Wolfsburg. Ehemalige VW-Auszubildende treffen sich nach 37 Jahren zum ersten Mal wieder – eine Wiederholung ist bereits geplant. Es gibt so viel zu erzählen.

Kurz vor Feierabend hat Ausbilder „Theo“ immer noch die „Kaffee-Frage“ gestellt: Wer diese beantworten konnte, bekam ein Heißgetränk im Plastikbecher aus dem Automaten spendiert. „Das kam allerdings höchstens einmal in der Woche vor“, erinnert sich Martin Lensdorf und ergänzt: „Der Theo war ne Type, so einen wie den gibt’s heute nicht mehr.“ Der heutige Unterabteilungsleiter im Volkswagenwerk Wolfsburg in der Logistik war einer von 14 ehemaligen VW-Auszubildenden, die sich nach 37 Jahren zum ersten Mal wieder getroffen haben. Das „Hallo“ war groß, die meisten Sätze begannen mit: „Weißt du noch? Damals…“

1986 begann die Lehre zum Maschinenschlosser

Die Idee zu dem Wiedersehen hatten Jens Franke, Unterabteilungsleiter in der Instandhaltung Montage (ML4), und Werkfeuerwehrmann Jens Fänger. Die beiden 53-Jährigen begegneten sich vor vier Jahren zufällig auf dem riesigen Werksgelände wieder – standen seitdem im engen Kontakt. Vor gut einem Jahr kam dann die Frage auf, ob man nicht mal versuchen sollte, sämtliche der etwa 40 Azubis, die am 1. September 1986 ihre Lehre zum Maschinenschlosser begonnen hatten, ausfindig zu machen. „Und da fingen die Schwierigkeiten an“, blickt Franke zurück.

Denn erst einmal galt es, überhaupt die Namen zusammenzutragen. Wie hieß denn der Blonde mit der Zahnlücke, oder der, der so viel laut gelacht hat? Die ersten Zehn hatte das Duo schnell zusammen, bei dem Rest war fast detektivische Recherche notwendig. Sie holten sich noch Markus Fuchs, der heute technischer Sachbearbeiter in der Qualitätssicherung ist, dazu. Und so füllte sich die Liste langsam, aber stetig. Schwierig wurde es allerdings bei den Namen, die im Volkswagenwerk mehrfach vorkommen. Franke: „Ich habe dann eine relativ neutral formulierte E-Mail an drei Günter S. geschrieben und gefragt, ob er 1986 mit von der Partie war. Einer hat zurückgeschrieben, dass er in dem Jahr noch nicht einmal geboren war.“ Zum Schluss hatte das Trio 33 Namen zusammen, 90 Prozent der ehemaligen Mitschüler sind im VW-Werk Wolfsburg verblieben.

Ausbildung als Sprungbrett zum Feuerwehrmann

Werden heute die Berufsanfänger in der Volkswagen-Arena begrüßt, so fand diese damals in der Kantine der Halle 5 statt. „Ich war an dem Tag richtig aufgeregt“, weiß Fänger noch wie heute. Der Brandbekämpfer hat sein „Hobby zum Beruf“ gemacht, ist seit Jugendtagen in seiner Freizeit in der Freiwilligen Feuerwehr Vorsfelde aktiv, war hier auch 15 Jahre lang stellvertretender Ortsbrandmeister. „Die Ausbildung zum Maschinenschlosser habe ich nur gemacht, weil man – bevor man Feuerwehrmann werden darf – erst einen Handwerksberuf erlernen muss“, sagt Fänger, der nach Abschluss der Lehre noch vier Jahre lang – unter anderem im Presswerk – in anderen Abteilungen eingesetzt war, bevor’s endlich zur Werkfeuerwehr ging. Auch Franke erinnert sich gut an diesen 1. September vor fast 37 Jahren, stürzte er doch auf dem Weg ins Werk mit seiner Yamaha RD 80 LC2: „Ich kam zu meinem ersten Arbeitstag mit kaputter Hose und aufgeschürftem Knie.“

Nach der Begrüßung wurden die jungen Männer – es gab keine einzige Frau in ihrem Ausbildungsjahrgang – mit Arbeitsbekleidung ausgestattet, und es erfolgte die Sicherheitseinweisung. „Und danach haben wir gefühlt ein halbes Jahr lang nur gefeilt“, lacht das Rund, dessen Berufsbezeichnung gleich nach diesem Halbjahr in „Industriemechaniker Fachrichtung Maschinen- und Systemtechnik“ umbenannt wurde.

„Volkswagen ist ein zuverlässiger Arbeitgeber“

Einmal in der Woche mussten die Teenager die Schulbank der Berufsbildenden Schulen im Schachtweg drücken – hier komplettierten ihre Klasse gerade einmal drei weitere Schüler von nicht-Volkswagen-Betrieben, und eine davon war ein Mädchen.

Schnell bildete sich innerhalb des 1986er-Jahrgangs eine Truppe heraus, zu der neben den drei Organisatoren auch Holger Engel, Ralf Dannheim und Markus Haese zählten. „Wir haben uns die Reparaturaufträge, die an der Pinnwand hingen, geschnappt und sind in 2er-Teams losgezogen. Das eigenständige Arbeiten hat dann sehr viel Spaß gemacht“, erzählt Fänger. „Volkswagen ist ein zuverlässiger Arbeitgeber und hat uns allen immer alle Türen offengehalten“, gibt das Rund eine Antwort auf die Frage, warum sie bei ihrem Ausbildungsbetrieb verblieben sind. Und so gestaltet es sich auch mit den Jahrgangstreffen: Diese werden künftig eine Fortsetzung finden.

Vor allem dem Organisationsteam wurde gedankt. „Wir hatten sehr viel Spaß zusammen und die Zeit reichte gar nicht aus, um alle Erinnerungen auszutauschen“, berichtet Franke.

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Ausbildung bei Volkswagen

Am 1. September 2022 haben im Rahmen des Ausbildungsstarts an den deutschen Standorten der Volkswagen AG 1175 Auszubildende und dual Studierende den ersten Schritt in das Berufsleben gemacht. Etwa die Hälfte der Nachwuchskräfte – nämlich 528 – starteten in Wolfsburg: 356 junge Talente begannen ihre Ausbildung in einem der zwölf technischen Berufe oder der neun kaufmännischen Berufe, 172 in einem von 13 dualen Studiengängen, etwa ein gutes Drittel davon sind heute Frauen.

In Folge der veränderten Bedarfsanforderungen aus den Fachbereichen erfolgen seit Jahren mehr als die Hälfte der Neueinstellungen im Stammwerk in Elektro- und IT-Berufen, etwa ein knappes Drittel in Metallberufen und nicht einmal mehr 15 Prozent in kaufmännischen und Dienstleistungsberufen.