Berlin. Die reichsten zehn Prozent in Deutschland besitzen mehr als die Hälfte des Nettovermögens. Doch es gibt eine überraschende Veränderung.

Wie reich sind die Deutschen? Und werden die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer? Die Bundesbank beantwortet solche Fragen in einer umfangreichen Studie zum Vermögen der Deutschen. Die Ungleichheit nimmt danach ab. Im Europavergleich ist sie aber noch hoch. Zwischen 2017 und 2021 wurden alle reicher – vor allem aber diejenigen, die eher weniger besitzen. „Die Nettovermögen haben zugenommen“, sagt Hannah Paule-Paludkiewicz, Co-Autorin der Studie.

Im Durchschnitt konnte jeder der rund 41 Millionen Haushalte in Deutschland 2021 auf ein Nettovermögen von 316.500 Euro zurückgreifen, wie ein Team des Forschungszentrums der Bundesbank ermittelt hat, ein Plus von rund 36 Prozent im Vergleich zu 2017, dem Jahr der vorherigen Erhebung. Wesentlich stärker gestiegen ist der Wert, der Deutschlands Haushalte in zwei Hälften teilt, sortiert man sie nach Vermögenshöhe: 106.600 Euro, fast 51 Prozent mehr als 2017. Die Hälfte der Deutschen hat also ein größeres Vermögen, die andere ein kleineres.

Geld: Vermögen der unteren Hälfte stark gestiegen

Geld ist nicht alles. Und deshalb untersucht die Bundesbank für die trocken benannte Studie „Private Haushalte und ihre Finanzen“ nicht nur das Geldvermögen, also etwa Bargeld, Aktienbesitz sowie Versicherungsansprüche und private Altersvorsorge. Auch Immobilienbesitz und Anteile an Unternehmen werden betrachtet. Zudem werden die Schulden erfasst. Einzig gesetzliche Renten fließen nicht ein. Die Studie ist deshalb insgesamt umfassender als einige andere zum Thema. Die Daten jetzt beziehen sich auf das Jahr 2021. Befragt wurden mehr als 4100 Haushalte. Es ist die vierte Untersuchung seit 2010/11.

„Ein Plus gab es in fast allen Bereichen“, sagt Tobias Schmidt, Co-Autor der Studie. Das Plus war vor allem bei Vermögen der unteren Hälfte groß. Das ärmste Fünftel der Haushalte – netto verschuldet – konnte die Schulden um 54 Prozent tilgen. Das nächstreichere Fünftel verfügte 2021 über 59 Prozent mehr Vermögen. Das reichste Fünftel kam nur auf 34 Prozent Plus, das reichste Zehntel auf 37 Prozent. Das alles führt dazu, dass die Ungleichheit in Deutschland sinkt.

Geld: Ungleichheit in Deutschland ist im europäischen Vergleich hoch

Ein Hinweis: Ein Haushalt, der genau das mittlere Vermögen zur Verfügung hat, brauchte 2021 nicht mehr so viel Vermögenszuwachs, um zu den reichsten zehn Prozent aufzusteigen, wie 2017 oder gar 2011. Damals untersuchte die Bundesbank die Vermögen der Deutschen zum ersten Mal. Auch andere Rechengrößen deuteten darauf hin, wie Schmidt sagte.

Da ist etwa ein Wert der zwischen 0 und 100 Prozent liegt. 0 Prozent bedeutet, die Vermögen sind gleich verteilt, 100 Prozent wäre maximale Ungleichheit. Für Deutschland ergeben sich 73 Prozent für 2021. Zehn Jahre zuvor waren es 76 Prozent. Dennoch: „Die Ungleichheit ist im europäischen Vergleich nach wie vor hoch“, sagte Schmidt. In der Euro-Zone gebe es wenige Länder, die noch ungleicher als Deutschland seien. Für Italien etwa liegt der Wert bei 68 Prozent. Und auch in Portugal und Spanien sind die Vermögen nach neuen Studien gleicher verteilt. In den USA sei die Ungleichheit allerdings höher als in Deutschland, sagt Schmidt.

Reichsten zehn Prozent besitzen mehr als die Hälfte des Nettovermögens

Wer ist nun wirklich reich in Deutschland? Zu den reichsten zehn Prozent zählen Haushalte, die mindestens 725.900 Euro Nettovermögen besitzen. Im Schnitt verfügt diese Gruppe über 1,77 Millionen Euro Vermögen, in der Regel angelegt in Immobilien, Unternehmensanteilen und Wertpapieren. Absolut gesehen besaßen die oberen zehn Prozent im Jahr 2021 rund 56 Prozent des gesamten Nettovermögens in Deutschland. Im Vergleich dazu verfügte die untere Hälfte der Haushalte, also alle mit weniger Vermögen als 106.600 Euro, nur über rund drei Prozent. Dieser Wert sei praktisch konstant, sagt Schmidt.

Die reichsten deutschen Haushalte besitzen meist Immobilien. Und das Vermögen steckt sehr oft in Unternehmen. Dagegen haben die ärmeren Haushalte eher Bargeld, Tagesgeldkonten, Fondsparpläne. Wobei Schmidt zufolge in den vergangenen Jahren der Anteil von Fonds und Aktien gestiegen ist. Auch ein Trend, den die Bundesbank ermittelt hat: Die Zahl der Haushalte, die nicht sparen konnten, sank. Ein Grund: Wegen der strengen Corona-Regeln konnten die Menschen nicht so viel Geld ausgeben und haben eher etwas zurückgelegt.

Nettovermögen ist zuletzt um 8,2 Prozent gesunken

Die Studiendaten der Bundesbank sind knapp zwei Jahre alt. Die Corona-Krise ist berücksichtigt. Auch ein leichter Anstieg der Inflation. Seither stiegen die Preise zum Teil kräftig. Die Europäische Zentralbank steuerte mit höheren Zinsen gegen, Kredite wurden teurer. Und am Aktienmarkt ging es, anders als zwischen 2017 und 2021, zeitweise abwärts. All das betrifft die Vermögen der Deutschen. Wobei nicht eindeutig ist, wie. Die Effekte seien schwer einzuschätzen, sagt Falko Fecht, Leiter des Forschungszentrums der Bundesbank.

Immerhin gibt es neue Zahlen zumindest zum Geldvermögen: Das Nettogeldvermögen aller privaten Haushalte jedenfalls ist von Ende 2021 bis Ende 2022 um 8,2 Prozent gesunken, wie die Bundesbank ebenfalls errechnet hat. Vor allem der Wert von Aktien und Ansprüchen auf Altersvorsorge ist gesunken. Gleichzeitig stiegen die Schulden. Sinkt der Aktienwert, trifft das vor allem jene, die viele Aktien halten – tendenziell die vermögenderen Bundesbürger. Von steigenden Zinsen profitieren dagegen jene, die ihr Geld vor allem auf Sparbüchern oder Tagesgeldkonten angelegt haben – das sind nach Angaben der Bundesbank eher die, die weniger Vermögen haben.

Dagegen belasten steigende Preise überproportional jene, die wenig Geld haben. Sie können weniger zurücklegen oder müssen sogar Ersparnisse auflösen. Oder sie versuchen, weniger auszugeben, um ihre Ersparnisse eben nicht anzutasten. Wer verschuldet ist, profitiert von der Inflation, weil die Kredite relativ gesehen weniger wert werden. Genaues dürfte es 2024 geben. Die Bundesbank befragt die Haushalte noch einmal.