Wolfsburg. Ein Antrag für das Schwimmen oben ohne nach Göttinger Vorbild wird diskutiert. Es geht um Gleichberechtigung – aber nicht jeder ist einverstanden.

„Der Aufenthalt im Nassbereich der Bäder ist nur in üblicher Badebekleidung gestattet“ – so heißt es in der Haus- und Badeordnung der Wolfsburger Bäder. Wer schwimmen gehen will, muss Badeanzug, Bikini oder Badehose tragen. In Göttingen wurde die Regelung jüngst aufgeweicht: Dort ist es nun allen Menschen erlaubt, oben ohne schwimmen zu gehen.

Wäre das ein Modell für Wolfsburg? In der Verwaltung ist solch ein Schritt zunächst nicht geplant. In der Kommunalpolitik zeigen sich die Wolfsburgerinnen und Wolfsburger allerdings sehr aufgeschlossen. „Es wird allerhöchste Zeit“, sagt etwa Sandra Straube (PUG). Es sei wenig verständlich, warum man sich ohne Bikini-Oberteil im Freibad sonnen dürfe, sich für das Schwimmen aber anziehen müsse.

Badebekleidung im Schwimmbad auch in Wolfsburg Thema

„Es hat etwas mit Gleichberechtigung zu tun“, sagt Irene Siemann von den Grünen. Auch sie ist dafür, allen Menschen das Baden oben ohne zu ermöglichen. „Vielleicht würde solch ein Schritt die weibliche Brust entsexualisieren“, überlegt Siemann. Zumindest aber sollte der Besuch im Schwimmbad oben ohne nicht sanktioniert werden – unabhängig vom Geschlecht.

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Den Hintergrund der Göttinger Entscheidung bildet ein konkreter Fall, der aufzeigt, wie komplex die vermeintlich banale Diskussion über die Badebekleidung im Schwimmbad ist. Eine non-binäre Person, also jemand, der sich weder dem weiblichen, noch dem männlichen Geschlecht eindeutig zugehörig fühlt, hatte das Oberteil beim Schwimmen abgelegt und war prompt mit einem Hausverbot belegt worden. Die darauf folgende öffentliche Debatte war der Auslöser für die neue Regelung in den Göttinger Bädern.

CDU will Vor- und Nachteile von Schwimmen oben ohne prüfen

„Diese Diskussion passt in den aktuellen Zeitgeist“, findet Robin Scheil. Der CDU-Politiker ist Vorsitzender des Wolfsburger Sportausschusses, in dem das Thema angesiedelt ist. Scheil findet es wichtig, dass die Menschen sich frei entfalten können – man müsste aber schauen, wie sich die Meinung in der breiten Gesellschaft darstelle. Grundsätzlich aber: „Mir würde das nicht weh tun. Es gibt offensichtlich Menschen, denen diese Freiheit wichtig ist. Das muss man ernst nehmen.“

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Die Parteien FDP und Volt in Wolfsburg sehen das genauso: Und so wollen sie in der nächsten Sitzung des Sportausschusses, die am Dienstag, 10. Mai, stattfindet, einen entsprechenden Antrag vorstellen. „Vielleicht reicht ja schon ein Handlungsleitfaden an die Bademeister“, sagt Stefan Kanitzky (Volt) – in dem Sinne, dass „Verstöße“ gegen die Bekleidungsvorgaben nicht sanktioniert werden. Es gehe um die Gleichstellung der Geschlechter und die Entsexualisierung der weiblichen Brust.

SPD: Sehen derzeit keinen Bedarf für Oben-ohne-schwimmen in Wolfsburg

Das VW-Bad in Wolfsburg: Im Freibad ist FKK auf den Liegewiesen keine Seltenheit.
Das VW-Bad in Wolfsburg: Im Freibad ist FKK auf den Liegewiesen keine Seltenheit. © regios24 | Helge Landmann

Etwas abwartend positioniert sich die SPD in der Diskussion. Man wolle keine eigene Initiative starten, um die Regelung zu ändern, sagt SPD-Unterbezirks-Vorsitzende Immacolata Glosemeyer. „Mich würde es nicht stören, wenn jemand oben ohne schwimmen geht“, sagt Glosemeyer. Andere könnten das aber anders sehen. Daher sei zum Beispiel denkbar, die Regelung nur an einzelnen Tagen aufzuweichen. Insgesamt sehe die SPD in Wolfsburg derzeit aber keinen Bedarf seitens der Bürgerschaft: „Es ist bisher niemand in dieser Sache an uns herangetreten“, sagt Glosemeyer.

Gewährleistet werden müsse in jedem Fall, dass die Möglichkeit, oben ohne schwimmen zu gehen, nicht missbraucht werde. Das betonen etwa Irene Siemann (Grüne) und Sandra Straube (PUG). Man dürfe Spannern nicht Tür und Tor öffnen, findet Straube. Und Irene Siemann sagt: „Es gibt sicher auch Menschen, die spannen würden – was wiederum die Hemmungen der Badegäste steigen ließe, von ihrer neuen Freiheit überhaupt Gebrauch zu machen.“