Wie hoch ist die latente Gefahr, dass die Überführung in sich zusammenbricht? Und warum darf der Verkehr auf der vielbefahrenen Braunschweiger Straße unter dem maroden Bauwerk weiter fließen?

Ungute Erinnerungen werden wach an den Oktober 2015, als die Fuß- und Radwegüberführung zwischen Detmerode und Westhagen der schnelle Brücken-Tod ereilte: Auch damals ließ die Stadt die Überführung abrupt sperren; der Verkehr darunter rollte zunächst normal weiter. Doch schon nach dem Wochenende die nächste Hiobsbotschaft: Die Brücke war nicht mehr zu retten und musste wegen akuter Einsturzgefahr tatsächlich über Nacht abgerissen werden. Sechs Jahre klaffte damals eine schmerzliche Lücke zwischen den Stadtteilen, erst im September 2021 war die neue Überführung fertig.

Seit Donnerstag voriger Woche ist die Fuß- und Radwegbrücke über die Braunschweiger Straße gesperrt.
Seit Donnerstag voriger Woche ist die Fuß- und Radwegbrücke über die Braunschweiger Straße gesperrt. © regios24 | Helge Landmann

Alternativen zur gesperrten Brücke auf der Braunschweiger Straße

Der Unterschied zur nun betroffenen Brücke: Zwischen Klieversberg und Köhlerberg/Rabenberg gibt es Alternativen zur Überquerung der Hauptverkehrsachse. Da ist zum einen die Fußgängerampel unterhalb des Theaterparkplatzes und zum anderen die Ampel an der Einmündung Röntgenstraße. An der Einmündung Burgwall gibt es zwei weitere Ampeln für Fußgänger. Und dann ist da noch die Fuß- und Radwegbrücke weiter südlich an der Rabenbergstraße.

Die gute Nachricht am Montag: Die Stadt ist offenbar zuversichtlich, dass die Brücke nicht abgerissen werden muss und saniert werden kann! Auch eine Verschlimmerung des Zustands hin zu akuter Einsturzgefahr, die einen sofortigen Abriss bedeuten würde, schließt die Stadt derzeit aus: „Von einer akuten Gefährdung des Straßenverkehrs durch möglichen Einsturz der Brücke ist nach derzeitiger Einschätzung nicht auszugehen“, teilte die Verwaltung auf Anfrage mit.

Im Oktober 2015 wurde die Brücke zwischen Detmerode und Westhagen abgerissen.
Im Oktober 2015 wurde die Brücke zwischen Detmerode und Westhagen abgerissen. © rs24 (Archiv) | Nehlsen

Stadt von rapider Verschlechterung der Bausubstanz überrascht

Stattdessen sei bereits ein Auftrag für ein Sanierungskonzept angeschoben worden. „Sobald nähere Erkenntnisse vorliegen, wird die Stadtverwaltung kurzfristig auf die Presse zugehen“, kündigte die Kommune an. Zurzeit würden der Zustand der Brücke und das weitere Vorgehen geprüft, hieß es. Am Montag war ein Vermessungsbüro auf der Überführung im Einsatz.

Offenbar wurde die Stadt von der rapiden Verschlechterung der Bausubstanz überrascht. Bei der Theaterbrücke handelt es sich laut Verwaltung um eine statische Sonderkonstruktion mit einem Gelenk in der Mitte. „Ein ähnliches Bauwerk gibt es kein zweites Mal in Wolfsburg.“ Die Überführung, Baujahr 1960, sei 2004 umfänglich saniert worden, teilte die Stadt mit. „Das Bauwerk wurde 2016 vorsorglich einer Sonderprüfung unterzogen und nachgerechnet. Die Tragfähigkeit konnte nachgewiesen werden.“ Das war im Jahr nach dem Brücken-Exitus weiter südlich.

2021 gab’s für Brücke von 1960 Bauwerksnote 3,4

Auf Anfrage unserer Zeitung bezüglich des Brücken-Abrisses hatte die Stadt damals sogar auf die andere Konstruktion der Theaterbrücke mit dem Gelenk verwiesen und versichert, dass diese nicht auffällig sei.

Ende 2020/Anfang 2021 erfolgte nach Angaben der Stadt dann die große Hauptprüfung „mit einem Ergebnis von 3,4 als Bauwerksnote“. Dazwischen habe es Einfach- und Sichtprüfungen gegeben. Und: „Seit 2016 sind an dem Bauwerk Messmarken angebracht, um die Lastveränderungen zu dokumentieren. Im Jahr 2018 wurde das Bauwerk nachgemessen, und es konnten keine Veränderungen oder Auffälligkeiten festgestellt werden.“

Schwingungen während Brückenprüfung führten zu sofortiger Sperrung

Dann die plötzliche Verschlechterung des Zustands: „Vergangene Woche wurde eine weitere Sonderprüfung beauftragt, weil Auffälligkeiten beim Verformungsverhalten vorgelegen haben“, berichtete die Stadt. Neben einer Vielzahl von Abplatzungen – teils mit, teils ohne freiliegende und teilweise korrodierende Stahl-Bewehrung – am westlichen der beiden Brückenausleger seien während der Prüfung ebenfalls bei Belastung Schwingungen in der Mitte der Brücke festgestellt worden. „In einer Sofortmaßnahme wurde daher die Brücke noch während der Bauwerksprüfung für den Geh- und Radverkehr gesperrt.“

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Mitte-West laut Ortsbürgermeister nun quasi geteilt

Der Ortsbürgermeister von Mitte-West, Sabah Enversen, erfuhr am Donnerstag durch den WN-Onlinebericht, dass die Brücke in seinem Zuständigkeitsbereich plötzlich gesperrt worden war. Er informierte sich daraufhin bei der Stadt, wie schlimm es um die elegant geschwungene Überführung steht.

„Die Prüf-Note 3,4 war noch deutlich vor ausreichend“, sagte Enversen unserer Zeitung. Die alte Detmeroder Brücke habe dagegen bei der letzten Hauptprüfung nur noch mit 3,8 abgeschnitten. „An der Theaterbrücke ist alles gemacht worden. Aber überraschend ist der Zustand sehr, sehr viel schlechter geworden. Das Gelenk in der Mitte ist wohl festgerostet.“

Von einer „gewissen Dramatik“ sprach der Ortsbürgermeister: „Mitte-West ist jetzt quasi geteilt, die Brücke ist die wesentliche Verbindung zum Rabenberg und zum Köhlerberg.“ Und: „Sollte die Brücke nicht sanierungsfähig sein, dann haben wir ein ernstzunehmendes Problem.“ Er betonte aber auch: „Wir sind wild entschlossen, dass diese Verbindungslinie erhalten bleibt.“ Sprich: Dann müsste auch an der Stelle eine neue Brücke her.